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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885.

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III. 3. Troppau und Laibach.

Weder in Berlin noch in Wien wurde irgend bezweifelt, daß der
in Aachen erneuerte Bund wider die französischen Revolutionsparteien
mittelbar auch gegen andere Länder gelte und die großen Mächte mithin
berechtigt seien, wie vor fünf Jahren in Frankreich, so jetzt in Spanien
das Haus Bourbon zu beschützen. Aber war es rathsam, war es auch
nur möglich, dies vermeinte Recht sogleich zu gebrauchen? Von allen
Höfen wagte allein der Petersburger diese Frage rundweg zu bejahen.
Da Czar Alexander das Madrider Cabinet, freilich mit geringem Erfolg,
beharrlich bevormundet und die Versammlung der Truppen um Cadiz
selber mit veranlaßt hatte, so empfand er den Aufruhr des spanischen
Heeres wie einen Schlag in's eigene Angesicht. Schon am 3. März,
noch bevor der Sieg der Revolution entschieden war, bat er die Mächte,
daß ihre Gesandten zu Paris wegen der spanischen Angelegenheiten in
Berathung treten möchten, und nachdem er sie sodann noch mehrmals
vertraulich zu gemeinsamen Schritten ermahnt hatte, rückte er endlich
am 2. Mai mit dem Vorschlage heraus: die verbündeten Höfe sollten von
den spanischen Cortes die förmliche Verleugnung der Revolution und die
Einführung einer gemäßigten Verfassung fordern.

Auf einen solchen Antrag, der den reizbaren Nationalstolz der
Spanier schwer verletzen mußte, konnten die deutschen Großmächte sich
nicht einlassen. Selbst Napoleon hatte in Spanien die Grenzen seiner
Macht gefunden; jetzt vollends schien ein Krieg wider die Halbinsel ganz
aussichtslos, da König Ludwig XVIII. inmitten der Wirren seiner hei-
mischen Parteikämpfe weder selber eine bewaffnete Einmischung wagen
noch etwa deutschen oder russischen Truppen den Durchmarsch gewähren
konnte. Und hätte auch das Tuileriencabinet sich zu einem so tollkühnen
Entschlusse aufgerafft, so durfte ihn doch die englische Handelspolitik,
nach ihren alten Traditionen, nimmermehr erlauben; die Tory-Regierung
war im Parlamente unrettbar verloren, sobald sie einem russisch-franzö-
sischen Kreuzzuge gegen Englands alten Bundesgenossen zustimmte. Lord
Castlereagh fühlte dies sofort und trat den Einmischungsgelüsten des
Czaren von Haus aus schroff entgegen. Die wahren Grundsätze der
großen Allianz -- so erklärte er seinem Monarchen am 30. April --
dürfe man nicht dergestalt verallgemeinern, daß sie zu einer Verlegenheit
für eine constitutionelle Regierung würden. Zugleich erinnerte Welling-
ton die Verbündeten an seine eigenen spanischen Erfahrungen und warnte
sie vor dem Fremdenhasse dieses unnahbaren Volks. Der alte Söldner-
führer konnte sich's dabei nicht versagen, seinen stillen Groll gegen das
preußische Volksheer wieder einmal durch einen Vergleich, der wie die
Faust auf das Auge paßte, zu bekunden; er nannte in einem Briefe an
Richelieu die Meuterei der spanischen Truppen ein schreckliches Beispiel
für die deutschen Staaten, welche ähnlich gebildete Heere besäßen!

Angesichts dieser Haltung der Westmächte mußten auch die beiden

III. 3. Troppau und Laibach.

Weder in Berlin noch in Wien wurde irgend bezweifelt, daß der
in Aachen erneuerte Bund wider die franzöſiſchen Revolutionsparteien
mittelbar auch gegen andere Länder gelte und die großen Mächte mithin
berechtigt ſeien, wie vor fünf Jahren in Frankreich, ſo jetzt in Spanien
das Haus Bourbon zu beſchützen. Aber war es rathſam, war es auch
nur möglich, dies vermeinte Recht ſogleich zu gebrauchen? Von allen
Höfen wagte allein der Petersburger dieſe Frage rundweg zu bejahen.
Da Czar Alexander das Madrider Cabinet, freilich mit geringem Erfolg,
beharrlich bevormundet und die Verſammlung der Truppen um Cadiz
ſelber mit veranlaßt hatte, ſo empfand er den Aufruhr des ſpaniſchen
Heeres wie einen Schlag in’s eigene Angeſicht. Schon am 3. März,
noch bevor der Sieg der Revolution entſchieden war, bat er die Mächte,
daß ihre Geſandten zu Paris wegen der ſpaniſchen Angelegenheiten in
Berathung treten möchten, und nachdem er ſie ſodann noch mehrmals
vertraulich zu gemeinſamen Schritten ermahnt hatte, rückte er endlich
am 2. Mai mit dem Vorſchlage heraus: die verbündeten Höfe ſollten von
den ſpaniſchen Cortes die förmliche Verleugnung der Revolution und die
Einführung einer gemäßigten Verfaſſung fordern.

