III. 4. Der Ausgang des preußischen Verfassungskampfes.
Der Angriff der Clericalen war vollständig abgeschlagen, und die öffentliche Meinung, die sonst so gern über die preußische Knechtschaft wehklagte, stand diesmal einmüthig auf Seiten der Staatsgewalt. Ein Hermesianer in Nassau ließ Droste's Schreiben drucken um die Regierun- gen vor den Umtrieben ihrer geistlichen Widersacher zu warnen. In der That warf der Hergang ein erschreckend klares Licht auf die letzten Ab- sichten der ultramontanen Partei. Man wußte in Berlin, wie lebhaft die aufsässigen westphälischen Cleriker insgeheim mit dem Nuntius in München verkehrten, und erfuhr mit Befremden, daß Preußens treuer Freund Metternich die freche Antwort des Münster'schen Generalvicars in seinem Oesterreichischen Beobachter mit wohlwollender Anerkennung be- sprechen ließ.*) Die Verständigung mit dem römischen Stuhl ließ den Staat im Vollbesitze seiner kirchenpolitischen Rechte, und seit der Papst dem Könige öffentlich seine Dankbarkeit ausgesprochen, verhielten sich die Clericalen eine Zeit lang still. Doch gesichert war der confessionelle Friede mit nichten. Alles hing ab von der Ausführung jener Uebereinkunft, mit Spannung sahen beide Parteien der Ernennung der neuen Bischöfe entgegen. --
Zur selben Zeit, da Preußen sich mit dem römischen Stuhle ver- ständigte, gelangte auch Baiern zum Abschluß seines Concordatstreites, nicht auf geraden Wegen, doch so, daß der Staatsgewalt zuletzt der Sieg verblieb. Der Widerspruch zwischen dem streng kanonischen Concordate und dem paritätischen Geiste der neuen Verfassungsgesetze ließ sich schlech- terdings nicht in Abrede stellen. Der römische Stuhl sah sich hinter- gangen. Sein Nuntius Serra-Cassano bemühte sich den Widerspruch im Sinne des Vaticans auszugleichen und leitete insgeheim eine gegen die Verfassung gerichtete clericale Bewegung. Auf der anderen Seite waren die Anhänger des alten Illuminatenordens sehr rührig und über- schütteten in den "Mönchsbriefen" und anderen Streitschriften das Papst- thum mit gehässigem Spotte. Zentner aber, Lerchenfeld, Ignaz Rud- hart, alle Talente des hohen Beamtenthums zeigten sich entschlossen, die begangenen Mißgriffe durch unerschütterliche Festigkeit zu sühnen, und sie hatten von Haus aus gewonnenes Spiel, da das Concordat, auf den Wunsch der Curie selber, als Staatsgesetz verkündet, mithin unzweifelhaft den Vorschriften der Verfassung untergeordnet war. Als Cardinal Con- salvi am 8. März 1820 die Forderung stellte, im Falle des Widerspruchs müsse das Concordat den Verfassungsgesetzen vorgehen, da erwiderte Rech- berg vertraulich: eine solche Erklärung sei unmöglich, sie würde die kirchen- feindlichen Parteien aufs Aeußerste erregen und vielleicht den Bestand des Ministeriums selber gefährden. Schritt für Schritt wich der Cardinal seitdem zurück, und nach langen Verhandlungen unterzeichnete der König
III. 4. Der Ausgang des preußiſchen Verfaſſungskampfes.
Der Angriff der Clericalen war vollſtändig abgeſchlagen, und die öffentliche Meinung, die ſonſt ſo gern über die preußiſche Knechtſchaft wehklagte, ſtand diesmal einmüthig auf Seiten der Staatsgewalt. Ein Hermeſianer in Naſſau ließ Droſte’s Schreiben drucken um die Regierun- gen vor den Umtrieben ihrer geiſtlichen Widerſacher zu warnen. In der That warf der Hergang ein erſchreckend klares Licht auf die letzten Ab- ſichten der ultramontanen Partei. Man wußte in Berlin, wie lebhaft die aufſäſſigen weſtphäliſchen Cleriker insgeheim mit dem Nuntius in München verkehrten, und erfuhr mit Befremden, daß Preußens treuer Freund Metternich die freche Antwort des Münſter’ſchen Generalvicars in ſeinem Oeſterreichiſchen Beobachter mit wohlwollender Anerkennung be- ſprechen ließ.*) Die Verſtändigung mit dem römiſchen Stuhl ließ den Staat im Vollbeſitze ſeiner kirchenpolitiſchen Rechte, und ſeit der Papſt dem Könige öffentlich ſeine Dankbarkeit ausgeſprochen, verhielten ſich die Clericalen eine Zeit lang ſtill. Doch geſichert war der confeſſionelle Friede mit nichten. Alles hing ab von der Ausführung jener Uebereinkunft, mit Spannung ſahen beide Parteien der Ernennung der neuen Biſchöfe entgegen. —
Zur ſelben Zeit, da Preußen ſich mit dem römiſchen Stuhle ver- ſtändigte, gelangte auch Baiern zum Abſchluß ſeines Concordatſtreites, nicht auf geraden Wegen, doch ſo, daß der Staatsgewalt zuletzt der Sieg verblieb. Der Widerſpruch zwiſchen dem ſtreng kanoniſchen Concordate und dem paritätiſchen Geiſte der neuen Verfaſſungsgeſetze ließ ſich ſchlech- terdings nicht in Abrede ſtellen. Der römiſche Stuhl ſah ſich hinter- gangen. Sein Nuntius Serra-Caſſano bemühte ſich den Widerſpruch im Sinne des Vaticans auszugleichen und leitete insgeheim eine gegen die Verfaſſung gerichtete clericale Bewegung. Auf der anderen Seite waren die Anhänger des alten Illuminatenordens ſehr rührig und über- ſchütteten in den „Mönchsbriefen“ und anderen Streitſchriften das Papſt- thum mit gehäſſigem Spotte. Zentner aber, Lerchenfeld, Ignaz Rud- hart, alle Talente des hohen Beamtenthums zeigten ſich entſchloſſen, die begangenen Mißgriffe durch unerſchütterliche Feſtigkeit zu ſühnen, und ſie hatten von Haus aus gewonnenes Spiel, da das Concordat, auf den Wunſch der Curie ſelber, als Staatsgeſetz verkündet, mithin unzweifelhaft den Vorſchriften der Verfaſſung untergeordnet war. Als Cardinal Con- ſalvi am 8. März 1820 die Forderung ſtellte, im Falle des Widerſpruchs müſſe das Concordat den Verfaſſungsgeſetzen vorgehen, da erwiderte Rech- berg vertraulich: eine ſolche Erklärung ſei unmöglich, ſie würde die kirchen- feindlichen Parteien aufs Aeußerſte erregen und vielleicht den Beſtand des Miniſteriums ſelber gefährden. Schritt für Schritt wich der Cardinal ſeitdem zurück, und nach langen Verhandlungen unterzeichnete der König
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III. 4. Der Ausgang des preußiſchen Verfaſſungskampfes.
