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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882.

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Die Central-Untersuchungscommission.
vor den Zeitungen; das heiße das coimperium der Schreier, das doch
jetzt vernichtet werden solle, von Neuem befestigen.*) Vergeblich sendete
Hardenberg dies Schreiben nach Karlsbad und gab den Conferenzen zu
erwägen, daß man ein vom Deutschen Bunde eingesetztes Tribunal doch
nicht als ein fremdes Gericht betrachten dürfe; eine blos untersuchende
Centralcommission, das sagte er voraus, werde sich als völlig nutzlos
erweisen und nur böses Blut erregen.**) Kaiser Franz ließ sich nicht
überzeugen. Am 28. August gab er seine letzte Entscheidung: "Ich
werde mich nie entschließen zu bestimmen: wer soll richten? -- bis ich
nicht genau gesehen habe: was soll gerichtet werden? Was wäre es, wenn
die gemeinschaftliche Commission nicht sehr erhebliche oder wenige Data
von Wichtigkeit fände? Was wäre es, wenn die Glieder dieser Com-
mission selbst nicht gleiche Ansichten hegten?"***) Diese Haltung des
Kaisers genügte, um die Mehrheit in Karlsbad umzustimmen.+)

Auch Metternich hatte, sehr ungern, im Sinne seines Monarchen
reden müssen und ganz so cynisch wie dieser ausgesprochen: man wisse
ja noch gar nicht, "wie viele Hochverräther sich als Resultat der Com-
mission ergeben würden"; ein feierliches Bundesgericht "mit einem kleinen
Resultate könne weit eher compromittirend als heilbringend sein". So
blieb es denn dabei, daß die Central-Commission nur die Untersuchung
gegen die Demagogen leiten sollte; doch behielt man dem Bundestage
das Recht vor, ihr nöthigenfalls auch richterliche Befugnisse beizulegen.
Auf das Dringendste bat Metternich den preußischen Minister, sich in das
Mißgeschick zu fügen und die Streitfrage nicht am Bundestage nochmals
anzuregen: "so würden wir unser Spiel verlieren;" je nach dem Er-
gebniß der Untersuchung bleibe es ja noch immer möglich, die Central-
commission zu einem Bundesgerichte zu erweitern.++) Vierzehn Tage nach
gefaßtem Bundesbeschlusse sollte die Commission in Mainz zusammen-
treten, sofort den gesammten Thatbestand der demagogischen Umtriebe
festzustellen suchen, Weisungen an die Untersuchungsbehörden der Einzel-
staaten ertheilen, die Akten von ihnen einfordern, auch nach Gutdünken
einzelne Verdächtige selber verhören und schließlich zur Aufklärung der
Nation einen umfassenden Bericht über die Ergebnisse erstatten. Um die
Ernestiner und die freien Städte fern zu halten, einigte man sich in
Karlsbad zugleich über die sieben Staaten, welche die sieben richterlichen
Mitglieder der Centralcommission ernennen sollten; man wählte Oester-
reich, Preußen, Baiern, Hannover, Baden, Nassau und dazu noch Darm-

*) Kamptz an Gärtner, 31. Aug. 1819.
**) Hardenberg an Bernstorff, 25. Aug., 1. Sept. 1819.
***) Allerhöchste Entschließung, Schönbrunn, 28. Aug. 1819.
+) Bernstorff an Hardenberg, 7. Sept. 1819.
++) Metternich an Bernstorff, 5. Sept. 1819, mit einer Denkschrift über die Central-
Untersuchungscommission.

Die Central-Unterſuchungscommiſſion.
vor den Zeitungen; das heiße das coimperium der Schreier, das doch
jetzt vernichtet werden ſolle, von Neuem befeſtigen.*) Vergeblich ſendete
Hardenberg dies Schreiben nach Karlsbad und gab den Conferenzen zu
erwägen, daß man ein vom Deutſchen Bunde eingeſetztes Tribunal doch
nicht als ein fremdes Gericht betrachten dürfe; eine blos unterſuchende
Centralcommiſſion, das ſagte er voraus, werde ſich als völlig nutzlos
erweiſen und nur böſes Blut erregen.**) Kaiſer Franz ließ ſich nicht
überzeugen. Am 28. Auguſt gab er ſeine letzte Entſcheidung: „Ich
werde mich nie entſchließen zu beſtimmen: wer ſoll richten? — bis ich
nicht genau geſehen habe: was ſoll gerichtet werden? Was wäre es, wenn
die gemeinſchaftliche Commiſſion nicht ſehr erhebliche oder wenige Data
von Wichtigkeit fände? Was wäre es, wenn die Glieder dieſer Com-
miſſion ſelbſt nicht gleiche Anſichten hegten?“***) Dieſe Haltung des
Kaiſers genügte, um die Mehrheit in Karlsbad umzuſtimmen.†)

