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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882.

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Metternichs Plan für die Karlsbader Conferenzen.
mächte die Ueberlegenheit ihrer Bildung und ihrer Redefertigkeit zu zeigen.
Die Liberalen waren zugleich die Vorkämpfer des Partikularismus, un-
erschöpflich in Schlichen und Ränken um die Vollendung der Bundes-
kriegsverfassung zu verhindern; eben jetzt zeigte Wangenheim seinen Ge-
nossen unter der Hand eine von seinem Könige eigenhändig niedergeschrie-
bene Denkschrift, welche, ganz im Sinne des Rheinbundes, die deutschen
Souveräne gegen die militärische Dictatur der beiden Großmächte so ge-
hässig aufzuwiegeln versuchte, daß Oesterreich und Preußen in Stuttgart
ernste Vorstellungen machen mußten.*)

Rasche, durchgreifende Entschlüsse, wie sie der Wiener Hof brauchte,
waren von dieser Versammlung nicht zu erlangen. Daher rieth Gentz
schon im April, man solle zunächst eine vertrauliche Verständigung mit
den größeren Höfen herbeiführen, und Metternich ging auf den Vorschlag
ein, sobald er von dem schleppenden Gange der Frankfurter Universitäts-
commission Kenntniß erhielt. Seine Absicht war, im Juli in Böhmen
zu erscheinen und zunächst dem König von Preußen, der um diese Zeit
das Teplitzer Bad zu gebrauchen pflegte, das Programm einiger provi-
sorischen Bundesgesetze vorzulegen; denn nur Bundesgesetze, so ließ er
wiederholt nach Berlin schreiben, könnten dem so weit vorgeschrittenen
Uebel der revolutionären Verschwörungen noch steuern, Maßregeln einzelner
Bundesstaaten genügten längst nicht mehr.**) War man mit Preußen
einig, dann sollten die Vertreter der beiden Großmächte in Karlsbad mit
den Ministern der größeren Bundesstaaten die Ausnahmegesetze verein-
baren, welche der Bundestag ohne weitere Berathung anzunehmen und
zu verkündigen hätte; denn wer unter den Kleinen durfte den neun mäch-
tigsten deutschen Höfen, sobald sie sich ernstlich geeinigt hatten, zu wider-
sprechen wagen? Nach Vollendung der Ausnahmegesetze sollten schließlich
die Minister der Bundesstaaten im Winter sich zu Wien versammeln,
um den Grundzügen der Bundesverfassung die seit 1815 verheißene Er-
gänzung, natürlich in hochconservativem Sinne, zu geben und namentlich
für die landständischen Verfassungen bindende Vorschriften aufzustellen.
Der Plan sah einem Staatsstreiche sehr ähnlich, er ging geringschätzig
über alle verfassungsmäßigen Rechte des Bundestags hinweg und enthielt
die schärfste Kritik der Bundesverfassung; denn durch andere Mittel als
durch Einschüchterung und Eigenmacht ließ sich diesem Bunde allerdings
kein Entschluß entreißen.

Glückselig, mit heiligem Eifer arbeitete nun Gentz die Vorschläge für
die Karlsbader Versammlung aus: provisorische Ausnahmegesetze gegen
die Universitäten, die Presse, die Demagogen, und dazu eine Interpre-
tation des Art. 13, wozu die Thorheiten der badischen Kammern den

*) Krusemarks Bericht, 11. Jan. 1819.
**) Krusemarks Berichte, Rom 4. Juni, Perugia 22. Juni 1819.

Metternichs Plan für die Karlsbader Conferenzen.
mächte die Ueberlegenheit ihrer Bildung und ihrer Redefertigkeit zu zeigen.
Die Liberalen waren zugleich die Vorkämpfer des Partikularismus, un-
erſchöpflich in Schlichen und Ränken um die Vollendung der Bundes-
kriegsverfaſſung zu verhindern; eben jetzt zeigte Wangenheim ſeinen Ge-
noſſen unter der Hand eine von ſeinem Könige eigenhändig niedergeſchrie-
bene Denkſchrift, welche, ganz im Sinne des Rheinbundes, die deutſchen
Souveräne gegen die militäriſche Dictatur der beiden Großmächte ſo ge-
häſſig aufzuwiegeln verſuchte, daß Oeſterreich und Preußen in Stuttgart
ernſte Vorſtellungen machen mußten.*)

