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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885.

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III. 3. Troppau und Laibach.
keine Einmischung in fremde Angelegenheiten, möge Jeder Herr in seinem
Hause bleiben; und sein Wangenheim verkündete in Frankfurt triumphirend,
nunmehr beginne der Entscheidungskampf zwischen dem Absolutismus und
der constitutionellen Freiheit. Indeß die deutschen Mächte wußten längst,
was von diesen württembergischen Nadelstichen zu halten war, und zum
Ueberfluß betheuerte Wintzingerode dem preußischen Gesandten, sein König
habe zwar als constitutioneller Fürst nicht anders reden können, bewahre
aber den Ostmächten seine alte Verehrung.*) Selbst der Widerspruch
Englands, der anfangs lebhafte Bestürzung hervorrief und den Grafen
Bernstorff zu freundschaftlichen Warnungen in London veranlaßte, erschien
bei ruhiger Prüfung doch recht harmlos. Denn die Tory-Regierung fügte
ihren geharnischten Protesten stets die Versicherung hinzu, daß sie sich
weder von der großen Allianz trennen, noch den Wiener Hof in seinem
Kampfe gegen Neapel irgend hindern wolle. Castlereagh's starke Worte
galten, wie er dem preußischen Gesandten gestand, mehr der Beschwich-
tigung des Parlamentes, als der Sache selbst. Seine Thaten zeigten,
wie fern ihm der Gedanke lag, seine Wiener Freunde zu kränken. Er
ließ, allerdings in vorsichtiger Form, den König von Neapel auffordern,
der Einladung der Ostmächte zu folgen, und stellte ihm für die Reise
ein englisches Schiff zur Verfügung; derselbe Capitän Maitland, der einst
den gefangenen Napoleon an Bord geführt, geleitete jetzt den Bourbonen
nordwärts.**)

Wenn England so wenig Widerstandskraft zeigte, wie viel schüchterner
mußte der Tuilerienhof reden, der den Plänen der Ostmächte von Haus
aus näher stand. Zu den beiden französischen Bevollmächtigten war mitt-
lerweile Graf Blacas hinzugekommen, ein strenger Ultra, ganz erfüllt von
der Würde seines Allerchristlichsten Königs. Er konnte es nicht schweigend
mit anhören, daß Metternich in einer veröffentlichten Erklärung der Welt
erzählte, Frankreich habe den Troppauer Beschlüssen mit einigen Vorbe-
halten zugestimmt, und übergab mit seinen Genossen am 20. Febr. eine
Note, welche sich nachdrücklich gegen das System der europäischen Inter-
vention aussprach; aber auf die scharfe Verwahrung folgte die bescheidene
Versicherung, Frankreich sei mit der Vorladung König Ferdinand's ein-
verstanden und werde nur, falls es zum Schlagen komme, den Krieg zu
mildern suchen.***) Auch diese den englischen Protesten nachgebildete Er-
klärung erfüllte die Ostmächte mit Unmuth; Ancillon nannte sie in hei-
liger Entrüstung die schlechte Nachahmung eines schlechten Originals. Be-
drohlich konnte die Sonderstellung der beiden constitutionellen Höfe doch

*) Cockburn an Wintzingerode, 29. Jan.; Wintzingerode's Antwort, 31. Jan.;
Küster's Bericht, Stuttgart 26. Febr. 1821.
**) Bernstorff, Weisung an Maltzahn in London, 11. Febr. 1821. Maltzahn's
Berichte, 19. Dec. 1820, 27. Febr., 6. März 1821.
***) Verbalnote der französischen Bevollmächtigten, 20. Febr. 1821.

III. 3. Troppau und Laibach.
keine Einmiſchung in fremde Angelegenheiten, möge Jeder Herr in ſeinem
Hauſe bleiben; und ſein Wangenheim verkündete in Frankfurt triumphirend,
nunmehr beginne der Entſcheidungskampf zwiſchen dem Abſolutismus und
der conſtitutionellen Freiheit. Indeß die deutſchen Mächte wußten längſt,
was von dieſen württembergiſchen Nadelſtichen zu halten war, und zum
Ueberfluß betheuerte Wintzingerode dem preußiſchen Geſandten, ſein König
habe zwar als conſtitutioneller Fürſt nicht anders reden können, bewahre
aber den Oſtmächten ſeine alte Verehrung.*) Selbſt der Widerſpruch
Englands, der anfangs lebhafte Beſtürzung hervorrief und den Grafen
Bernſtorff zu freundſchaftlichen Warnungen in London veranlaßte, erſchien
bei ruhiger Prüfung doch recht harmlos. Denn die Tory-Regierung fügte
ihren geharniſchten Proteſten ſtets die Verſicherung hinzu, daß ſie ſich
weder von der großen Allianz trennen, noch den Wiener Hof in ſeinem
Kampfe gegen Neapel irgend hindern wolle. Caſtlereagh’s ſtarke Worte
galten, wie er dem preußiſchen Geſandten geſtand, mehr der Beſchwich-
tigung des Parlamentes, als der Sache ſelbſt. Seine Thaten zeigten,
wie fern ihm der Gedanke lag, ſeine Wiener Freunde zu kränken. Er
ließ, allerdings in vorſichtiger Form, den König von Neapel auffordern,
der Einladung der Oſtmächte zu folgen, und ſtellte ihm für die Reiſe
ein engliſches Schiff zur Verfügung; derſelbe Capitän Maitland, der einſt
den gefangenen Napoleon an Bord geführt, geleitete jetzt den Bourbonen
nordwärts.**)

