über Friedrich Wilhelm's unsinnige militärische Verschwendung klagte, wurde im königlichen Cabinet das knapp bemessene Budget durch neue Strei- chungen, die zur vollen Hälfte auf die Heeresausgaben fielen, nochmals um 5 Mill. herabgebracht und der Ausgabeetat gleichzeitig mit dem Schuldenetat für geschlossen erklärt.
Eine Cabinetsordre vom 17. Januar zeigte dem Staatsministerium an, daß die Ausgaben für 1820 die Summe von 50,863,150 Thlr. nicht überschreiten dürften; durch Verminderung der Beamtenschaar an den Centralstellen hoffte der König noch weitere Ersparnisse zu bewirken. Nach Abzug von reichlich 10 Mill. für die Staatsschuld betrugen mithin die Jahresausgaben für die eigentliche Staatsverwaltung 40,7 Mill., gegen 26 Mill. im Jahre 1805. Rechnete man aber zu den 51 Mill. die im Voraus abgezogenen Sporteln und Steuererhebungskosten hinzu, des- gleichen die Rente für das königliche Haus sowie die Beiträge der Pro- vinzen und Communen für Staatszwecke, so ergab sich ein Gesammt- Aufwand von fast 70 Mill., das will sagen: 5 Thlr. 25 Sgr. für den Kopf der mittlerweile auf 12 Mill. gewachsenen Bevölkerung. Der Druck war hart; denn wie tief war der Volkswohlstand in diesen fünfzehn Jahren herabgekommen! Aber wie mächtig hatte sich auch die Thätigkeit des Staates seitdem erweitert; was that er jetzt allein für die sonst so küm- merlich behandelten Unterrichtsanstalten! Mit diesen Leistungen verglichen erschien die Summe der Ausgaben sehr bescheiden und nur bei strengster Sparsamkeit genügend. Zugleich befahl der König den Etat fortan alle drei Jahre zu veröffentlichen, damit Jedermann sich selber von der Noth- wendigkeit der Abgabenlast überzeugen könne. Damit wurde, zur Freude der Verfassungspartei, wieder eine der wesentlichen Institutionen des con- stitutionellen Staatsrechts eingeführt. Endlich erhielt das Ministerium den Auftrag, auf Grund des Etats die Steuergesetz-Entwürfe binnen vier- zehn Tagen zu begutachten; dann sollte die Schlußberathung im Staats- rathe stattfinden.
Das Staatsministerium war seit Humboldt's Sturz sehr kleinlaut geworden und wagte keinen entschiedenen Widerspruch; der einzige grund- sätzliche Gegner der Steuergesetze, Bülow stand hier wie schon in der Steuercommission ganz vereinsamt. Dagegen erhob sich im Staatsrathe eine erbitterte Opposition, die ihre Angriffe nicht blos wider die anfecht- baren Stellen der Entwürfe richtete, sondern die Nothwendigkeit des ganzen Reformwerks bezweifelte. Seit nunmehr sieben Jahren wurde die Finanz- verwaltung ohne einen genauen Etat geführt. Dies in Preußen uner- hörte Schauspiel hatte manchen wackeren Beamten tief verstimmt, die unsinnigen Märchen, die im Volke umliefen, bis in die Reihen des Staats- rathes hinein verbreitet. Zudem fühlte sich die höchste berathende Behörde der Monarchie in ihrer Amtsehre beleidigt. Sie sollte, nach dem recht- lich unanfechtbaren Befehle des Königs, lediglich über die Steuergesetze
III. 2. Die letzten Reformen Hardenbergs.
über Friedrich Wilhelm’s unſinnige militäriſche Verſchwendung klagte, wurde im königlichen Cabinet das knapp bemeſſene Budget durch neue Strei- chungen, die zur vollen Hälfte auf die Heeresausgaben fielen, nochmals um 5 Mill. herabgebracht und der Ausgabeetat gleichzeitig mit dem Schuldenetat für geſchloſſen erklärt.
Eine Cabinetsordre vom 17. Januar zeigte dem Staatsminiſterium an, daß die Ausgaben für 1820 die Summe von 50,863,150 Thlr. nicht überſchreiten dürften; durch Verminderung der Beamtenſchaar an den Centralſtellen hoffte der König noch weitere Erſparniſſe zu bewirken. Nach Abzug von reichlich 10 Mill. für die Staatsſchuld betrugen mithin die Jahresausgaben für die eigentliche Staatsverwaltung 40,7 Mill., gegen 26 Mill. im Jahre 1805. Rechnete man aber zu den 51 Mill. die im Voraus abgezogenen Sporteln und Steuererhebungskoſten hinzu, des- gleichen die Rente für das königliche Haus ſowie die Beiträge der Pro- vinzen und Communen für Staatszwecke, ſo ergab ſich ein Geſammt- Aufwand von faſt 70 Mill., das will ſagen: 5 Thlr. 25 Sgr. für den Kopf der mittlerweile auf 12 Mill. gewachſenen Bevölkerung. Der Druck war hart; denn wie tief war der Volkswohlſtand in dieſen fünfzehn Jahren herabgekommen! Aber wie mächtig hatte ſich auch die Thätigkeit des Staates ſeitdem erweitert; was that er jetzt allein für die ſonſt ſo küm- merlich behandelten Unterrichtsanſtalten! Mit dieſen Leiſtungen verglichen erſchien die Summe der Ausgaben ſehr beſcheiden und nur bei ſtrengſter Sparſamkeit genügend. Zugleich befahl der König den Etat fortan alle drei Jahre zu veröffentlichen, damit Jedermann ſich ſelber von der Noth- wendigkeit der Abgabenlaſt überzeugen könne. Damit wurde, zur Freude der Verfaſſungspartei, wieder eine der weſentlichen Inſtitutionen des con- ſtitutionellen Staatsrechts eingeführt. Endlich erhielt das Miniſterium den Auftrag, auf Grund des Etats die Steuergeſetz-Entwürfe binnen vier- zehn Tagen zu begutachten; dann ſollte die Schlußberathung im Staats- rathe ſtattfinden.
