beschworen, und zudem so unfähig, daß er kaum eine Depesche zu Ende lesen konnte. Seinen Begleiter, den Minister Herzog von San Gallo ließen sie nicht vor, weil sie die revolutionäre Regierung nicht anerkannten. Statt des Zurückgewiesenen berief der König den Fürsten Ruffo zu sich, einen fanatischen Reaktionär, der sich zu allen Geschäften ebenso unbrauchbar zeigte, wie sein Herr. Beide verlangten, da der Ausgang noch nicht ganz sicher war, daß der Congreß für sie und ohne sie handle.*)
Nach langen Berathungen beschloß die Versammlung, dem neapoli- tanischen Grundgesetze die Anerkennung zu versagen und ein österreichi- sches Heer einrücken zu lassen um die Gewalt des Königs in Güte oder durch die Waffen herzustellen. Ferdinand erwiderte, da er nur noch die Wahl habe zwischen dem Kriege und der Verleugnung der Revolution, so ziehe er Letzteres vor, und befahl seinem Kronprinzen brieflich, sich den Befehlen des Congresses zu unterwerfen. Nunmehr ward auch der un- glückliche Herzog von San Gallo, der unterdessen in dem nahen Görz hatte bleiben müssen, herbeigerufen um den Urtheilsspruch Europas zu ver- nehmen. (30. Jan.) Vor dem versammelten Congresse verkündigte ihm Metternich die Beschlüsse der Mächte und fügte drohend hinzu: sollten die Neapolitaner auf die väterliche Stimme ihres Königs nicht hören, dann würden die Menschen, welche aus Fanatismus oder aus noch ruch- loseren Beweggründen die Augen des treuen Volkes verblendet hätten, die alleinige Verantwortung tragen und selber die ersten Opfer des über ihr Vaterland hereinbrechenden Unheils werden.**) Währenddem steckte Fürst Ruffo nebenan in Metternich's Cabinet und beobachtete durch ein Loch, das ihm seine Gönner in die Thür gebohrt hatten, die Demüthigung seines constitutionellen Landsmanns. Der aber bewahrte die dreiste Gei- stesgegenwart des südländischen Buffo; er lächelte verbindlich zu Metter- nich's schnöden Vorwürfen, als ob er sich geschmeichelt fühlte, und ver- sprach dann sehr artig, den erhaltenen Auftrag daheim auszurichten. Keiner der Anwesenden schien zu empfinden, wie frevelhaft hier die Sache der Legitimität durch ihre eigenen Anhänger geschändet wurde.
Auch die Preußen nahmen an dem unwürdigen Spiele keinen An- stoß, sondern ließen den österreichischen Freund in Allem gewähren und widersprachen ihm erst, als er die Bürgschaft der großen Allianz für ein k. k. Kriegsanlehen verlangte. Auf eine solche Zusage, welche leicht zur Ver- mehrung der soeben geschlossenen Staatsschuld führen konnte, wollte sich Hardenberg nicht einlassen, und der König sprach ihm dafür seine be- sondere Anerkennung aus.***) Bei den letzten Berathungen hatten auch
*) Rundschreiben an die preußischen Gesandtschaften, 12. Febr.; Bernstorff an An- cillon, 30. Januar 1821.