Auch Metternich hatte, ſehr ungern, im Sinne ſeines Monarchen
reden müſſen und ganz ſo cyniſch wie dieſer ausgeſprochen: man wiſſe
ja noch gar nicht, „wie viele Hochverräther ſich als Reſultat der Com-
miſſion ergeben würden“; ein feierliches Bundesgericht „mit einem kleinen
Reſultate könne weit eher compromittirend als heilbringend ſein“. So
blieb es denn dabei, daß die Central-Commiſſion nur die Unterſuchung
gegen die Demagogen leiten ſollte; doch behielt man dem Bundestage
das Recht vor, ihr nöthigenfalls auch richterliche Befugniſſe beizulegen.
Auf das Dringendſte bat Metternich den preußiſchen Miniſter, ſich in das
Mißgeſchick zu fügen und die Streitfrage nicht am Bundestage nochmals
anzuregen: „ſo würden wir unſer Spiel verlieren;“ je nach dem Er-
gebniß der Unterſuchung bleibe es ja noch immer möglich, die Central-
commiſſion zu einem Bundesgerichte zu erweitern.††) Vierzehn Tage nach
gefaßtem Bundesbeſchluſſe ſollte die Commiſſion in Mainz zuſammen-
treten, ſofort den geſammten Thatbeſtand der demagogiſchen Umtriebe
feſtzuſtellen ſuchen, Weiſungen an die Unterſuchungsbehörden der Einzel-
ſtaaten ertheilen, die Akten von ihnen einfordern, auch nach Gutdünken
einzelne Verdächtige ſelber verhören und ſchließlich zur Aufklärung der
Nation einen umfaſſenden Bericht über die Ergebniſſe erſtatten. Um die
Erneſtiner und die freien Städte fern zu halten, einigte man ſich in
Karlsbad zugleich über die ſieben Staaten, welche die ſieben richterlichen
Mitglieder der Centralcommiſſion ernennen ſollten; man wählte Oeſter-
reich, Preußen, Baiern, Hannover, Baden, Naſſau und dazu noch Darm-

*) Kamptz an Gärtner, 31. Aug. 1819.
**) Hardenberg an Bernſtorff, 25. Aug., 1. Sept. 1819.
***) Allerhöchſte Entſchließung, Schönbrunn, 28. Aug. 1819.
†) Bernſtorff an Hardenberg, 7. Sept. 1819.
††) Metternich an Bernſtorff, 5. Sept. 1819, mit einer Denkſchrift über die Central-
Unterſuchungscommiſſion.
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[565/0579] Die Central-Unterſuchungscommiſſion. vor den Zeitungen; das heiße das coimperium der Schreier, das doch jetzt vernichtet werden ſolle, von Neuem befeſtigen. *) Vergeblich ſendete Hardenberg dies Schreiben nach Karlsbad und gab den Conferenzen zu erwägen, daß man ein vom Deutſchen Bunde eingeſetztes Tribunal doch nicht als ein fremdes Gericht betrachten dürfe; eine blos unterſuchende Centralcommiſſion, das ſagte er voraus, werde ſich als völlig nutzlos erweiſen und nur böſes Blut erregen. **) Kaiſer Franz ließ ſich nicht überzeugen. Am 28. Auguſt gab er ſeine letzte Entſcheidung: „Ich werde mich nie entſchließen zu beſtimmen: wer ſoll richten? — bis ich nicht genau geſehen habe: was ſoll gerichtet werden? Was wäre es, wenn die gemeinſchaftliche Commiſſion nicht ſehr erhebliche oder wenige Data von Wichtigkeit fände? Was wäre es, wenn die Glieder dieſer Com- miſſion ſelbſt nicht gleiche Anſichten hegten?“ ***) Dieſe Haltung des Kaiſers genügte, um die Mehrheit in Karlsbad umzuſtimmen. †) Auch Metternich hatte, ſehr ungern, im Sinne ſeines Monarchen reden müſſen und ganz ſo cyniſch wie dieſer ausgeſprochen: man wiſſe ja noch gar nicht, „wie viele Hochverräther ſich als Reſultat der Com- miſſion ergeben würden“; ein feierliches Bundesgericht „mit einem kleinen Reſultate könne weit eher compromittirend als heilbringend ſein“. So blieb es denn dabei, daß die Central-Commiſſion nur die Unterſuchung gegen die Demagogen leiten ſollte; doch behielt man dem Bundestage das Recht vor, ihr nöthigenfalls auch richterliche Befugniſſe beizulegen. Auf das Dringendſte bat Metternich den preußiſchen Miniſter, ſich in das Mißgeſchick zu fügen und die Streitfrage nicht am Bundestage nochmals anzuregen: „ſo würden wir unſer Spiel verlieren;“ je nach dem Er- gebniß der Unterſuchung bleibe es ja noch immer möglich, die Central- commiſſion zu einem Bundesgerichte zu erweitern. ††) Vierzehn Tage nach gefaßtem Bundesbeſchluſſe ſollte die Commiſſion in Mainz zuſammen- treten, ſofort den geſammten Thatbeſtand der demagogiſchen Umtriebe feſtzuſtellen ſuchen, Weiſungen an die Unterſuchungsbehörden der Einzel- ſtaaten ertheilen, die Akten von ihnen einfordern, auch nach Gutdünken einzelne Verdächtige ſelber verhören und ſchließlich zur Aufklärung der Nation einen umfaſſenden Bericht über die Ergebniſſe erſtatten. Um die Erneſtiner und die freien Städte fern zu halten, einigte man ſich in Karlsbad zugleich über die ſieben Staaten, welche die ſieben richterlichen Mitglieder der Centralcommiſſion ernennen ſollten; man wählte Oeſter- reich, Preußen, Baiern, Hannover, Baden, Naſſau und dazu noch Darm- *) Kamptz an Gärtner, 31. Aug. 1819. **) Hardenberg an Bernſtorff, 25. Aug., 1. Sept. 1819. ***) Allerhöchſte Entſchließung, Schönbrunn, 28. Aug. 1819. †) Bernſtorff an Hardenberg, 7. Sept. 1819. ††) Metternich an Bernſtorff, 5. Sept. 1819, mit einer Denkſchrift über die Central- Unterſuchungscommiſſion.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882, S. 565. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte02_1882/579>, abgerufen am 25.11.2024.