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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882.

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Zusammenkunft in Teplitz.
ewige Zeiten geheim bleiben, wegen "der Vorurtheile, welche von vielen
deutschen Regierungen gegen die engere, so heilsame Vereinigung der
beiden Höfe" gehegt würden. Die Vertragschließenden erinnerten zunächst
an den verfassungsmäßigen Zweck des durch Europa garantirten Deutschen
Bundes und erklärten sodann (Art. II), daß sie als europäische Mächte
berufen seien über dem politischen Dasein des Bundes zu wachen, als
deutsche Bundesstaaten aber verpflichtet für die Befestigung der Bundes-
verfassung zu sorgen. Daher dürften im Innern des Bundes keine mit
seiner Existenz unvereinbaren Grundsätze angewendet, alle Beschlüsse des
Bundestages müßten als Gesetze des Bundes unverbrüchlich ausgeführt,
werden. Der Artikel der Bundesakte, welcher dem Bunde die Sorge für
die innere Sicherheit Deutschlands auferlegte und unzweifelhaft nur be-
stimmt war der Gefahr des Landfriedensbruchs vorzubeugen, erhielt also
eine ganz neue, völlig willkürliche Auslegung: er sollte dazu dienen auch
die innern Verhältnisse der Bundesstaaten einer gleichmäßigen Regel zu
unterwerfen. Der gegenwärtige Augenblick, da die revolutionäre Partei das
Dasein aller Regierungen bedrohe -- so sagte die Punktation weiter -- müsse
benutzt werden, um eine engere Verbindung der deutschen Höfe herbeizu-
führen und am Bundestage die Herrschaft der Mehrheit zu sichern Dazu
bedürfe es zunächst einer Verabredung über den Art. 13 der Bundesakte,
und hier folgte eine erstaunliche Zusage, welche für Metternich den Kern
der Punktation bildete. "Preußen, hieß es im Art. VII, ist entschlossen,
erst nach völlig geregelten inneren und Finanz-Verhältnissen den Artikel
13 in seinem reinen Begriffe auf seine eigenen Staaten anzuwenden,
d. h. zur Repräsentation der Nation keine allgemeine, mit der geographi-
schen und inneren Gestaltung seines Reichs unverträgliche Volksvertretung
einzuführen, sondern seinen Provinzen landständische Verfassungen zu er-
theilen und aus diesen einen Central-Ausschuß von Landesrepräsentanten
zu bilden."

Dieser Satz enthielt der Sache nach freilich eine gegenseitige Ver-
pflichtung, da Kaiser Franz unzweifelhaft ebenfalls entschlossen war, keine
allgemeine Volksvertretung einzuführen; er sagte im Grunde auch nichts
Neues, denn Hardenberg war längst gewillt, die Verfassung erst nach der
Vollendung der neuen, dem Abschluß nahen Finanzgesetze zu verkündigen,
und daß die Landesrepräsentation aus den Provinzialständen hervorgehen
sollte, war durch die Verordnung vom Mai 1815 ausdrücklich vorge-
schrieben. Um so schmählicher erschien die Form des Versprechens. Wie
ein reuiger Sünder, ohne jede förmliche Gegenleistung gab die Monarchie
Friedrichs des Großen einer fremden Macht eine Zusage über innere
Angelegenheiten, deren Regelung jeder selbstbewußte Staat sich selber vor-
behalten muß; und frohlockend meldete Metternich seinem Kaiser "das
Engagement Preußens, keine Volksvertretung zu geben." Es war die
schimpflichste Demüthigung, welche Hardenberg jemals über Preußen ge-

Zuſammenkunft in Teplitz.
ewige Zeiten geheim bleiben, wegen „der Vorurtheile, welche von vielen
deutſchen Regierungen gegen die engere, ſo heilſame Vereinigung der
beiden Höfe“ gehegt würden. Die Vertragſchließenden erinnerten zunächſt
an den verfaſſungsmäßigen Zweck des durch Europa garantirten Deutſchen
Bundes und erklärten ſodann (Art. II), daß ſie als europäiſche Mächte
berufen ſeien über dem politiſchen Daſein des Bundes zu wachen, als
deutſche Bundesſtaaten aber verpflichtet für die Befeſtigung der Bundes-
verfaſſung zu ſorgen. Daher dürften im Innern des Bundes keine mit
ſeiner Exiſtenz unvereinbaren Grundſätze angewendet, alle Beſchlüſſe des
Bundestages müßten als Geſetze des Bundes unverbrüchlich ausgeführt,
werden. Der Artikel der Bundesakte, welcher dem Bunde die Sorge für
die innere Sicherheit Deutſchlands auferlegte und unzweifelhaft nur be-
ſtimmt war der Gefahr des Landfriedensbruchs vorzubeugen, erhielt alſo
eine ganz neue, völlig willkürliche Auslegung: er ſollte dazu dienen auch
die innern Verhältniſſe der Bundesſtaaten einer gleichmäßigen Regel zu
unterwerfen. Der gegenwärtige Augenblick, da die revolutionäre Partei das
Daſein aller Regierungen bedrohe — ſo ſagte die Punktation weiter — müſſe
benutzt werden, um eine engere Verbindung der deutſchen Höfe herbeizu-
führen und am Bundestage die Herrſchaft der Mehrheit zu ſichern Dazu
bedürfe es zunächſt einer Verabredung über den Art. 13 der Bundesakte,
und hier folgte eine erſtaunliche Zuſage, welche für Metternich den Kern
der Punktation bildete. „Preußen, hieß es im Art. VII, iſt entſchloſſen,
erſt nach völlig geregelten inneren und Finanz-Verhältniſſen den Artikel
13 in ſeinem reinen Begriffe auf ſeine eigenen Staaten anzuwenden,
d. h. zur Repräſentation der Nation keine allgemeine, mit der geographi-
ſchen und inneren Geſtaltung ſeines Reichs unverträgliche Volksvertretung
einzuführen, ſondern ſeinen Provinzen landſtändiſche Verfaſſungen zu er-
theilen und aus dieſen einen Central-Ausſchuß von Landesrepräſentanten
zu bilden.“

