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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885.

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III. 3. Troppan und Laibach.
schaft nach straffer Organisation verlangende Gesinnung der romanischen
Völker und das schlimme Beispiel der Jesuiten beförderten das Wachs-
thum der revolutionären Geheimbünde, die auf dem Sumpfboden des
Despotismus immer ihre natürliche Nahrung finden. Ein Netz von ge-
heimen politischen Vereinen überspannte die Mittelmeerlande, und manche
von ihnen standen mit den Maurern in Verbindung oder benutzten doch
maurerische Zeichen. Daß die spanischen Logen bei der Schilderhebung des
Heeres die Hände mit im Spiele gehabt, stand außer Zweifel. Wie ein
Blitzstrahl traf diese Nachricht den Wiener Hof: jetzt war sie entlarvt,
die im Finsteren schleichende weltumspannende Verschwörung, vor deren
Umtrieben Fürst Metternich die blinden Regierungen so oft gewarnt hatte.
Kaiser Franz beeilte sich, das Verbot des Freimaurer-Ordens, das in
seinen übrigen Kronländern längst bestand, auch dem lombardisch-vene-
tianischen Königreiche drohend einzuschärfen. Wie frohlockte Haller, da
er nun endlich beweisen konnte, woher die revolutionäre Sophistenzunft
ihre räthselhafte Macht schöpfe; bis an sein Lebensende wurde er nicht
müde, in leidenschaftlichen Schriften immer wieder zu versichern, daß die
Wühlerei der Freimaurer alle die ungeheueren Erschütterungen der letzten
Jahrzehnte verschuldet habe: war doch einst Philipp Egalite von Orleans
der Großmeister des Ordens in Frankreich gewesen, und viele Girondisten
hatten ihm angehört! So armselige Märchen konnten den König von
Preußen, der selber wie einst Friedrich der Große in die Loge eingetreten
war, freilich nicht überzeugen; gleichwohl blieb an allen Höfen der Eindruck,
daß dort im Süden eine geheimnißvolle, dämonische Macht des Verderbens
sich rege.

Die Besorgniß wuchs, als in Portugal ein anderer Riego, General
Sepulveda auftrat. Auch hier meuterte das Heer, auch hier wurde, trotz
der alten Feindschaft wider das Nachbarland, der heilige Codex der Spa-
nier mit einigen radikalen Verschönerungen als Grundgesetz ausgerufen
und die Bewegung zeigte hier eine unwiderstehliche, naturwüchsige Kraft,
weil sie einen berechtigten nationalen Zweck verfolgte. Die Fremdherrschaft
der Engländer, die bisher das politische Leben des unglücklichen Volkes
unterbunden, seine wirthschaftlichen Kräfte schonungslos ausgebeutet hatte,
brach zusammen, ihr brutaler Vertreter Lord Beresford ward des Landes
verwiesen. --

Mittlerweile war die Revolution schon in das Machtgebiet des Wiener
Hofes selber erobernd eingezogen. Wie selbstgefällig hatte Metternich noch
im vorigen Jahre die Huldigungen der italienischen Höfe entgegengenommen.
Wie zuversichtlich baute er damals auf die Thatenscheu dieser furcht-
samen Nation, wie prahlerisch schrieb er an Consalvi: die Pforten der
Hölle werden nichts vermögen wider die Eintracht des Papstes und des
Kaisers! Soeben noch war über dem Thore des Palastes Albergotti zu
Arezzo die unterthänige Inschrift angebracht worden, welche der Welt

III. 3. Troppan und Laibach.
ſchaft nach ſtraffer Organiſation verlangende Geſinnung der romaniſchen
Völker und das ſchlimme Beiſpiel der Jeſuiten beförderten das Wachs-
thum der revolutionären Geheimbünde, die auf dem Sumpfboden des
Despotismus immer ihre natürliche Nahrung finden. Ein Netz von ge-
heimen politiſchen Vereinen überſpannte die Mittelmeerlande, und manche
von ihnen ſtanden mit den Maurern in Verbindung oder benutzten doch
maureriſche Zeichen. Daß die ſpaniſchen Logen bei der Schilderhebung des
Heeres die Hände mit im Spiele gehabt, ſtand außer Zweifel. Wie ein
Blitzſtrahl traf dieſe Nachricht den Wiener Hof: jetzt war ſie entlarvt,
die im Finſteren ſchleichende weltumſpannende Verſchwörung, vor deren
Umtrieben Fürſt Metternich die blinden Regierungen ſo oft gewarnt hatte.
Kaiſer Franz beeilte ſich, das Verbot des Freimaurer-Ordens, das in
ſeinen übrigen Kronländern längſt beſtand, auch dem lombardiſch-vene-
tianiſchen Königreiche drohend einzuſchärfen. Wie frohlockte Haller, da
er nun endlich beweiſen konnte, woher die revolutionäre Sophiſtenzunft
ihre räthſelhafte Macht ſchöpfe; bis an ſein Lebensende wurde er nicht
müde, in leidenſchaftlichen Schriften immer wieder zu verſichern, daß die
Wühlerei der Freimaurer alle die ungeheueren Erſchütterungen der letzten
Jahrzehnte verſchuldet habe: war doch einſt Philipp Egalité von Orleans
der Großmeiſter des Ordens in Frankreich geweſen, und viele Girondiſten
hatten ihm angehört! So armſelige Märchen konnten den König von
Preußen, der ſelber wie einſt Friedrich der Große in die Loge eingetreten
war, freilich nicht überzeugen; gleichwohl blieb an allen Höfen der Eindruck,
daß dort im Süden eine geheimnißvolle, dämoniſche Macht des Verderbens
ſich rege.