Der Angriff der Clericalen war vollſtändig abgeſchlagen, und die
öffentliche Meinung, die ſonſt ſo gern über die preußiſche Knechtſchaft
wehklagte, ſtand diesmal einmüthig auf Seiten der Staatsgewalt. Ein
Hermeſianer in Naſſau ließ Droſte’s Schreiben drucken um die Regierun-
gen vor den Umtrieben ihrer geiſtlichen Widerſacher zu warnen. In der
That warf der Hergang ein erſchreckend klares Licht auf die letzten Ab-
ſichten der ultramontanen Partei. Man wußte in Berlin, wie lebhaft
die aufſäſſigen weſtphäliſchen Cleriker insgeheim mit dem Nuntius in
München verkehrten, und erfuhr mit Befremden, daß Preußens treuer
Freund Metternich die freche Antwort des Münſter’ſchen Generalvicars
in ſeinem Oeſterreichiſchen Beobachter mit wohlwollender Anerkennung be-
ſprechen ließ. *) Die Verſtändigung mit dem römiſchen Stuhl ließ den
Staat im Vollbeſitze ſeiner kirchenpolitiſchen Rechte, und ſeit der Papſt
dem Könige öffentlich ſeine Dankbarkeit ausgeſprochen, verhielten ſich die
Clericalen eine Zeit lang ſtill. Doch geſichert war der confeſſionelle Friede
mit nichten. Alles hing ab von der Ausführung jener Uebereinkunft,
mit Spannung ſahen beide Parteien der Ernennung der neuen Biſchöfe
entgegen. —
Zur ſelben Zeit, da Preußen ſich mit dem römiſchen Stuhle ver-
ſtändigte, gelangte auch Baiern zum Abſchluß ſeines Concordatſtreites,
nicht auf geraden Wegen, doch ſo, daß der Staatsgewalt zuletzt der Sieg
verblieb. Der Widerſpruch zwiſchen dem ſtreng kanoniſchen Concordate
und dem paritätiſchen Geiſte der neuen Verfaſſungsgeſetze ließ ſich ſchlech-
terdings nicht in Abrede ſtellen. Der römiſche Stuhl ſah ſich hinter-
gangen. Sein Nuntius Serra-Caſſano bemühte ſich den Widerſpruch
im Sinne des Vaticans auszugleichen und leitete insgeheim eine gegen
die Verfaſſung gerichtete clericale Bewegung. Auf der anderen Seite
waren die Anhänger des alten Illuminatenordens ſehr rührig und über-
ſchütteten in den „Mönchsbriefen“ und anderen Streitſchriften das Papſt-
thum mit gehäſſigem Spotte. Zentner aber, Lerchenfeld, Ignaz Rud-
hart, alle Talente des hohen Beamtenthums zeigten ſich entſchloſſen, die
begangenen Mißgriffe durch unerſchütterliche Feſtigkeit zu ſühnen, und ſie
hatten von Haus aus gewonnenes Spiel, da das Concordat, auf den
Wunſch der Curie ſelber, als Staatsgeſetz verkündet, mithin unzweifelhaft
den Vorſchriften der Verfaſſung untergeordnet war. Als Cardinal Con-
ſalvi am 8. März 1820 die Forderung ſtellte, im Falle des Widerſpruchs
müſſe das Concordat den Verfaſſungsgeſetzen vorgehen, da erwiderte Rech-
berg vertraulich: eine ſolche Erklärung ſei unmöglich, ſie würde die kirchen-
feindlichen Parteien aufs Aeußerſte erregen und vielleicht den Beſtand des
Miniſteriums ſelber gefährden. Schritt für Schritt wich der Cardinal
ſeitdem zurück, und nach langen Verhandlungen unterzeichnete der König
*) Zaſtrow’s Bericht, 31. Dec. 1820, Kruſemark’s Bericht, 24. April 1820.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/236>, abgerufen am 22.11.2024.
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