Raſche, durchgreifende Entſchlüſſe, wie ſie der Wiener Hof brauchte,
waren von dieſer Verſammlung nicht zu erlangen. Daher rieth Gentz
ſchon im April, man ſolle zunächſt eine vertrauliche Verſtändigung mit
den größeren Höfen herbeiführen, und Metternich ging auf den Vorſchlag
ein, ſobald er von dem ſchleppenden Gange der Frankfurter Univerſitäts-
commiſſion Kenntniß erhielt. Seine Abſicht war, im Juli in Böhmen
zu erſcheinen und zunächſt dem König von Preußen, der um dieſe Zeit
das Teplitzer Bad zu gebrauchen pflegte, das Programm einiger provi-
ſoriſchen Bundesgeſetze vorzulegen; denn nur Bundesgeſetze, ſo ließ er
wiederholt nach Berlin ſchreiben, könnten dem ſo weit vorgeſchrittenen
Uebel der revolutionären Verſchwörungen noch ſteuern, Maßregeln einzelner
Bundesſtaaten genügten längſt nicht mehr.**) War man mit Preußen
einig, dann ſollten die Vertreter der beiden Großmächte in Karlsbad mit
den Miniſtern der größeren Bundesſtaaten die Ausnahmegeſetze verein-
baren, welche der Bundestag ohne weitere Berathung anzunehmen und
zu verkündigen hätte; denn wer unter den Kleinen durfte den neun mäch-
tigſten deutſchen Höfen, ſobald ſie ſich ernſtlich geeinigt hatten, zu wider-
ſprechen wagen? Nach Vollendung der Ausnahmegeſetze ſollten ſchließlich
die Miniſter der Bundesſtaaten im Winter ſich zu Wien verſammeln,
um den Grundzügen der Bundesverfaſſung die ſeit 1815 verheißene Er-
gänzung, natürlich in hochconſervativem Sinne, zu geben und namentlich
für die landſtändiſchen Verfaſſungen bindende Vorſchriften aufzuſtellen.
Der Plan ſah einem Staatsſtreiche ſehr ähnlich, er ging geringſchätzig
über alle verfaſſungsmäßigen Rechte des Bundestags hinweg und enthielt
die ſchärfſte Kritik der Bundesverfaſſung; denn durch andere Mittel als
durch Einſchüchterung und Eigenmacht ließ ſich dieſem Bunde allerdings
kein Entſchluß entreißen.

Glückſelig, mit heiligem Eifer arbeitete nun Gentz die Vorſchläge für
die Karlsbader Verſammlung aus: proviſoriſche Ausnahmegeſetze gegen
die Univerſitäten, die Preſſe, die Demagogen, und dazu eine Interpre-
tation des Art. 13, wozu die Thorheiten der badiſchen Kammern den

*) Kruſemarks Bericht, 11. Jan. 1819.
**) Kruſemarks Berichte, Rom 4. Juni, Perugia 22. Juni 1819.
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[537/0551] Metternichs Plan für die Karlsbader Conferenzen. mächte die Ueberlegenheit ihrer Bildung und ihrer Redefertigkeit zu zeigen. Die Liberalen waren zugleich die Vorkämpfer des Partikularismus, un- erſchöpflich in Schlichen und Ränken um die Vollendung der Bundes- kriegsverfaſſung zu verhindern; eben jetzt zeigte Wangenheim ſeinen Ge- noſſen unter der Hand eine von ſeinem Könige eigenhändig niedergeſchrie- bene Denkſchrift, welche, ganz im Sinne des Rheinbundes, die deutſchen Souveräne gegen die militäriſche Dictatur der beiden Großmächte ſo ge- häſſig aufzuwiegeln verſuchte, daß Oeſterreich und Preußen in Stuttgart ernſte Vorſtellungen machen mußten. *) Raſche, durchgreifende Entſchlüſſe, wie ſie der Wiener Hof brauchte, waren von dieſer Verſammlung nicht zu erlangen. Daher rieth Gentz ſchon im April, man ſolle zunächſt eine vertrauliche Verſtändigung mit den größeren Höfen herbeiführen, und Metternich ging auf den Vorſchlag ein, ſobald er von dem ſchleppenden Gange der Frankfurter Univerſitäts- commiſſion Kenntniß erhielt. Seine Abſicht war, im Juli in Böhmen zu erſcheinen und zunächſt dem König von Preußen, der um dieſe Zeit das Teplitzer Bad zu gebrauchen pflegte, das Programm einiger provi- ſoriſchen Bundesgeſetze vorzulegen; denn nur Bundesgeſetze, ſo ließ er wiederholt nach Berlin ſchreiben, könnten dem ſo weit vorgeſchrittenen Uebel der revolutionären Verſchwörungen noch ſteuern, Maßregeln einzelner Bundesſtaaten genügten längſt nicht mehr. **) War man mit Preußen einig, dann ſollten die Vertreter der beiden Großmächte in Karlsbad mit den Miniſtern der größeren Bundesſtaaten die Ausnahmegeſetze verein- baren, welche der Bundestag ohne weitere Berathung anzunehmen und zu verkündigen hätte; denn wer unter den Kleinen durfte den neun mäch- tigſten deutſchen Höfen, ſobald ſie ſich ernſtlich geeinigt hatten, zu wider- ſprechen wagen? Nach Vollendung der Ausnahmegeſetze ſollten ſchließlich die Miniſter der Bundesſtaaten im Winter ſich zu Wien verſammeln, um den Grundzügen der Bundesverfaſſung die ſeit 1815 verheißene Er- gänzung, natürlich in hochconſervativem Sinne, zu geben und namentlich für die landſtändiſchen Verfaſſungen bindende Vorſchriften aufzuſtellen. Der Plan ſah einem Staatsſtreiche ſehr ähnlich, er ging geringſchätzig über alle verfaſſungsmäßigen Rechte des Bundestags hinweg und enthielt die ſchärfſte Kritik der Bundesverfaſſung; denn durch andere Mittel als durch Einſchüchterung und Eigenmacht ließ ſich dieſem Bunde allerdings kein Entſchluß entreißen. Glückſelig, mit heiligem Eifer arbeitete nun Gentz die Vorſchläge für die Karlsbader Verſammlung aus: proviſoriſche Ausnahmegeſetze gegen die Univerſitäten, die Preſſe, die Demagogen, und dazu eine Interpre- tation des Art. 13, wozu die Thorheiten der badiſchen Kammern den *) Kruſemarks Bericht, 11. Jan. 1819. **) Kruſemarks Berichte, Rom 4. Juni, Perugia 22. Juni 1819.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882, S. 537. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte02_1882/551>, abgerufen am 25.11.2024.