Dieſer Satz enthielt der Sache nach freilich eine gegenſeitige Ver-
pflichtung, da Kaiſer Franz unzweifelhaft ebenfalls entſchloſſen war, keine
allgemeine Volksvertretung einzuführen; er ſagte im Grunde auch nichts
Neues, denn Hardenberg war längſt gewillt, die Verfaſſung erſt nach der
Vollendung der neuen, dem Abſchluß nahen Finanzgeſetze zu verkündigen,
und daß die Landesrepräſentation aus den Provinzialſtänden hervorgehen
ſollte, war durch die Verordnung vom Mai 1815 ausdrücklich vorge-
ſchrieben. Um ſo ſchmählicher erſchien die Form des Verſprechens. Wie
ein reuiger Sünder, ohne jede förmliche Gegenleiſtung gab die Monarchie
Friedrichs des Großen einer fremden Macht eine Zuſage über innere
Angelegenheiten, deren Regelung jeder ſelbſtbewußte Staat ſich ſelber vor-
behalten muß; und frohlockend meldete Metternich ſeinem Kaiſer „das
Engagement Preußens, keine Volksvertretung zu geben.“ Es war die
ſchimpflichſte Demüthigung, welche Hardenberg jemals über Preußen ge-

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[551/0565] Zuſammenkunft in Teplitz. ewige Zeiten geheim bleiben, wegen „der Vorurtheile, welche von vielen deutſchen Regierungen gegen die engere, ſo heilſame Vereinigung der beiden Höfe“ gehegt würden. Die Vertragſchließenden erinnerten zunächſt an den verfaſſungsmäßigen Zweck des durch Europa garantirten Deutſchen Bundes und erklärten ſodann (Art. II), daß ſie als europäiſche Mächte berufen ſeien über dem politiſchen Daſein des Bundes zu wachen, als deutſche Bundesſtaaten aber verpflichtet für die Befeſtigung der Bundes- verfaſſung zu ſorgen. Daher dürften im Innern des Bundes keine mit ſeiner Exiſtenz unvereinbaren Grundſätze angewendet, alle Beſchlüſſe des Bundestages müßten als Geſetze des Bundes unverbrüchlich ausgeführt, werden. Der Artikel der Bundesakte, welcher dem Bunde die Sorge für die innere Sicherheit Deutſchlands auferlegte und unzweifelhaft nur be- ſtimmt war der Gefahr des Landfriedensbruchs vorzubeugen, erhielt alſo eine ganz neue, völlig willkürliche Auslegung: er ſollte dazu dienen auch die innern Verhältniſſe der Bundesſtaaten einer gleichmäßigen Regel zu unterwerfen. Der gegenwärtige Augenblick, da die revolutionäre Partei das Daſein aller Regierungen bedrohe — ſo ſagte die Punktation weiter — müſſe benutzt werden, um eine engere Verbindung der deutſchen Höfe herbeizu- führen und am Bundestage die Herrſchaft der Mehrheit zu ſichern Dazu bedürfe es zunächſt einer Verabredung über den Art. 13 der Bundesakte, und hier folgte eine erſtaunliche Zuſage, welche für Metternich den Kern der Punktation bildete. „Preußen, hieß es im Art. VII, iſt entſchloſſen, erſt nach völlig geregelten inneren und Finanz-Verhältniſſen den Artikel 13 in ſeinem reinen Begriffe auf ſeine eigenen Staaten anzuwenden, d. h. zur Repräſentation der Nation keine allgemeine, mit der geographi- ſchen und inneren Geſtaltung ſeines Reichs unverträgliche Volksvertretung einzuführen, ſondern ſeinen Provinzen landſtändiſche Verfaſſungen zu er- theilen und aus dieſen einen Central-Ausſchuß von Landesrepräſentanten zu bilden.“ Dieſer Satz enthielt der Sache nach freilich eine gegenſeitige Ver- pflichtung, da Kaiſer Franz unzweifelhaft ebenfalls entſchloſſen war, keine allgemeine Volksvertretung einzuführen; er ſagte im Grunde auch nichts Neues, denn Hardenberg war längſt gewillt, die Verfaſſung erſt nach der Vollendung der neuen, dem Abſchluß nahen Finanzgeſetze zu verkündigen, und daß die Landesrepräſentation aus den Provinzialſtänden hervorgehen ſollte, war durch die Verordnung vom Mai 1815 ausdrücklich vorge- ſchrieben. Um ſo ſchmählicher erſchien die Form des Verſprechens. Wie ein reuiger Sünder, ohne jede förmliche Gegenleiſtung gab die Monarchie Friedrichs des Großen einer fremden Macht eine Zuſage über innere Angelegenheiten, deren Regelung jeder ſelbſtbewußte Staat ſich ſelber vor- behalten muß; und frohlockend meldete Metternich ſeinem Kaiſer „das Engagement Preußens, keine Volksvertretung zu geben.“ Es war die ſchimpflichſte Demüthigung, welche Hardenberg jemals über Preußen ge-

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882, S. 551. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte02_1882/565>, abgerufen am 25.11.2024.