Bereits im Sommer 1814 hatte sich in Jena eine Wehrschaft ge- bildet, die ihre Leute durch ritterliche Uebungen für den vaterländischen Waffendienst vorbereitete. Im folgenden Frühjahr traten dann die Mit- glieder von zwei Landsmannschaften, die des schalen alten Treibens müde waren, mit einigen Wilden zusammen, und am 12. Juni 1815 ward die neue Burschenschaft, nach altem Jenenser Brauch, durch einen feierlichen Aufzug über den Marktplatz eröffnet. An der Spitze standen zwei Theologen aus Mecklenburg, Horn und Riemann, und ein begeisterter Schüler von Fries, Scheidler aus Gotha, durchweg stattliche, brave junge Männer, die sich im Kriege tapfer geschlagen hatten. Der erste Sprecher, Karl Horn, der späterhin als Lehrer Fritz Reuters weiteren Kreisen be- kannt wurde, blieb bis ins hohe Alter dem Enthusiasmus seiner Jugend treu und starb in dem frommen Glauben, daß er mit der Stiftung der Burschenschaft "ein Werk des Herrn" gethan habe. Die neue Verbin- dung brach sofort mit allen Unsitten des Pennalismus und wurde nach rein demokratischen Grundsätzen durch einen freigewählten Ausschuß und Vorstand regiert; ihr Ehrengericht brachte die Duelle auf eine bescheidene Zahl herab und wachte streng über ehrenhafter Sitte.
Schon ein Jahr nach der Stiftung hatten sich alle anderen Ver- bindungen in Jena aufgelöst, und die Burschenschaft erschien nunmehr wirklich, wie sie es wollte, als ein Bund der gesammten christlich-deutschen Studentenschaft. In diesen ersten Tagen herrschte noch durchaus der gute Ton einer warmen vaterländischen Begeisterung. Welch ein Abstand gegen die Roheit früherer Tage, wenn die Burschen jetzt als Bundesge- sang das mächtige Lied von Arndt anstimmten:
Wem soll der erste Dank erschallen? Dem Gott, der groß und wunderbar Aus langer Schande Nacht uns Allen In Flammen aufgegangen war, Der unsrer Feinde Trotz zerblitzet, Der unsre Kraft uns schön erneut Und auf den Sternen waltend sitzet Von Ewigkeit zu Ewigkeit!
Zum Feldzeichen ihres Bundes und der deutschen Einheit, die er sym- bolisch darstellen sollte, nahmen die Burschen auf Jahns Vorschlag ein schwarzrothgoldenes Banner an. Es waren die Uniformfarben der Lü- tzower Freischaar, die auch eine goldgestickte schwarzrothe Fahne geführt hatte. Einzelne Burschenschafter stellten freilich die kühne Behauptung auf: daß sich in diesem Banner die schwarzgelben Farben des alten Reichs, verschönt durch das Roth der Freiheit oder auch des Krieges, er- neuerten, denn Roth war einst die Kriegsfarbe der Kaiserlichen gewesen; die Eifrigsten aber wollten von solchen historischen Erinnerungen nichts hören und meinten kurzab: aus der Knechtschaft Nacht durch blutigen Kampf
II. 6. Die Burſchenſchaft.
Bereits im Sommer 1814 hatte ſich in Jena eine Wehrſchaft ge- bildet, die ihre Leute durch ritterliche Uebungen für den vaterländiſchen Waffendienſt vorbereitete. Im folgenden Frühjahr traten dann die Mit- glieder von zwei Landsmannſchaften, die des ſchalen alten Treibens müde waren, mit einigen Wilden zuſammen, und am 12. Juni 1815 ward die neue Burſchenſchaft, nach altem Jenenſer Brauch, durch einen feierlichen Aufzug über den Marktplatz eröffnet. An der Spitze ſtanden zwei Theologen aus Mecklenburg, Horn und Riemann, und ein begeiſterter Schüler von Fries, Scheidler aus Gotha, durchweg ſtattliche, brave junge Männer, die ſich im Kriege tapfer geſchlagen hatten. Der erſte Sprecher, Karl Horn, der ſpäterhin als Lehrer Fritz Reuters weiteren Kreiſen be- kannt wurde, blieb bis ins hohe Alter dem Enthuſiasmus ſeiner Jugend treu und ſtarb in dem frommen Glauben, daß er mit der Stiftung der Burſchenſchaft „ein Werk des Herrn“ gethan habe. Die neue Verbin- dung brach ſofort mit allen Unſitten des Pennalismus und wurde nach rein demokratiſchen Grundſätzen durch einen freigewählten Ausſchuß und Vorſtand regiert; ihr Ehrengericht brachte die Duelle auf eine beſcheidene Zahl herab und wachte ſtreng über ehrenhafter Sitte.
