tischen Angelegenheiten öfters einzuholen pflegte, und fühlte sich zudem in seiner fürstlichen Ehre gekränkt; denn nach der josephinischen Doctrin des badischen Beamtenthums gehörte die Ernennung der Bischöfe zu den un- veräußerlichen Hoheitsrechten des Landesherrn. Obwohl der träge Hacke von dem Streite abrieth, so entschloß sich der Fürst doch auf Marschalls Rath,*) in einem scharfen Antwortschreiben seine vermeintlichen Rechte zu verwahren und den Angeschuldigten zu vertheidigen (16. Juni).
Wessenberg aber meinte jetzt den Augenblick einer großen Ent- scheidung gekommen. Ausgerüstet mit einem Empfehlungsbriefe seines Hofes ging er selbst nach Rom; er hoffte, wie er offen aussprach, ent- weder den Papst durch die Macht seiner persönlichen Erscheinung umzu- stimmen oder durch seinen Mißerfolg die öffentliche Meinung der Nation zu einem tapferen Entschlusse aufzurütteln. Seine ungeschickten Lobredner, deren er in der Presse nur allzu viele besaß, versäumten auch nicht, diese Romfahrt mit der Wormser Reise Martin Luthers zu vergleichen, obgleich dieser neue Luther unter dem mächtigen Schutze der österreichi- schen Gesandtschaft stand und im Palazzo di Venezia jederzeit ein sicheres Obdach finden konnte. Im Vatican empfing man den deutschen Idea- listen mit der geringschätzigen Ruhe einer alten Weltmacht, die längst daran gewöhnt ist, immer einige ihrer zahllosen Diöcesen in Unordnung zu sehen. Bei dem Papste ward er nicht vorgelassen. Cardinal Consalvi führte die Verhandlung, kühl und klug wie immer, und legte dem Prä- laten einen Widerruf vor, der nach römischer Anschauung sehr mild ge- halten war: Wessenberg sollte einfach mißbilligen was Se. Heiligkeit miß- billigt habe. Einige Monate hindurch wurden dann noch Anklagen und Vertheidigungsschriften zwischen den Beiden gewechselt. Consalvi blieb unerschütterlich. Wessenberg hatte sein Spiel verloren, denn er wollte weder dem Beispiele seines geliebten Fenelon folgen und einen Widerruf leisten, "der ihn zur Knechtschaft gegen die römische Curie verpflichtet hätte," noch sich lossagen von seiner heiligen Kirche. Am 16. Dec. theilte er dem Cardinal mit, er gehe jetzt nach Baden zurück und überlasse das Weitere seinem Landesherrn.
Daheim empfingen ihn manche Zeichen warmer Zustimmung. Fast sein gesammter Clerus blieb ihm treu ergeben; die Beamten, denen die Kirchenpolitik der süddeutschen Kleinstaaten anvertraut war, standen alle auf seiner Seite, so Werkmeister in Württemberg, Koch in Nassau, des- gleichen Klübers streitbare Feder und die große Mehrzahl der Zeitungs- artikel und Flugschriften, die sich des Falles bemächtigten. Aber von einer stürmischen Volksbewegung zeigte sich keine Spur; wie sollte die weichmüthige Halbheit starke Leidenschaften erwecken? Die badische Re- gierung ließ den Verfolgten die Verwaltung seiner Diöcese unangefochten
*) Varnhagens Bericht, 1. Juli 1817.
II. 6. Süddeutſche Verfaſſungskämpfe.
tiſchen Angelegenheiten öfters einzuholen pflegte, und fühlte ſich zudem in ſeiner fürſtlichen Ehre gekränkt; denn nach der joſephiniſchen Doctrin des badiſchen Beamtenthums gehörte die Ernennung der Biſchöfe zu den un- veräußerlichen Hoheitsrechten des Landesherrn. Obwohl der träge Hacke von dem Streite abrieth, ſo entſchloß ſich der Fürſt doch auf Marſchalls Rath,*) in einem ſcharfen Antwortſchreiben ſeine vermeintlichen Rechte zu verwahren und den Angeſchuldigten zu vertheidigen (16. Juni).
Weſſenberg aber meinte jetzt den Augenblick einer großen Ent- ſcheidung gekommen. Ausgerüſtet mit einem Empfehlungsbriefe ſeines Hofes ging er ſelbſt nach Rom; er hoffte, wie er offen ausſprach, ent- weder den Papſt durch die Macht ſeiner perſönlichen Erſcheinung umzu- ſtimmen oder durch ſeinen Mißerfolg die öffentliche Meinung der Nation zu einem tapferen Entſchluſſe aufzurütteln. Seine ungeſchickten Lobredner, deren er in der Preſſe nur allzu viele beſaß, verſäumten auch nicht, dieſe Romfahrt mit der Wormſer Reiſe Martin Luthers zu vergleichen, obgleich dieſer neue Luther unter dem mächtigen Schutze der öſterreichi- ſchen Geſandtſchaft ſtand und im Palazzo di Venezia jederzeit ein ſicheres Obdach finden konnte. Im Vatican empfing man den deutſchen Idea- liſten mit der geringſchätzigen Ruhe einer alten Weltmacht, die längſt daran gewöhnt iſt, immer einige ihrer zahlloſen Diöceſen in Unordnung zu ſehen. Bei dem Papſte ward er nicht vorgelaſſen. Cardinal Conſalvi führte die Verhandlung, kühl und klug wie immer, und legte dem Prä- laten einen Widerruf vor, der nach römiſcher Anſchauung ſehr mild ge- halten war: Weſſenberg ſollte einfach mißbilligen was Se. Heiligkeit miß- billigt habe. Einige Monate hindurch wurden dann noch Anklagen und Vertheidigungsſchriften zwiſchen den Beiden gewechſelt. Conſalvi blieb unerſchütterlich. Weſſenberg hatte ſein Spiel verloren, denn er wollte weder dem Beiſpiele ſeines geliebten Fenelon folgen und einen Widerruf leiſten, „der ihn zur Knechtſchaft gegen die römiſche Curie verpflichtet hätte,“ noch ſich losſagen von ſeiner heiligen Kirche. Am 16. Dec. theilte er dem Cardinal mit, er gehe jetzt nach Baden zurück und überlaſſe das Weitere ſeinem Landesherrn.
