Vorschlägen Metternichs entgegen; er beschloß, da er grade die rheinischen Provinzen besuchen wollte, den Weg über Weimar zu nehmen um dort, unterstützt von dem österreichischen Gesandten Grafen Zichy, den Groß- herzog zur Rede zu stellen und ihm zwei mahnende Briefe des Kaisers und des Königs zu übergeben.
Inmitten der allgemeinen Aufregung blieb allein Karl August heiter und gleichmüthig; er hatte selber einst lange im Uebermuth brausender Jugend geschwelgt und nahm die Prahlerei der Burschen nicht ernster als sie es verdiente. Die auf der Wartburg angekündigte Deutsche Burschen- zeitung ward verboten, einige andere Zeitungen verwarnt, und gegen Oken leitete man ein Strafverfahren ein, das mit Freisprechung endigte, da die Anklage thörichterweise auf Hochverrath lautete; für Injurienklagen hätte jener Artikel der Isis allerdings überreichen Stoff geboten. Auch eine Untersuchung gegen Fries wurde als gegenstandslos wieder einge- stellt, und man begnügte sich, ihm wegen seiner taktlosen Reden einen Verweis zu ertheilen. Im Uebrigen blieben die Jenenser unbehelligt. Der preußischen Regierung ließ Karl August durch seinen Geschäftsträger sagen (26. November): "Die gegenwärtige Aufregung ist allgemein, sie ist eine natürliche Folge der Ereignisse; Vertrauen und Muth können sie ersticken, Argwohn und gewaltsame Maßregeln würden Deutschland ver- wirren."*) Den Abgesandten der beiden Großmächte trat er mit seinem gewohnten fröhlichen Freimuth entgegen und versprach, bei einem Bundes- preßgesetze mitzuhelfen. Auf den Wunsch des Großherzogs ging dann Zichy mit Edling selber nach Jena um dies Nest des Aufruhrs näher zu betrachten, und da sich dort nichts Auffälliges zeigte, so standen die beiden Großmächte vorläufig von weiteren Schritten ab. Aber der Arg- wohn blieb lebendig; in den schärfsten Worten sprach König Friedrich Wilhelm seine Rüge aus, da Maßmann im nächsten Sommer als Turn- lehrer nach Breslau berufen wurde. Auch die französische Regierung, längst schon beunruhigt durch die Umtriebe des Prinzen von Oranien und der Flüchtlinge in Belgien, machte dem Weimarischen Hofe ernste Vorstellungen. Czar Alexander, der Vorkämpfer des christlichen Libera- lismus, weigerte sich zwar beim Deutschen Bunde Lärm zu schlagen, wie Metternich von ihm verlangt hatte; doch konnte auch er eine stille Angst nicht ganz bemeistern und mahnte den Großherzog in einem eigenhändigen Briefe zur Strenge gegen die Presse.**) Immer stärker ward die Furcht vor einer nahenden Revolution, und da die fremden Mächte wohl fühlten, was sie alle an Deutschland gesündigt hatten, so betrachteten sie dies stille Land, das doch erst an wenigen Orten die Spuren unruhiger Bewegung zeigte, als den natürlichen Mittelpunkt der europäischen Umsturzpartei.
*) Weisung Edlings an den Geschäftsträger Müller, 26. Nov. 1817.
**) Altenstein an Hardenberg, 18. Aug., 15. Sept.; Bericht des bad. Gesandten General v. Stockhorn, Berlin, 7. Febr. 1818.
II. 6. Die Burſchenſchaft.
Vorſchlägen Metternichs entgegen; er beſchloß, da er grade die rheiniſchen Provinzen beſuchen wollte, den Weg über Weimar zu nehmen um dort, unterſtützt von dem öſterreichiſchen Geſandten Grafen Zichy, den Groß- herzog zur Rede zu ſtellen und ihm zwei mahnende Briefe des Kaiſers und des Königs zu übergeben.
