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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885.

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III. 3. Troppau und Laibach.
trioten gewesen; jetzt verurtheilten alle Höfe mitleidslos sein schwankendes,
zweideutiges Verhalten, die österreichischen Offiziere verhöhnten ihn ins
Gesicht als den König von Italien -- was dem Stolzen unvergessen blieb
-- und die Liberalen, die sich nach romanischem Brauche ihre Niederlage
nur aus einer großen Verrätherei erklären konnten, sangen ihm die grau-
samen Verse nach: Dein Name geht durch alle Völker, mit Fluch beladen,
Carignan Er schien der allgemeinen Verachtung erliegen zu müssen, und
die reaktionäre Partei verstieg sich bereits zu dem Plane, den Verhaßten
von der Thronfolge auszuschließen, die Krone nach dem Tode des alten
Karl Felix auf Franz von Modena zu übertragen.

Währenddem war über Neapel ein Schreckensregiment hereinge-
brochen, fast so gräuelvoll wie jenes erste bourbonische Blutgericht vom
Jahre 1799. König Ferdinand hatte die Heimkehr verschoben, bis er der
Unterwerfung seines Landes völlig sicher war und sich nicht mehr um die
Rathschläge der Großmächte zu kümmern brauchte. Dann drängten sich
in endloser Reihe Einkerkerung, Auspeitschung, Hinrichtung; viele der
besten Männer des Landes verschmachteten, mit gemeinen Verbrechern
zusammengeschmiedet, unter den Insektenschwärmen der schattenlosen Straf-
inseln, mehr denn Tausend lebten als Flüchtlinge in England, in der
Schweiz, bei den Barbaresken. Das alte Conscriptionsheer ward auf-
gelöst, ein neues geworbenes gebildet. In den clericalen Urkantonen der
Schweiz ließ Ferdinand durch einen anrüchigen alten Landsknecht, General
Auf der Mauer die Werbetrommel rühren, und obwohl mancher wackere
Eidgenosse die "biderben Männer von Schwyz" beschwor, die alte, schon
von Zwingli gescholtene Nationalsünde des Reislaufens endlich zu lassen,
so fanden sich doch einige Regimenter von tapferen Fremdlingen zusammen,
die nun von den Bergfesten über der Bai die unruhige Hauptstadt be-
wachten. Die zügellose Grausamkeit dieser Reaktion zwang die Mächte
mehrmals zu ernsten Warnungen; selbst Kaiser Franz schrieb dem König
zweimal noch von Laibach aus.*) Doch was konnten solche Mahnungen
fruchten, da der gute Kaiser seine eigenen Soldaten Schergendienste ver-
richten ließ bei den Blutrichtern des Bourbonen, ja sogar in die gräß-
lichen Kerker seiner mährischen Festungen außer den lombardischen Patrioten,
die soeben nochmals durch ein Strafverfahren heimgesucht wurden, auch
neapolitanische Hochverräther gastfreundlich aufnahm? Neapel war nur
noch ein Satrapenstaat der Hofburg; die alte Verbindung zwischen dem
königlichen Hause und den französischen Bourbonen lockerte sich mehr und
mehr. Sechs Jahre lang blieben die Oesterreicher im Lande, der Hof
überschüttete ihre Führer mit Gold und Ehren, durch die Kosten der frem-
den Besatzung wurde die Staatsschuld in wenigen Jahren auf das Vier-
fache erhöht. Ein fürchterlicher Haß, der mit jedem Jahre wuchs, sammelte

*) Krusemark's Berichte, 4. April, 11. Mai 1821.

III. 3. Troppau und Laibach.
trioten geweſen; jetzt verurtheilten alle Höfe mitleidslos ſein ſchwankendes,
zweideutiges Verhalten, die öſterreichiſchen Offiziere verhöhnten ihn ins
Geſicht als den König von Italien — was dem Stolzen unvergeſſen blieb
— und die Liberalen, die ſich nach romaniſchem Brauche ihre Niederlage
nur aus einer großen Verrätherei erklären konnten, ſangen ihm die grau-
ſamen Verſe nach: Dein Name geht durch alle Völker, mit Fluch beladen,
Carignan Er ſchien der allgemeinen Verachtung erliegen zu müſſen, und
die reaktionäre Partei verſtieg ſich bereits zu dem Plane, den Verhaßten
von der Thronfolge auszuſchließen, die Krone nach dem Tode des alten
Karl Felix auf Franz von Modena zu übertragen.