Das Staatsminiſterium war ſeit Humboldt’s Sturz ſehr kleinlaut geworden und wagte keinen entſchiedenen Widerſpruch; der einzige grund- ſätzliche Gegner der Steuergeſetze, Bülow ſtand hier wie ſchon in der Steuercommiſſion ganz vereinſamt. Dagegen erhob ſich im Staatsrathe eine erbitterte Oppoſition, die ihre Angriffe nicht blos wider die anfecht- baren Stellen der Entwürfe richtete, ſondern die Nothwendigkeit des ganzen Reformwerks bezweifelte. Seit nunmehr ſieben Jahren wurde die Finanz- verwaltung ohne einen genauen Etat geführt. Dies in Preußen uner- hörte Schauſpiel hatte manchen wackeren Beamten tief verſtimmt, die unſinnigen Märchen, die im Volke umliefen, bis in die Reihen des Staats- rathes hinein verbreitet. Zudem fühlte ſich die höchſte berathende Behörde der Monarchie in ihrer Amtsehre beleidigt. Sie ſollte, nach dem recht- lich unanfechtbaren Befehle des Königs, lediglich über die Steuergeſetze
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III. 2. Die letzten Reformen Hardenbergs.
über Friedrich Wilhelm’s unſinnige militäriſche Verſchwendung klagte, wurde
im königlichen Cabinet das knapp bemeſſene Budget durch neue Strei-
chungen, die zur vollen Hälfte auf die Heeresausgaben fielen, nochmals
um 5 Mill. herabgebracht und der Ausgabeetat gleichzeitig mit dem
Schuldenetat für geſchloſſen erklärt.
Eine Cabinetsordre vom 17. Januar zeigte dem Staatsminiſterium
an, daß die Ausgaben für 1820 die Summe von 50,863,150 Thlr. nicht
überſchreiten dürften; durch Verminderung der Beamtenſchaar an den
Centralſtellen hoffte der König noch weitere Erſparniſſe zu bewirken. Nach
Abzug von reichlich 10 Mill. für die Staatsſchuld betrugen mithin die
Jahresausgaben für die eigentliche Staatsverwaltung 40,7 Mill., gegen
26 Mill. im Jahre 1805. Rechnete man aber zu den 51 Mill. die im
Voraus abgezogenen Sporteln und Steuererhebungskoſten hinzu, des-
gleichen die Rente für das königliche Haus ſowie die Beiträge der Pro-
vinzen und Communen für Staatszwecke, ſo ergab ſich ein Geſammt-
Aufwand von faſt 70 Mill., das will ſagen: 5 Thlr. 25 Sgr. für den
Kopf der mittlerweile auf 12 Mill. gewachſenen Bevölkerung. Der Druck
war hart; denn wie tief war der Volkswohlſtand in dieſen fünfzehn Jahren
herabgekommen! Aber wie mächtig hatte ſich auch die Thätigkeit des
Staates ſeitdem erweitert; was that er jetzt allein für die ſonſt ſo küm-
merlich behandelten Unterrichtsanſtalten! Mit dieſen Leiſtungen verglichen
erſchien die Summe der Ausgaben ſehr beſcheiden und nur bei ſtrengſter
Sparſamkeit genügend. Zugleich befahl der König den Etat fortan alle
drei Jahre zu veröffentlichen, damit Jedermann ſich ſelber von der Noth-
wendigkeit der Abgabenlaſt überzeugen könne. Damit wurde, zur Freude
der Verfaſſungspartei, wieder eine der weſentlichen Inſtitutionen des con-
ſtitutionellen Staatsrechts eingeführt. Endlich erhielt das Miniſterium
den Auftrag, auf Grund des Etats die Steuergeſetz-Entwürfe binnen vier-
zehn Tagen zu begutachten; dann ſollte die Schlußberathung im Staats-
rathe ſtattfinden.
Das Staatsminiſterium war ſeit Humboldt’s Sturz ſehr kleinlaut
geworden und wagte keinen entſchiedenen Widerſpruch; der einzige grund-
ſätzliche Gegner der Steuergeſetze, Bülow ſtand hier wie ſchon in der
Steuercommiſſion ganz vereinſamt. Dagegen erhob ſich im Staatsrathe
eine erbitterte Oppoſition, die ihre Angriffe nicht blos wider die anfecht-
baren Stellen der Entwürfe richtete, ſondern die Nothwendigkeit des ganzen
Reformwerks bezweifelte. Seit nunmehr ſieben Jahren wurde die Finanz-
verwaltung ohne einen genauen Etat geführt. Dies in Preußen uner-
hörte Schauſpiel hatte manchen wackeren Beamten tief verſtimmt, die
unſinnigen Märchen, die im Volke umliefen, bis in die Reihen des Staats-
rathes hinein verbreitet. Zudem fühlte ſich die höchſte berathende Behörde
der Monarchie in ihrer Amtsehre beleidigt. Sie ſollte, nach dem recht-
lich unanfechtbaren Befehle des Königs, lediglich über die Steuergeſetze
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/100>, abgerufen am 24.11.2024.
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