Inmitten der allgemeinen Aufregung blieb allein Karl Auguſt heiter und gleichmüthig; er hatte ſelber einſt lange im Uebermuth brauſender Jugend geſchwelgt und nahm die Prahlerei der Burſchen nicht ernſter als ſie es verdiente. Die auf der Wartburg angekündigte Deutſche Burſchen- zeitung ward verboten, einige andere Zeitungen verwarnt, und gegen Oken leitete man ein Strafverfahren ein, das mit Freiſprechung endigte, da die Anklage thörichterweiſe auf Hochverrath lautete; für Injurienklagen hätte jener Artikel der Iſis allerdings überreichen Stoff geboten. Auch eine Unterſuchung gegen Fries wurde als gegenſtandslos wieder einge- ſtellt, und man begnügte ſich, ihm wegen ſeiner taktloſen Reden einen Verweis zu ertheilen. Im Uebrigen blieben die Jenenſer unbehelligt. Der preußiſchen Regierung ließ Karl Auguſt durch ſeinen Geſchäftsträger ſagen (26. November): „Die gegenwärtige Aufregung iſt allgemein, ſie iſt eine natürliche Folge der Ereigniſſe; Vertrauen und Muth können ſie erſticken, Argwohn und gewaltſame Maßregeln würden Deutſchland ver- wirren.“*) Den Abgeſandten der beiden Großmächte trat er mit ſeinem gewohnten fröhlichen Freimuth entgegen und verſprach, bei einem Bundes- preßgeſetze mitzuhelfen. Auf den Wunſch des Großherzogs ging dann Zichy mit Edling ſelber nach Jena um dies Neſt des Aufruhrs näher zu betrachten, und da ſich dort nichts Auffälliges zeigte, ſo ſtanden die beiden Großmächte vorläufig von weiteren Schritten ab. Aber der Arg- wohn blieb lebendig; in den ſchärfſten Worten ſprach König Friedrich Wilhelm ſeine Rüge aus, da Maßmann im nächſten Sommer als Turn- lehrer nach Breslau berufen wurde. Auch die franzöſiſche Regierung, längſt ſchon beunruhigt durch die Umtriebe des Prinzen von Oranien und der Flüchtlinge in Belgien, machte dem Weimariſchen Hofe ernſte Vorſtellungen. Czar Alexander, der Vorkämpfer des chriſtlichen Libera- lismus, weigerte ſich zwar beim Deutſchen Bunde Lärm zu ſchlagen, wie Metternich von ihm verlangt hatte; doch konnte auch er eine ſtille Angſt nicht ganz bemeiſtern und mahnte den Großherzog in einem eigenhändigen Briefe zur Strenge gegen die Preſſe.**) Immer ſtärker ward die Furcht vor einer nahenden Revolution, und da die fremden Mächte wohl fühlten, was ſie alle an Deutſchland geſündigt hatten, ſo betrachteten ſie dies ſtille Land, das doch erſt an wenigen Orten die Spuren unruhiger Bewegung zeigte, als den natürlichen Mittelpunkt der europäiſchen Umſturzpartei.
*) Weiſung Edlings an den Geſchäftsträger Müller, 26. Nov. 1817.