Schon ein Jahr nach der Stiftung hatten ſich alle anderen Ver- bindungen in Jena aufgelöſt, und die Burſchenſchaft erſchien nunmehr wirklich, wie ſie es wollte, als ein Bund der geſammten chriſtlich-deutſchen Studentenſchaft. In dieſen erſten Tagen herrſchte noch durchaus der gute Ton einer warmen vaterländiſchen Begeiſterung. Welch ein Abſtand gegen die Roheit früherer Tage, wenn die Burſchen jetzt als Bundesge- ſang das mächtige Lied von Arndt anſtimmten:
Wem ſoll der erſte Dank erſchallen? Dem Gott, der groß und wunderbar Aus langer Schande Nacht uns Allen In Flammen aufgegangen war, Der unſrer Feinde Trotz zerblitzet, Der unſre Kraft uns ſchön erneut Und auf den Sternen waltend ſitzet Von Ewigkeit zu Ewigkeit!
Zum Feldzeichen ihres Bundes und der deutſchen Einheit, die er ſym- boliſch darſtellen ſollte, nahmen die Burſchen auf Jahns Vorſchlag ein ſchwarzrothgoldenes Banner an. Es waren die Uniformfarben der Lü- tzower Freiſchaar, die auch eine goldgeſtickte ſchwarzrothe Fahne geführt hatte. Einzelne Burſchenſchafter ſtellten freilich die kühne Behauptung auf: daß ſich in dieſem Banner die ſchwarzgelben Farben des alten Reichs, verſchönt durch das Roth der Freiheit oder auch des Krieges, er- neuerten, denn Roth war einſt die Kriegsfarbe der Kaiſerlichen geweſen; die Eifrigſten aber wollten von ſolchen hiſtoriſchen Erinnerungen nichts hören und meinten kurzab: aus der Knechtſchaft Nacht durch blutigen Kampf
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II. 6. Die Burſchenſchaft.
Bereits im Sommer 1814 hatte ſich in Jena eine Wehrſchaft ge-
bildet, die ihre Leute durch ritterliche Uebungen für den vaterländiſchen
Waffendienſt vorbereitete. Im folgenden Frühjahr traten dann die Mit-
glieder von zwei Landsmannſchaften, die des ſchalen alten Treibens
müde waren, mit einigen Wilden zuſammen, und am 12. Juni 1815
ward die neue Burſchenſchaft, nach altem Jenenſer Brauch, durch einen
feierlichen Aufzug über den Marktplatz eröffnet. An der Spitze ſtanden
zwei Theologen aus Mecklenburg, Horn und Riemann, und ein begeiſterter
Schüler von Fries, Scheidler aus Gotha, durchweg ſtattliche, brave junge
Männer, die ſich im Kriege tapfer geſchlagen hatten. Der erſte Sprecher,
Karl Horn, der ſpäterhin als Lehrer Fritz Reuters weiteren Kreiſen be-
kannt wurde, blieb bis ins hohe Alter dem Enthuſiasmus ſeiner Jugend
treu und ſtarb in dem frommen Glauben, daß er mit der Stiftung der
Burſchenſchaft „ein Werk des Herrn“ gethan habe. Die neue Verbin-
dung brach ſofort mit allen Unſitten des Pennalismus und wurde nach
rein demokratiſchen Grundſätzen durch einen freigewählten Ausſchuß und
Vorſtand regiert; ihr Ehrengericht brachte die Duelle auf eine beſcheidene
Zahl herab und wachte ſtreng über ehrenhafter Sitte.
Schon ein Jahr nach der Stiftung hatten ſich alle anderen Ver-
bindungen in Jena aufgelöſt, und die Burſchenſchaft erſchien nunmehr
wirklich, wie ſie es wollte, als ein Bund der geſammten chriſtlich-deutſchen
Studentenſchaft. In dieſen erſten Tagen herrſchte noch durchaus der
gute Ton einer warmen vaterländiſchen Begeiſterung. Welch ein Abſtand
gegen die Roheit früherer Tage, wenn die Burſchen jetzt als Bundesge-
ſang das mächtige Lied von Arndt anſtimmten:
Wem ſoll der erſte Dank erſchallen?
Dem Gott, der groß und wunderbar
Aus langer Schande Nacht uns Allen
In Flammen aufgegangen war,
Der unſrer Feinde Trotz zerblitzet,
Der unſre Kraft uns ſchön erneut
Und auf den Sternen waltend ſitzet
Von Ewigkeit zu Ewigkeit!
Zum Feldzeichen ihres Bundes und der deutſchen Einheit, die er ſym-
boliſch darſtellen ſollte, nahmen die Burſchen auf Jahns Vorſchlag ein
ſchwarzrothgoldenes Banner an. Es waren die Uniformfarben der Lü-
tzower Freiſchaar, die auch eine goldgeſtickte ſchwarzrothe Fahne geführt
hatte. Einzelne Burſchenſchafter ſtellten freilich die kühne Behauptung
auf: daß ſich in dieſem Banner die ſchwarzgelben Farben des alten
Reichs, verſchönt durch das Roth der Freiheit oder auch des Krieges, er-
neuerten, denn Roth war einſt die Kriegsfarbe der Kaiſerlichen geweſen; die
Eifrigſten aber wollten von ſolchen hiſtoriſchen Erinnerungen nichts hören
und meinten kurzab: aus der Knechtſchaft Nacht durch blutigen Kampf
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte02_1882/436>, abgerufen am 25.11.2024.
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