Auf einen ſolchen Antrag, der den reizbaren Nationalſtolz der
Spanier ſchwer verletzen mußte, konnten die deutſchen Großmächte ſich
nicht einlaſſen. Selbſt Napoleon hatte in Spanien die Grenzen ſeiner
Macht gefunden; jetzt vollends ſchien ein Krieg wider die Halbinſel ganz
ausſichtslos, da König Ludwig XVIII. inmitten der Wirren ſeiner hei-
miſchen Parteikämpfe weder ſelber eine bewaffnete Einmiſchung wagen
noch etwa deutſchen oder ruſſiſchen Truppen den Durchmarſch gewähren
konnte. Und hätte auch das Tuileriencabinet ſich zu einem ſo tollkühnen
Entſchluſſe aufgerafft, ſo durfte ihn doch die engliſche Handelspolitik,
nach ihren alten Traditionen, nimmermehr erlauben; die Tory-Regierung
war im Parlamente unrettbar verloren, ſobald ſie einem ruſſiſch-franzö-
ſiſchen Kreuzzuge gegen Englands alten Bundesgenoſſen zuſtimmte. Lord
Caſtlereagh fühlte dies ſofort und trat den Einmiſchungsgelüſten des
Czaren von Haus aus ſchroff entgegen. Die wahren Grundſätze der
großen Allianz — ſo erklärte er ſeinem Monarchen am 30. April —
dürfe man nicht dergeſtalt verallgemeinern, daß ſie zu einer Verlegenheit
für eine conſtitutionelle Regierung würden. Zugleich erinnerte Welling-
ton die Verbündeten an ſeine eigenen ſpaniſchen Erfahrungen und warnte
ſie vor dem Fremdenhaſſe dieſes unnahbaren Volks. Der alte Söldner-
führer konnte ſich’s dabei nicht verſagen, ſeinen ſtillen Groll gegen das
preußiſche Volksheer wieder einmal durch einen Vergleich, der wie die
Fauſt auf das Auge paßte, zu bekunden; er nannte in einem Briefe an
Richelieu die Meuterei der ſpaniſchen Truppen ein ſchreckliches Beiſpiel
für die deutſchen Staaten, welche ähnlich gebildete Heere beſäßen!

Angeſichts dieſer Haltung der Weſtmächte mußten auch die beiden

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[152/0168] III. 3. Troppau und Laibach. Weder in Berlin noch in Wien wurde irgend bezweifelt, daß der in Aachen erneuerte Bund wider die franzöſiſchen Revolutionsparteien mittelbar auch gegen andere Länder gelte und die großen Mächte mithin berechtigt ſeien, wie vor fünf Jahren in Frankreich, ſo jetzt in Spanien das Haus Bourbon zu beſchützen. Aber war es rathſam, war es auch nur möglich, dies vermeinte Recht ſogleich zu gebrauchen? Von allen Höfen wagte allein der Petersburger dieſe Frage rundweg zu bejahen. Da Czar Alexander das Madrider Cabinet, freilich mit geringem Erfolg, beharrlich bevormundet und die Verſammlung der Truppen um Cadiz ſelber mit veranlaßt hatte, ſo empfand er den Aufruhr des ſpaniſchen Heeres wie einen Schlag in’s eigene Angeſicht. Schon am 3. März, noch bevor der Sieg der Revolution entſchieden war, bat er die Mächte, daß ihre Geſandten zu Paris wegen der ſpaniſchen Angelegenheiten in Berathung treten möchten, und nachdem er ſie ſodann noch mehrmals vertraulich zu gemeinſamen Schritten ermahnt hatte, rückte er endlich am 2. Mai mit dem Vorſchlage heraus: die verbündeten Höfe ſollten von den ſpaniſchen Cortes die förmliche Verleugnung der Revolution und die Einführung einer gemäßigten Verfaſſung fordern. Auf einen ſolchen Antrag, der den reizbaren Nationalſtolz der Spanier ſchwer verletzen mußte, konnten die deutſchen Großmächte ſich nicht einlaſſen. Selbſt Napoleon hatte in Spanien die Grenzen ſeiner Macht gefunden; jetzt vollends ſchien ein Krieg wider die Halbinſel ganz ausſichtslos, da König Ludwig XVIII. inmitten der Wirren ſeiner hei- miſchen Parteikämpfe weder ſelber eine bewaffnete Einmiſchung wagen noch etwa deutſchen oder ruſſiſchen Truppen den Durchmarſch gewähren konnte. Und hätte auch das Tuileriencabinet ſich zu einem ſo tollkühnen Entſchluſſe aufgerafft, ſo durfte ihn doch die engliſche Handelspolitik, nach ihren alten Traditionen, nimmermehr erlauben; die Tory-Regierung war im Parlamente unrettbar verloren, ſobald ſie einem ruſſiſch-franzö- ſiſchen Kreuzzuge gegen Englands alten Bundesgenoſſen zuſtimmte. Lord Caſtlereagh fühlte dies ſofort und trat den Einmiſchungsgelüſten des Czaren von Haus aus ſchroff entgegen. Die wahren Grundſätze der großen Allianz — ſo erklärte er ſeinem Monarchen am 30. April — dürfe man nicht dergeſtalt verallgemeinern, daß ſie zu einer Verlegenheit für eine conſtitutionelle Regierung würden. Zugleich erinnerte Welling- ton die Verbündeten an ſeine eigenen ſpaniſchen Erfahrungen und warnte ſie vor dem Fremdenhaſſe dieſes unnahbaren Volks. Der alte Söldner- führer konnte ſich’s dabei nicht verſagen, ſeinen ſtillen Groll gegen das preußiſche Volksheer wieder einmal durch einen Vergleich, der wie die Fauſt auf das Auge paßte, zu bekunden; er nannte in einem Briefe an Richelieu die Meuterei der ſpaniſchen Truppen ein ſchreckliches Beiſpiel für die deutſchen Staaten, welche ähnlich gebildete Heere beſäßen! Angeſichts dieſer Haltung der Weſtmächte mußten auch die beiden

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/168>, abgerufen am 26.11.2024.