Wenn England ſo wenig Widerſtandskraft zeigte, wie viel ſchüchterner
mußte der Tuilerienhof reden, der den Plänen der Oſtmächte von Haus
aus näher ſtand. Zu den beiden franzöſiſchen Bevollmächtigten war mitt-
lerweile Graf Blacas hinzugekommen, ein ſtrenger Ultra, ganz erfüllt von
der Würde ſeines Allerchriſtlichſten Königs. Er konnte es nicht ſchweigend
mit anhören, daß Metternich in einer veröffentlichten Erklärung der Welt
erzählte, Frankreich habe den Troppauer Beſchlüſſen mit einigen Vorbe-
halten zugeſtimmt, und übergab mit ſeinen Genoſſen am 20. Febr. eine
Note, welche ſich nachdrücklich gegen das Syſtem der europäiſchen Inter-
vention ausſprach; aber auf die ſcharfe Verwahrung folgte die beſcheidene
Verſicherung, Frankreich ſei mit der Vorladung König Ferdinand’s ein-
verſtanden und werde nur, falls es zum Schlagen komme, den Krieg zu
mildern ſuchen.***) Auch dieſe den engliſchen Proteſten nachgebildete Er-
klärung erfüllte die Oſtmächte mit Unmuth; Ancillon nannte ſie in hei-
liger Entrüſtung die ſchlechte Nachahmung eines ſchlechten Originals. Be-
drohlich konnte die Sonderſtellung der beiden conſtitutionellen Höfe doch

*) Cockburn an Wintzingerode, 29. Jan.; Wintzingerode’s Antwort, 31. Jan.;
Küſter’s Bericht, Stuttgart 26. Febr. 1821.
**) Bernſtorff, Weiſung an Maltzahn in London, 11. Febr. 1821. Maltzahn’s
Berichte, 19. Dec. 1820, 27. Febr., 6. März 1821.
***) Verbalnote der franzöſiſchen Bevollmächtigten, 20. Febr. 1821.
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[176/0192] III. 3. Troppau und Laibach. keine Einmiſchung in fremde Angelegenheiten, möge Jeder Herr in ſeinem Hauſe bleiben; und ſein Wangenheim verkündete in Frankfurt triumphirend, nunmehr beginne der Entſcheidungskampf zwiſchen dem Abſolutismus und der conſtitutionellen Freiheit. Indeß die deutſchen Mächte wußten längſt, was von dieſen württembergiſchen Nadelſtichen zu halten war, und zum Ueberfluß betheuerte Wintzingerode dem preußiſchen Geſandten, ſein König habe zwar als conſtitutioneller Fürſt nicht anders reden können, bewahre aber den Oſtmächten ſeine alte Verehrung. *) Selbſt der Widerſpruch Englands, der anfangs lebhafte Beſtürzung hervorrief und den Grafen Bernſtorff zu freundſchaftlichen Warnungen in London veranlaßte, erſchien bei ruhiger Prüfung doch recht harmlos. Denn die Tory-Regierung fügte ihren geharniſchten Proteſten ſtets die Verſicherung hinzu, daß ſie ſich weder von der großen Allianz trennen, noch den Wiener Hof in ſeinem Kampfe gegen Neapel irgend hindern wolle. Caſtlereagh’s ſtarke Worte galten, wie er dem preußiſchen Geſandten geſtand, mehr der Beſchwich- tigung des Parlamentes, als der Sache ſelbſt. Seine Thaten zeigten, wie fern ihm der Gedanke lag, ſeine Wiener Freunde zu kränken. Er ließ, allerdings in vorſichtiger Form, den König von Neapel auffordern, der Einladung der Oſtmächte zu folgen, und ſtellte ihm für die Reiſe ein engliſches Schiff zur Verfügung; derſelbe Capitän Maitland, der einſt den gefangenen Napoleon an Bord geführt, geleitete jetzt den Bourbonen nordwärts. **) Wenn England ſo wenig Widerſtandskraft zeigte, wie viel ſchüchterner mußte der Tuilerienhof reden, der den Plänen der Oſtmächte von Haus aus näher ſtand. Zu den beiden franzöſiſchen Bevollmächtigten war mitt- lerweile Graf Blacas hinzugekommen, ein ſtrenger Ultra, ganz erfüllt von der Würde ſeines Allerchriſtlichſten Königs. Er konnte es nicht ſchweigend mit anhören, daß Metternich in einer veröffentlichten Erklärung der Welt erzählte, Frankreich habe den Troppauer Beſchlüſſen mit einigen Vorbe- halten zugeſtimmt, und übergab mit ſeinen Genoſſen am 20. Febr. eine Note, welche ſich nachdrücklich gegen das Syſtem der europäiſchen Inter- vention ausſprach; aber auf die ſcharfe Verwahrung folgte die beſcheidene Verſicherung, Frankreich ſei mit der Vorladung König Ferdinand’s ein- verſtanden und werde nur, falls es zum Schlagen komme, den Krieg zu mildern ſuchen. ***) Auch dieſe den engliſchen Proteſten nachgebildete Er- klärung erfüllte die Oſtmächte mit Unmuth; Ancillon nannte ſie in hei- liger Entrüſtung die ſchlechte Nachahmung eines ſchlechten Originals. Be- drohlich konnte die Sonderſtellung der beiden conſtitutionellen Höfe doch *) Cockburn an Wintzingerode, 29. Jan.; Wintzingerode’s Antwort, 31. Jan.; Küſter’s Bericht, Stuttgart 26. Febr. 1821. **) Bernſtorff, Weiſung an Maltzahn in London, 11. Febr. 1821. Maltzahn’s Berichte, 19. Dec. 1820, 27. Febr., 6. März 1821. ***) Verbalnote der franzöſiſchen Bevollmächtigten, 20. Febr. 1821.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/192>, abgerufen am 23.11.2024.