**) Altenſtein an Hardenberg, 18. Aug., 15. Sept.; Bericht des bad. Geſandten General v. Stockhorn, Berlin, 7. Febr. 1818.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0446"n="432"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq">II.</hi> 6. Die Burſchenſchaft.</fw><lb/>
Vorſchlägen Metternichs entgegen; er beſchloß, da er grade die rheiniſchen<lb/>
Provinzen beſuchen wollte, den Weg über Weimar zu nehmen um dort,<lb/>
unterſtützt von dem öſterreichiſchen Geſandten Grafen Zichy, den Groß-<lb/>
herzog zur Rede zu ſtellen und ihm zwei mahnende Briefe des Kaiſers<lb/>
und des Königs zu übergeben.</p><lb/><p>Inmitten der allgemeinen Aufregung blieb allein Karl Auguſt heiter<lb/>
und gleichmüthig; er hatte ſelber einſt lange im Uebermuth brauſender<lb/>
Jugend geſchwelgt und nahm die Prahlerei der Burſchen nicht ernſter als<lb/>ſie es verdiente. Die auf der Wartburg angekündigte Deutſche Burſchen-<lb/>
zeitung ward verboten, einige andere Zeitungen verwarnt, und gegen<lb/>
Oken leitete man ein Strafverfahren ein, das mit Freiſprechung endigte,<lb/>
da die Anklage thörichterweiſe auf Hochverrath lautete; für Injurienklagen<lb/>
hätte jener Artikel der Iſis allerdings überreichen Stoff geboten. Auch<lb/>
eine Unterſuchung gegen Fries wurde als gegenſtandslos wieder einge-<lb/>ſtellt, und man begnügte ſich, ihm wegen ſeiner taktloſen Reden einen<lb/>
Verweis zu ertheilen. Im Uebrigen blieben die Jenenſer unbehelligt.<lb/>
Der preußiſchen Regierung ließ Karl Auguſt durch ſeinen Geſchäftsträger<lb/>ſagen (26. November): „Die gegenwärtige Aufregung iſt allgemein, ſie iſt<lb/>
eine natürliche Folge der Ereigniſſe; Vertrauen und Muth können ſie<lb/>
erſticken, Argwohn und gewaltſame Maßregeln würden Deutſchland ver-<lb/>
wirren.“<noteplace="foot"n="*)">Weiſung Edlings an den Geſchäftsträger Müller, 26. Nov. 1817.</note> Den Abgeſandten der beiden Großmächte trat er mit ſeinem<lb/>
gewohnten fröhlichen Freimuth entgegen und verſprach, bei einem Bundes-<lb/>
preßgeſetze mitzuhelfen. Auf den Wunſch des Großherzogs ging dann<lb/>
Zichy mit Edling ſelber nach Jena um dies Neſt des Aufruhrs näher<lb/>
zu betrachten, und da ſich dort nichts Auffälliges zeigte, ſo ſtanden die<lb/>
beiden Großmächte vorläufig von weiteren Schritten ab. Aber der Arg-<lb/>
wohn blieb lebendig; in den ſchärfſten Worten ſprach König Friedrich<lb/>
Wilhelm ſeine Rüge aus, da Maßmann im nächſten Sommer als Turn-<lb/>
lehrer nach Breslau berufen wurde. Auch die franzöſiſche Regierung,<lb/>
längſt ſchon beunruhigt durch die Umtriebe des Prinzen von Oranien<lb/>
und der Flüchtlinge in Belgien, machte dem Weimariſchen Hofe ernſte<lb/>
Vorſtellungen. Czar Alexander, der Vorkämpfer des chriſtlichen Libera-<lb/>
lismus, weigerte ſich zwar beim Deutſchen Bunde Lärm zu ſchlagen, wie<lb/>
Metternich von ihm verlangt hatte; doch konnte auch er eine ſtille Angſt<lb/>
nicht ganz bemeiſtern und mahnte den Großherzog in einem eigenhändigen<lb/>
Briefe zur Strenge gegen die Preſſe.<noteplace="foot"n="**)">Altenſtein an Hardenberg, 18. Aug., 15. Sept.; Bericht des bad. Geſandten<lb/>
General v. Stockhorn, Berlin, 7. Febr. 1818.</note> Immer ſtärker ward die Furcht<lb/>
vor einer nahenden Revolution, und da die fremden Mächte wohl fühlten,<lb/>
was ſie alle an Deutſchland geſündigt hatten, ſo betrachteten ſie dies ſtille<lb/>
Land, das doch erſt an wenigen Orten die Spuren unruhiger Bewegung<lb/>
zeigte, als den natürlichen Mittelpunkt der europäiſchen Umſturzpartei.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[432/0446]
II. 6. Die Burſchenſchaft.
Vorſchlägen Metternichs entgegen; er beſchloß, da er grade die rheiniſchen
Provinzen beſuchen wollte, den Weg über Weimar zu nehmen um dort,
unterſtützt von dem öſterreichiſchen Geſandten Grafen Zichy, den Groß-
herzog zur Rede zu ſtellen und ihm zwei mahnende Briefe des Kaiſers
und des Königs zu übergeben.