**)Allocution du Prince de Metternich, 30. Jan. 1821.
***) Hardenberg's und Bernstorff's Bericht, 6. Februar; Albrecht an Hardenberg, 17. Febr. 1821.
III. 3. Troppau und Laibach.
beſchworen, und zudem ſo unfähig, daß er kaum eine Depeſche zu Ende leſen konnte. Seinen Begleiter, den Miniſter Herzog von San Gallo ließen ſie nicht vor, weil ſie die revolutionäre Regierung nicht anerkannten. Statt des Zurückgewieſenen berief der König den Fürſten Ruffo zu ſich, einen fanatiſchen Reaktionär, der ſich zu allen Geſchäften ebenſo unbrauchbar zeigte, wie ſein Herr. Beide verlangten, da der Ausgang noch nicht ganz ſicher war, daß der Congreß für ſie und ohne ſie handle.*)
Nach langen Berathungen beſchloß die Verſammlung, dem neapoli- taniſchen Grundgeſetze die Anerkennung zu verſagen und ein öſterreichi- ſches Heer einrücken zu laſſen um die Gewalt des Königs in Güte oder durch die Waffen herzuſtellen. Ferdinand erwiderte, da er nur noch die Wahl habe zwiſchen dem Kriege und der Verleugnung der Revolution, ſo ziehe er Letzteres vor, und befahl ſeinem Kronprinzen brieflich, ſich den Befehlen des Congreſſes zu unterwerfen. Nunmehr ward auch der un- glückliche Herzog von San Gallo, der unterdeſſen in dem nahen Görz hatte bleiben müſſen, herbeigerufen um den Urtheilsſpruch Europas zu ver- nehmen. (30. Jan.) Vor dem verſammelten Congreſſe verkündigte ihm Metternich die Beſchlüſſe der Mächte und fügte drohend hinzu: ſollten die Neapolitaner auf die väterliche Stimme ihres Königs nicht hören, dann würden die Menſchen, welche aus Fanatismus oder aus noch ruch- loſeren Beweggründen die Augen des treuen Volkes verblendet hätten, die alleinige Verantwortung tragen und ſelber die erſten Opfer des über ihr Vaterland hereinbrechenden Unheils werden.**) Währenddem ſteckte Fürſt Ruffo nebenan in Metternich’s Cabinet und beobachtete durch ein Loch, das ihm ſeine Gönner in die Thür gebohrt hatten, die Demüthigung ſeines conſtitutionellen Landsmanns. Der aber bewahrte die dreiſte Gei- ſtesgegenwart des ſüdländiſchen Buffo; er lächelte verbindlich zu Metter- nich’s ſchnöden Vorwürfen, als ob er ſich geſchmeichelt fühlte, und ver- ſprach dann ſehr artig, den erhaltenen Auftrag daheim auszurichten. Keiner der Anweſenden ſchien zu empfinden, wie frevelhaft hier die Sache der Legitimität durch ihre eigenen Anhänger geſchändet wurde.
Auch die Preußen nahmen an dem unwürdigen Spiele keinen An- ſtoß, ſondern ließen den öſterreichiſchen Freund in Allem gewähren und widerſprachen ihm erſt, als er die Bürgſchaft der großen Allianz für ein k. k. Kriegsanlehen verlangte. Auf eine ſolche Zuſage, welche leicht zur Ver- mehrung der ſoeben geſchloſſenen Staatsſchuld führen konnte, wollte ſich Hardenberg nicht einlaſſen, und der König ſprach ihm dafür ſeine be- ſondere Anerkennung aus.***) Bei den letzten Berathungen hatten auch
*) Rundſchreiben an die preußiſchen Geſandtſchaften, 12. Febr.; Bernſtorff an An- cillon, 30. Januar 1821.