Die Beſorgniß wuchs, als in Portugal ein anderer Riego, General
Sepulveda auftrat. Auch hier meuterte das Heer, auch hier wurde, trotz
der alten Feindſchaft wider das Nachbarland, der heilige Codex der Spa-
nier mit einigen radikalen Verſchönerungen als Grundgeſetz ausgerufen
und die Bewegung zeigte hier eine unwiderſtehliche, naturwüchſige Kraft,
weil ſie einen berechtigten nationalen Zweck verfolgte. Die Fremdherrſchaft
der Engländer, die bisher das politiſche Leben des unglücklichen Volkes
unterbunden, ſeine wirthſchaftlichen Kräfte ſchonungslos ausgebeutet hatte,
brach zuſammen, ihr brutaler Vertreter Lord Beresford ward des Landes
verwieſen. —

Mittlerweile war die Revolution ſchon in das Machtgebiet des Wiener
Hofes ſelber erobernd eingezogen. Wie ſelbſtgefällig hatte Metternich noch
im vorigen Jahre die Huldigungen der italieniſchen Höfe entgegengenommen.
Wie zuverſichtlich baute er damals auf die Thatenſcheu dieſer furcht-
ſamen Nation, wie prahleriſch ſchrieb er an Conſalvi: die Pforten der
Hölle werden nichts vermögen wider die Eintracht des Papſtes und des
Kaiſers! Soeben noch war über dem Thore des Palaſtes Albergotti zu
Arezzo die unterthänige Inſchrift angebracht worden, welche der Welt

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[138/0154] III. 3. Troppan und Laibach. ſchaft nach ſtraffer Organiſation verlangende Geſinnung der romaniſchen Völker und das ſchlimme Beiſpiel der Jeſuiten beförderten das Wachs- thum der revolutionären Geheimbünde, die auf dem Sumpfboden des Despotismus immer ihre natürliche Nahrung finden. Ein Netz von ge- heimen politiſchen Vereinen überſpannte die Mittelmeerlande, und manche von ihnen ſtanden mit den Maurern in Verbindung oder benutzten doch maureriſche Zeichen. Daß die ſpaniſchen Logen bei der Schilderhebung des Heeres die Hände mit im Spiele gehabt, ſtand außer Zweifel. Wie ein Blitzſtrahl traf dieſe Nachricht den Wiener Hof: jetzt war ſie entlarvt, die im Finſteren ſchleichende weltumſpannende Verſchwörung, vor deren Umtrieben Fürſt Metternich die blinden Regierungen ſo oft gewarnt hatte. Kaiſer Franz beeilte ſich, das Verbot des Freimaurer-Ordens, das in ſeinen übrigen Kronländern längſt beſtand, auch dem lombardiſch-vene- tianiſchen Königreiche drohend einzuſchärfen. Wie frohlockte Haller, da er nun endlich beweiſen konnte, woher die revolutionäre Sophiſtenzunft ihre räthſelhafte Macht ſchöpfe; bis an ſein Lebensende wurde er nicht müde, in leidenſchaftlichen Schriften immer wieder zu verſichern, daß die Wühlerei der Freimaurer alle die ungeheueren Erſchütterungen der letzten Jahrzehnte verſchuldet habe: war doch einſt Philipp Egalité von Orleans der Großmeiſter des Ordens in Frankreich geweſen, und viele Girondiſten hatten ihm angehört! So armſelige Märchen konnten den König von Preußen, der ſelber wie einſt Friedrich der Große in die Loge eingetreten war, freilich nicht überzeugen; gleichwohl blieb an allen Höfen der Eindruck, daß dort im Süden eine geheimnißvolle, dämoniſche Macht des Verderbens ſich rege. Die Beſorgniß wuchs, als in Portugal ein anderer Riego, General Sepulveda auftrat. Auch hier meuterte das Heer, auch hier wurde, trotz der alten Feindſchaft wider das Nachbarland, der heilige Codex der Spa- nier mit einigen radikalen Verſchönerungen als Grundgeſetz ausgerufen und die Bewegung zeigte hier eine unwiderſtehliche, naturwüchſige Kraft, weil ſie einen berechtigten nationalen Zweck verfolgte. Die Fremdherrſchaft der Engländer, die bisher das politiſche Leben des unglücklichen Volkes unterbunden, ſeine wirthſchaftlichen Kräfte ſchonungslos ausgebeutet hatte, brach zuſammen, ihr brutaler Vertreter Lord Beresford ward des Landes verwieſen. — Mittlerweile war die Revolution ſchon in das Machtgebiet des Wiener Hofes ſelber erobernd eingezogen. Wie ſelbſtgefällig hatte Metternich noch im vorigen Jahre die Huldigungen der italieniſchen Höfe entgegengenommen. Wie zuverſichtlich baute er damals auf die Thatenſcheu dieſer furcht- ſamen Nation, wie prahleriſch ſchrieb er an Conſalvi: die Pforten der Hölle werden nichts vermögen wider die Eintracht des Papſtes und des Kaiſers! Soeben noch war über dem Thore des Palaſtes Albergotti zu Arezzo die unterthänige Inſchrift angebracht worden, welche der Welt

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/154>, abgerufen am 27.11.2024.