Währenddem war über Neapel ein Schreckensregiment hereinge-
brochen, faſt ſo gräuelvoll wie jenes erſte bourboniſche Blutgericht vom
Jahre 1799. König Ferdinand hatte die Heimkehr verſchoben, bis er der
Unterwerfung ſeines Landes völlig ſicher war und ſich nicht mehr um die
Rathſchläge der Großmächte zu kümmern brauchte. Dann drängten ſich
in endloſer Reihe Einkerkerung, Auspeitſchung, Hinrichtung; viele der
beſten Männer des Landes verſchmachteten, mit gemeinen Verbrechern
zuſammengeſchmiedet, unter den Inſektenſchwärmen der ſchattenloſen Straf-
inſeln, mehr denn Tauſend lebten als Flüchtlinge in England, in der
Schweiz, bei den Barbaresken. Das alte Conſcriptionsheer ward auf-
gelöſt, ein neues geworbenes gebildet. In den clericalen Urkantonen der
Schweiz ließ Ferdinand durch einen anrüchigen alten Landsknecht, General
Auf der Mauer die Werbetrommel rühren, und obwohl mancher wackere
Eidgenoſſe die „biderben Männer von Schwyz“ beſchwor, die alte, ſchon
von Zwingli geſcholtene Nationalſünde des Reislaufens endlich zu laſſen,
ſo fanden ſich doch einige Regimenter von tapferen Fremdlingen zuſammen,
die nun von den Bergfeſten über der Bai die unruhige Hauptſtadt be-
wachten. Die zügelloſe Grauſamkeit dieſer Reaktion zwang die Mächte
mehrmals zu ernſten Warnungen; ſelbſt Kaiſer Franz ſchrieb dem König
zweimal noch von Laibach aus.*) Doch was konnten ſolche Mahnungen
fruchten, da der gute Kaiſer ſeine eigenen Soldaten Schergendienſte ver-
richten ließ bei den Blutrichtern des Bourbonen, ja ſogar in die gräß-
lichen Kerker ſeiner mähriſchen Feſtungen außer den lombardiſchen Patrioten,
die ſoeben nochmals durch ein Strafverfahren heimgeſucht wurden, auch
neapolitaniſche Hochverräther gaſtfreundlich aufnahm? Neapel war nur
noch ein Satrapenſtaat der Hofburg; die alte Verbindung zwiſchen dem
königlichen Hauſe und den franzöſiſchen Bourbonen lockerte ſich mehr und
mehr. Sechs Jahre lang blieben die Oeſterreicher im Lande, der Hof
überſchüttete ihre Führer mit Gold und Ehren, durch die Koſten der frem-
den Beſatzung wurde die Staatsſchuld in wenigen Jahren auf das Vier-
fache erhöht. Ein fürchterlicher Haß, der mit jedem Jahre wuchs, ſammelte

*) Kruſemark’s Berichte, 4. April, 11. Mai 1821.
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[184/0200] III. 3. Troppau und Laibach. trioten geweſen; jetzt verurtheilten alle Höfe mitleidslos ſein ſchwankendes, zweideutiges Verhalten, die öſterreichiſchen Offiziere verhöhnten ihn ins Geſicht als den König von Italien — was dem Stolzen unvergeſſen blieb — und die Liberalen, die ſich nach romaniſchem Brauche ihre Niederlage nur aus einer großen Verrätherei erklären konnten, ſangen ihm die grau- ſamen Verſe nach: Dein Name geht durch alle Völker, mit Fluch beladen, Carignan Er ſchien der allgemeinen Verachtung erliegen zu müſſen, und die reaktionäre Partei verſtieg ſich bereits zu dem Plane, den Verhaßten von der Thronfolge auszuſchließen, die Krone nach dem Tode des alten Karl Felix auf Franz von Modena zu übertragen. Währenddem war über Neapel ein Schreckensregiment hereinge- brochen, faſt ſo gräuelvoll wie jenes erſte bourboniſche Blutgericht vom Jahre 1799. König Ferdinand hatte die Heimkehr verſchoben, bis er der Unterwerfung ſeines Landes völlig ſicher war und ſich nicht mehr um die Rathſchläge der Großmächte zu kümmern brauchte. Dann drängten ſich in endloſer Reihe Einkerkerung, Auspeitſchung, Hinrichtung; viele der beſten Männer des Landes verſchmachteten, mit gemeinen Verbrechern zuſammengeſchmiedet, unter den Inſektenſchwärmen der ſchattenloſen Straf- inſeln, mehr denn Tauſend lebten als Flüchtlinge in England, in der Schweiz, bei den Barbaresken. Das alte Conſcriptionsheer ward auf- gelöſt, ein neues geworbenes gebildet. In den clericalen Urkantonen der Schweiz ließ Ferdinand durch einen anrüchigen alten Landsknecht, General Auf der Mauer die Werbetrommel rühren, und obwohl mancher wackere Eidgenoſſe die „biderben Männer von Schwyz“ beſchwor, die alte, ſchon von Zwingli geſcholtene Nationalſünde des Reislaufens endlich zu laſſen, ſo fanden ſich doch einige Regimenter von tapferen Fremdlingen zuſammen, die nun von den Bergfeſten über der Bai die unruhige Hauptſtadt be- wachten. Die zügelloſe Grauſamkeit dieſer Reaktion zwang die Mächte mehrmals zu ernſten Warnungen; ſelbſt Kaiſer Franz ſchrieb dem König zweimal noch von Laibach aus. *) Doch was konnten ſolche Mahnungen fruchten, da der gute Kaiſer ſeine eigenen Soldaten Schergendienſte ver- richten ließ bei den Blutrichtern des Bourbonen, ja ſogar in die gräß- lichen Kerker ſeiner mähriſchen Feſtungen außer den lombardiſchen Patrioten, die ſoeben nochmals durch ein Strafverfahren heimgeſucht wurden, auch neapolitaniſche Hochverräther gaſtfreundlich aufnahm? Neapel war nur noch ein Satrapenſtaat der Hofburg; die alte Verbindung zwiſchen dem königlichen Hauſe und den franzöſiſchen Bourbonen lockerte ſich mehr und mehr. Sechs Jahre lang blieben die Oeſterreicher im Lande, der Hof überſchüttete ihre Führer mit Gold und Ehren, durch die Koſten der frem- den Beſatzung wurde die Staatsſchuld in wenigen Jahren auf das Vier- fache erhöht. Ein fürchterlicher Haß, der mit jedem Jahre wuchs, ſammelte *) Kruſemark’s Berichte, 4. April, 11. Mai 1821.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/200>, abgerufen am 25.11.2024.