Daheim empfingen ihn manche Zeichen warmer Zuſtimmung. Faſt ſein geſammter Clerus blieb ihm treu ergeben; die Beamten, denen die Kirchenpolitik der ſüddeutſchen Kleinſtaaten anvertraut war, ſtanden alle auf ſeiner Seite, ſo Werkmeiſter in Württemberg, Koch in Naſſau, des- gleichen Klübers ſtreitbare Feder und die große Mehrzahl der Zeitungs- artikel und Flugſchriften, die ſich des Falles bemächtigten. Aber von einer ſtürmiſchen Volksbewegung zeigte ſich keine Spur; wie ſollte die weichmüthige Halbheit ſtarke Leidenſchaften erwecken? Die badiſche Re- gierung ließ den Verfolgten die Verwaltung ſeiner Diöceſe unangefochten
*) Varnhagens Bericht, 1. Juli 1817.
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tiſchen Angelegenheiten öfters einzuholen pflegte, und fühlte ſich zudem in
ſeiner fürſtlichen Ehre gekränkt; denn nach der joſephiniſchen Doctrin des
badiſchen Beamtenthums gehörte die Ernennung der Biſchöfe zu den un-
veräußerlichen Hoheitsrechten des Landesherrn. Obwohl der träge Hacke
von dem Streite abrieth, ſo entſchloß ſich der Fürſt doch auf Marſchalls
Rath, *) in einem ſcharfen Antwortſchreiben ſeine vermeintlichen Rechte
zu verwahren und den Angeſchuldigten zu vertheidigen (16. Juni).
Weſſenberg aber meinte jetzt den Augenblick einer großen Ent-
ſcheidung gekommen. Ausgerüſtet mit einem Empfehlungsbriefe ſeines
Hofes ging er ſelbſt nach Rom; er hoffte, wie er offen ausſprach, ent-
weder den Papſt durch die Macht ſeiner perſönlichen Erſcheinung umzu-
ſtimmen oder durch ſeinen Mißerfolg die öffentliche Meinung der Nation zu
einem tapferen Entſchluſſe aufzurütteln. Seine ungeſchickten Lobredner,
deren er in der Preſſe nur allzu viele beſaß, verſäumten auch nicht,
dieſe Romfahrt mit der Wormſer Reiſe Martin Luthers zu vergleichen,
obgleich dieſer neue Luther unter dem mächtigen Schutze der öſterreichi-
ſchen Geſandtſchaft ſtand und im Palazzo di Venezia jederzeit ein ſicheres
Obdach finden konnte. Im Vatican empfing man den deutſchen Idea-
liſten mit der geringſchätzigen Ruhe einer alten Weltmacht, die längſt daran
gewöhnt iſt, immer einige ihrer zahlloſen Diöceſen in Unordnung zu
ſehen. Bei dem Papſte ward er nicht vorgelaſſen. Cardinal Conſalvi
führte die Verhandlung, kühl und klug wie immer, und legte dem Prä-
laten einen Widerruf vor, der nach römiſcher Anſchauung ſehr mild ge-
halten war: Weſſenberg ſollte einfach mißbilligen was Se. Heiligkeit miß-
billigt habe. Einige Monate hindurch wurden dann noch Anklagen und
Vertheidigungsſchriften zwiſchen den Beiden gewechſelt. Conſalvi blieb
unerſchütterlich. Weſſenberg hatte ſein Spiel verloren, denn er wollte
weder dem Beiſpiele ſeines geliebten Fenelon folgen und einen Widerruf
leiſten, „der ihn zur Knechtſchaft gegen die römiſche Curie verpflichtet hätte,“
noch ſich losſagen von ſeiner heiligen Kirche. Am 16. Dec. theilte er dem
Cardinal mit, er gehe jetzt nach Baden zurück und überlaſſe das Weitere
ſeinem Landesherrn.
Daheim empfingen ihn manche Zeichen warmer Zuſtimmung. Faſt
ſein geſammter Clerus blieb ihm treu ergeben; die Beamten, denen die
Kirchenpolitik der ſüddeutſchen Kleinſtaaten anvertraut war, ſtanden alle
auf ſeiner Seite, ſo Werkmeiſter in Württemberg, Koch in Naſſau, des-
gleichen Klübers ſtreitbare Feder und die große Mehrzahl der Zeitungs-
artikel und Flugſchriften, die ſich des Falles bemächtigten. Aber von
einer ſtürmiſchen Volksbewegung zeigte ſich keine Spur; wie ſollte die
weichmüthige Halbheit ſtarke Leidenſchaften erwecken? Die badiſche Re-
gierung ließ den Verfolgten die Verwaltung ſeiner Diöceſe unangefochten
*) Varnhagens Bericht, 1. Juli 1817.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte02_1882/380>, abgerufen am 25.11.2024.
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