**)Allocution du Prince de Metternich, 30. Jan. 1821.
***) Hardenberg’s und Bernſtorff’s Bericht, 6. Februar; Albrecht an Hardenberg, 17. Febr. 1821.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0194"n="178"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq">III.</hi> 3. Troppau und Laibach.</fw><lb/>
beſchworen, und zudem ſo unfähig, daß er kaum eine Depeſche zu Ende<lb/>
leſen konnte. Seinen Begleiter, den Miniſter Herzog von San Gallo ließen<lb/>ſie nicht vor, weil ſie die revolutionäre Regierung nicht anerkannten. Statt<lb/>
des Zurückgewieſenen berief der König den Fürſten Ruffo zu ſich, einen<lb/>
fanatiſchen Reaktionär, der ſich zu allen Geſchäften ebenſo unbrauchbar<lb/>
zeigte, wie ſein Herr. Beide verlangten, da der Ausgang noch nicht<lb/>
ganz ſicher war, daß der Congreß für ſie und ohne ſie handle.<noteplace="foot"n="*)">Rundſchreiben an die preußiſchen Geſandtſchaften, 12. Febr.; Bernſtorff an An-<lb/>
cillon, 30. Januar 1821.</note></p><lb/><p>Nach langen Berathungen beſchloß die Verſammlung, dem neapoli-<lb/>
taniſchen Grundgeſetze die Anerkennung zu verſagen und ein öſterreichi-<lb/>ſches Heer einrücken zu laſſen um die Gewalt des Königs in Güte oder<lb/>
durch die Waffen herzuſtellen. Ferdinand erwiderte, da er nur noch die<lb/>
Wahl habe zwiſchen dem Kriege und der Verleugnung der Revolution,<lb/>ſo ziehe er Letzteres vor, und befahl ſeinem Kronprinzen brieflich, ſich den<lb/>
Befehlen des Congreſſes zu unterwerfen. Nunmehr ward auch der un-<lb/>
glückliche Herzog von San Gallo, der unterdeſſen in dem nahen Görz hatte<lb/>
bleiben müſſen, herbeigerufen um den Urtheilsſpruch Europas zu ver-<lb/>
nehmen. (30. Jan.) Vor dem verſammelten Congreſſe verkündigte ihm<lb/>
Metternich die Beſchlüſſe der Mächte und fügte drohend hinzu: ſollten<lb/>
die Neapolitaner auf die väterliche Stimme ihres Königs nicht hören,<lb/>
dann würden die Menſchen, welche aus Fanatismus oder aus noch ruch-<lb/>
loſeren Beweggründen die Augen des treuen Volkes verblendet hätten, die<lb/>
alleinige Verantwortung tragen und ſelber die erſten Opfer des über ihr<lb/>
Vaterland hereinbrechenden Unheils werden.<noteplace="foot"n="**)"><hirendition="#aq">Allocution du Prince de Metternich,</hi> 30. Jan. 1821.</note> Währenddem ſteckte Fürſt<lb/>
Ruffo nebenan in Metternich’s Cabinet und beobachtete durch ein Loch,<lb/>
das ihm ſeine Gönner in die Thür gebohrt hatten, die Demüthigung<lb/>ſeines conſtitutionellen Landsmanns. Der aber bewahrte die dreiſte Gei-<lb/>ſtesgegenwart des ſüdländiſchen Buffo; er lächelte verbindlich zu Metter-<lb/>
nich’s ſchnöden Vorwürfen, als ob er ſich geſchmeichelt fühlte, und ver-<lb/>ſprach dann ſehr artig, den erhaltenen Auftrag daheim auszurichten.<lb/>
Keiner der Anweſenden ſchien zu empfinden, wie frevelhaft hier die Sache<lb/>
der Legitimität durch ihre eigenen Anhänger geſchändet wurde.</p><lb/><p>Auch die Preußen nahmen an dem unwürdigen Spiele keinen An-<lb/>ſtoß, ſondern ließen den öſterreichiſchen Freund in Allem gewähren und<lb/>
widerſprachen ihm erſt, als er die Bürgſchaft der großen Allianz für ein<lb/>
k. k. Kriegsanlehen verlangte. Auf eine ſolche Zuſage, welche leicht zur Ver-<lb/>
mehrung der ſoeben geſchloſſenen Staatsſchuld führen konnte, wollte ſich<lb/>
Hardenberg nicht einlaſſen, und der König ſprach ihm dafür ſeine be-<lb/>ſondere Anerkennung aus.<noteplace="foot"n="***)">Hardenberg’s und Bernſtorff’s Bericht, 6. Februar; Albrecht an Hardenberg,<lb/>
17. Febr. 1821.</note> Bei den letzten Berathungen hatten auch<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[178/0194]
