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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882.

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II. 9. Die Karlsbader Beschlüsse.
bracht hat; die Politik des friedlichen Dualismus bestand jetzt ihre Probe
und sie erwies sich als die Unterwerfung Preußens unter Oesterreichs
Leitung. Der Staatskanzler unterschrieb, weil er kein anderes Mittel sah
um sich das erschütterte Vertrauen seines Monarchen zu erhalten, und weil
das Versprechen, wörtlich genommen, allerdings nichts enthielt, was den
bisherigen Grundsätzen der preußischen Politik zuwiederlief. Beide Theile
aber hegten bei der Abrede ihre Hintergedanken. Hardenberg verstand unter
dem Central-Ausschuß, wie er bald durch die That beweisen sollte, einen
mächtigen Allgemeinen Landtag, Metternich hingegen dachte, wie schon
in Aachen, nur an einen kleinen Ausschuß von etwa einundzwanzig
Mitgliedern und hoffte insgeheim, selbst dies Schattenbild einer preußi-
schen Centralvertretung, das seinem Kaiser hochbedenklich vorkam, dereinst
noch zu vereiteln. Preußen hatte sich also die neue Wiener Doctrin,
wonach der Art. 13. nur Stände, nicht Volksvertreter verheißen sollte,
vollständig angeeignet. Beide Mächte verpflichteten sich, "den Staaten
welche unter dem Namen von Ständen bereits Volksvertretungen einge-
führt haben, zur Rückkehr zu einem, dem Bunde mehr angemessenen Ver-
hältniß behilflich zu sein" und deßhalb zunächst die Anträge dieser Re-
gierungen selbst abzuwarten.

Den zweiten Gegenstand der Karlsbader Berathungen sollte die Presse
bilden. Die beiden Großmächte vereinigten sich über die Grundsätze einer
Gentzischen Denkschrift, die mit grellen Farben schilderte, wie bei der Gleich-
heit der Cultur und dem vielfältigen Verkehre der Deutschen kein einzelner
Staat sich vor Ansteckung schützen könne und mithin jeder Fürst, welcher
den Preß-Unfug in seinem Lande dulde, Hochverrath gegen den Bund begehe.
Darum ist ein strenges Bundes-Preßgesetz nothwendig, insbesondere
"müssen die deutschen Regierungen sich wechselseitig verbinden, keinem der
heute berüchtigten Redacteurs den Eintritt in neue Zeitungs-Redactionen
zu gestatten und überhaupt die vielen Zeitungsblätter zu vermindern".

Zum Dritten sollte sich die Conferenz mit den Universitäten und
Schulen beschäftigen. Metternich dachte zwar sehr niedrig von der poli-
tischen Befähigung der Professoren und begründete dies Urtheil, bezeichnend
genug, mit der Behauptung, daß kein Gelehrter den Werth des Eigen-
thums zu schätzen wisse; aber mittelbar schien ihm die politische Wirksam-
keit dieser unpraktischen Leute sehr gefährlich, da sie "die Vereinigung der
Deutschen in ein Deutschland" lehrten und das heranwachsende Geschlecht
"zu diesem verruchten Zweck" erzögen. Darum lag ihm so viel an der
schleunigen Absetzung demagogischer Lehrer, und Hardenberg war schwach
genug, alle die verständigen Grundsätze jener Eichhorn'schen Denkschrift,
welche Graf Bernstorff erst vor wenigen Tagen dem Bundestage über-
sendet hatte, sofort über Bord zu werfen. Er verstand sich zu der Ab-
rede, "daß notorisch schlechtgesinnte und in die Umtriebe des heutigen
Studenten-Unfugs verflochtene Professoren alsbald von den Lehrstühlen