Inmitten der allgemeinen Aufregung blieb allein Karl Auguſt heiter
und gleichmüthig; er hatte ſelber einſt lange im Uebermuth brauſender
Jugend geſchwelgt und nahm die Prahlerei der Burſchen nicht ernſter als
ſie es verdiente. Die auf der Wartburg angekündigte Deutſche Burſchen-
zeitung ward verboten, einige andere Zeitungen verwarnt, und gegen
Oken leitete man ein Strafverfahren ein, das mit Freiſprechung endigte,
da die Anklage thörichterweiſe auf Hochverrath lautete; für Injurienklagen
hätte jener Artikel der Iſis allerdings überreichen Stoff geboten. Auch
eine Unterſuchung gegen Fries wurde als gegenſtandslos wieder einge-
ſtellt, und man begnügte ſich, ihm wegen ſeiner taktloſen Reden einen
Verweis zu ertheilen. Im Uebrigen blieben die Jenenſer unbehelligt.
Der preußiſchen Regierung ließ Karl Auguſt durch ſeinen Geſchäftsträger
ſagen (26. November): „Die gegenwärtige Aufregung iſt allgemein, ſie iſt
eine natürliche Folge der Ereigniſſe; Vertrauen und Muth können ſie
erſticken, Argwohn und gewaltſame Maßregeln würden Deutſchland ver-
wirren.“ *) Den Abgeſandten der beiden Großmächte trat er mit ſeinem
gewohnten fröhlichen Freimuth entgegen und verſprach, bei einem Bundes-
preßgeſetze mitzuhelfen. Auf den Wunſch des Großherzogs ging dann
Zichy mit Edling ſelber nach Jena um dies Neſt des Aufruhrs näher
zu betrachten, und da ſich dort nichts Auffälliges zeigte, ſo ſtanden die
beiden Großmächte vorläufig von weiteren Schritten ab. Aber der Arg-
wohn blieb lebendig; in den ſchärfſten Worten ſprach König Friedrich
Wilhelm ſeine Rüge aus, da Maßmann im nächſten Sommer als Turn-
lehrer nach Breslau berufen wurde. Auch die franzöſiſche Regierung,
längſt ſchon beunruhigt durch die Umtriebe des Prinzen von Oranien
und der Flüchtlinge in Belgien, machte dem Weimariſchen Hofe ernſte
Vorſtellungen. Czar Alexander, der Vorkämpfer des chriſtlichen Libera-
lismus, weigerte ſich zwar beim Deutſchen Bunde Lärm zu ſchlagen, wie
Metternich von ihm verlangt hatte; doch konnte auch er eine ſtille Angſt
nicht ganz bemeiſtern und mahnte den Großherzog in einem eigenhändigen
Briefe zur Strenge gegen die Preſſe. **) Immer ſtärker ward die Furcht
vor einer nahenden Revolution, und da die fremden Mächte wohl fühlten,
was ſie alle an Deutſchland geſündigt hatten, ſo betrachteten ſie dies ſtille
Land, das doch erſt an wenigen Orten die Spuren unruhiger Bewegung
zeigte, als den natürlichen Mittelpunkt der europäiſchen Umſturzpartei.
*) Weiſung Edlings an den Geſchäftsträger Müller, 26. Nov. 1817.
**) Altenſtein an Hardenberg, 18. Aug., 15. Sept.; Bericht des bad. Geſandten
General v. Stockhorn, Berlin, 7. Febr. 1818.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte02_1882/446>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.