III. 3. Troppau und Laibach.
beſchworen, und zudem ſo unfähig, daß er kaum eine Depeſche zu Ende
leſen konnte. Seinen Begleiter, den Miniſter Herzog von San Gallo ließen
ſie nicht vor, weil ſie die revolutionäre Regierung nicht anerkannten. Statt
des Zurückgewieſenen berief der König den Fürſten Ruffo zu ſich, einen
fanatiſchen Reaktionär, der ſich zu allen Geſchäften ebenſo unbrauchbar
zeigte, wie ſein Herr. Beide verlangten, da der Ausgang noch nicht
ganz ſicher war, daß der Congreß für ſie und ohne ſie handle. *)
Nach langen Berathungen beſchloß die Verſammlung, dem neapoli-
taniſchen Grundgeſetze die Anerkennung zu verſagen und ein öſterreichi-
ſches Heer einrücken zu laſſen um die Gewalt des Königs in Güte oder
durch die Waffen herzuſtellen. Ferdinand erwiderte, da er nur noch die
Wahl habe zwiſchen dem Kriege und der Verleugnung der Revolution,
ſo ziehe er Letzteres vor, und befahl ſeinem Kronprinzen brieflich, ſich den
Befehlen des Congreſſes zu unterwerfen. Nunmehr ward auch der un-
glückliche Herzog von San Gallo, der unterdeſſen in dem nahen Görz hatte
bleiben müſſen, herbeigerufen um den Urtheilsſpruch Europas zu ver-
nehmen. (30. Jan.) Vor dem verſammelten Congreſſe verkündigte ihm
Metternich die Beſchlüſſe der Mächte und fügte drohend hinzu: ſollten
die Neapolitaner auf die väterliche Stimme ihres Königs nicht hören,
dann würden die Menſchen, welche aus Fanatismus oder aus noch ruch-
loſeren Beweggründen die Augen des treuen Volkes verblendet hätten, die
alleinige Verantwortung tragen und ſelber die erſten Opfer des über ihr
Vaterland hereinbrechenden Unheils werden. **) Währenddem ſteckte Fürſt
Ruffo nebenan in Metternich’s Cabinet und beobachtete durch ein Loch,
das ihm ſeine Gönner in die Thür gebohrt hatten, die Demüthigung
ſeines conſtitutionellen Landsmanns. Der aber bewahrte die dreiſte Gei-
ſtesgegenwart des ſüdländiſchen Buffo; er lächelte verbindlich zu Metter-
nich’s ſchnöden Vorwürfen, als ob er ſich geſchmeichelt fühlte, und ver-
ſprach dann ſehr artig, den erhaltenen Auftrag daheim auszurichten.
Keiner der Anweſenden ſchien zu empfinden, wie frevelhaft hier die Sache
der Legitimität durch ihre eigenen Anhänger geſchändet wurde.
Auch die Preußen nahmen an dem unwürdigen Spiele keinen An-
ſtoß, ſondern ließen den öſterreichiſchen Freund in Allem gewähren und
widerſprachen ihm erſt, als er die Bürgſchaft der großen Allianz für ein
k. k. Kriegsanlehen verlangte. Auf eine ſolche Zuſage, welche leicht zur Ver-
mehrung der ſoeben geſchloſſenen Staatsſchuld führen konnte, wollte ſich
Hardenberg nicht einlaſſen, und der König ſprach ihm dafür ſeine be-
ſondere Anerkennung aus. ***) Bei den letzten Berathungen hatten auch
*) Rundſchreiben an die preußiſchen Geſandtſchaften, 12. Febr.; Bernſtorff an An-
cillon, 30. Januar 1821.
**) Allocution du Prince de Metternich, 30. Jan. 1821.
***) Hardenberg’s und Bernſtorff’s Bericht, 6. Februar; Albrecht an Hardenberg,
17. Febr. 1821.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/194>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.