II. 9. Die Karlsbader Beſchlüſſe.
bracht hat; die Politik des friedlichen Dualismus beſtand jetzt ihre Probe
und ſie erwies ſich als die Unterwerfung Preußens unter Oeſterreichs
Leitung. Der Staatskanzler unterſchrieb, weil er kein anderes Mittel ſah
um ſich das erſchütterte Vertrauen ſeines Monarchen zu erhalten, und weil
das Verſprechen, wörtlich genommen, allerdings nichts enthielt, was den
bisherigen Grundſätzen der preußiſchen Politik zuwiederlief. Beide Theile
aber hegten bei der Abrede ihre Hintergedanken. Hardenberg verſtand unter
dem Central-Ausſchuß, wie er bald durch die That beweiſen ſollte, einen
mächtigen Allgemeinen Landtag, Metternich hingegen dachte, wie ſchon
in Aachen, nur an einen kleinen Ausſchuß von etwa einundzwanzig
Mitgliedern und hoffte insgeheim, ſelbſt dies Schattenbild einer preußi-
ſchen Centralvertretung, das ſeinem Kaiſer hochbedenklich vorkam, dereinſt
noch zu vereiteln. Preußen hatte ſich alſo die neue Wiener Doctrin,
wonach der Art. 13. nur Stände, nicht Volksvertreter verheißen ſollte,
vollſtändig angeeignet. Beide Mächte verpflichteten ſich, „den Staaten
welche unter dem Namen von Ständen bereits Volksvertretungen einge-
führt haben, zur Rückkehr zu einem, dem Bunde mehr angemeſſenen Ver-
hältniß behilflich zu ſein“ und deßhalb zunächſt die Anträge dieſer Re-
gierungen ſelbſt abzuwarten.

Den zweiten Gegenſtand der Karlsbader Berathungen ſollte die Preſſe
bilden. Die beiden Großmächte vereinigten ſich über die Grundſätze einer
Gentziſchen Denkſchrift, die mit grellen Farben ſchilderte, wie bei der Gleich-
heit der Cultur und dem vielfältigen Verkehre der Deutſchen kein einzelner
Staat ſich vor Anſteckung ſchützen könne und mithin jeder Fürſt, welcher
den Preß-Unfug in ſeinem Lande dulde, Hochverrath gegen den Bund begehe.
Darum iſt ein ſtrenges Bundes-Preßgeſetz nothwendig, insbeſondere
„müſſen die deutſchen Regierungen ſich wechſelſeitig verbinden, keinem der
heute berüchtigten Redacteurs den Eintritt in neue Zeitungs-Redactionen
zu geſtatten und überhaupt die vielen Zeitungsblätter zu vermindern“.

Zum Dritten ſollte ſich die Conferenz mit den Univerſitäten und
Schulen beſchäftigen. Metternich dachte zwar ſehr niedrig von der poli-
tiſchen Befähigung der Profeſſoren und begründete dies Urtheil, bezeichnend
genug, mit der Behauptung, daß kein Gelehrter den Werth des Eigen-
thums zu ſchätzen wiſſe; aber mittelbar ſchien ihm die politiſche Wirkſam-
keit dieſer unpraktiſchen Leute ſehr gefährlich, da ſie „die Vereinigung der
Deutſchen in ein Deutſchland“ lehrten und das heranwachſende Geſchlecht
„zu dieſem verruchten Zweck“ erzögen. Darum lag ihm ſo viel an der
ſchleunigen Abſetzung demagogiſcher Lehrer, und Hardenberg war ſchwach
genug, alle die verſtändigen Grundſätze jener Eichhorn’ſchen Denkſchrift,
welche Graf Bernſtorff erſt vor wenigen Tagen dem Bundestage über-
ſendet hatte, ſofort über Bord zu werfen. Er verſtand ſich zu der Ab-
rede, „daß notoriſch ſchlechtgeſinnte und in die Umtriebe des heutigen
Studenten-Unfugs verflochtene Profeſſoren alsbald von den Lehrſtühlen

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882, S. 552. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte02_1882/566>, abgerufen am 22.11.2024.