konnten das Ansehen des bairischen Hofs bei den großen Mächten, das ohnehin seit dem Hervortreten der pfälzischen Eroberungspläne tief ge- sunken war, nicht erhöhen; jedoch dem Papste gegenüber stand Baiern im Vortheil. Die Curie war in ihren eigenen Netzen gefangen; sie hatte selber gehofft, die Veröffentlichung des Concordats als eines Staatsge- setzes könne ihr zum Nutzen gereichen, und sah sich nun fast wehrlos, als dies Staatsgesetz durch ein anderes Gesetz von Rechtswegen einge- schränkt wurde. Das große Publikum blieb ohne nähere Kenntniß von allen den häßlichen Wendungen dieser verworrenen Händel und freute sich unbefangen des Sieges der weltlichen Gewalt. Einige Monate lang genoß Baiern die wohlfeile Freude, von der gesammten deutschen Presse als der liberalste aller deutschen Staaten verherrlicht zu werden.
In Baiern befreite die Erfüllung des Art. 13 den weltlichen Arm von der Last des Concordats, in Baden rettete sie den Bestand des Staates selber. Schon seit einigen Jahren befand sich das junge Groß- herzogthum in einem gefährlichen Zustande arger Zerrüttung, und fast schien es als sollte dies künstliche Staatsgebilde ebenso schnell wie es entstanden war wieder verschwinden. Das alte Haus der Zähringer hatte einst weithin am Oberrhein bis in das schweizerische Uechtland hinauf geherrscht und mit den Staufern um die schwäbische Herzogs- würde gerungen; seine Städtegründungen Bern und die beiden Frei- burg erzählten von seinem Ruhme. Aber schon im dreizehnten Jahr- hundert begann der Verfall, die Zähringer sanken zurück in die Reihe der kleinen Dynasten. Als Markgraf Karl Friedrich von Baden-Durlach um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts die Herrschaft antrat, gebot er über ein Ländchen von kaum dreißig Geviertmeilen, das von der Schweizer Grenze bis über Karlsruhe hinab in mehreren Stücken zer- streut lag und zum Reichsheere ein Simplum von 95 Mann stellte. Als seine zweiundsechzigjährige Regierung im Jahre 1811 zu Ende ging, hatte sich das Gebiet fast verzehnfacht. Zuerst wurde das katholische Baden-Baden mit dem lutherischen Durlach vereinigt; dann schüttete Napoleon das buntscheckige rechtsrheinische Ufergelände von Constanz bis Mannheim zu einem seltsamen Staate zusammen, der sechzig Meilen lang am Rheine hingedehnt, an seiner schmalsten Stelle nur zwei Meilen breit, fast allein aus Grenzbezirken bestand. Die vorderösterreichischen Landschaften Nellenburg, Breisgau, Ortenau, die rechtsrheinische Jung- pfalz und Bruchstücke der Bisthümer Constanz, Straßburg, Speier wurden mit zahllosen kleineren Gebieten von Fürsten, Grafen, Reichsrittern und Reichsstädten zusammengeworfen. Zwei Drittel der Unterthanen der pro- testantischen Dynastie waren katholisch, fast ein Drittel des Landes gehörte
II. 6. Süddeutſche Verfaſſungskämpfe.
konnten das Anſehen des bairiſchen Hofs bei den großen Mächten, das ohnehin ſeit dem Hervortreten der pfälziſchen Eroberungspläne tief ge- ſunken war, nicht erhöhen; jedoch dem Papſte gegenüber ſtand Baiern im Vortheil. Die Curie war in ihren eigenen Netzen gefangen; ſie hatte ſelber gehofft, die Veröffentlichung des Concordats als eines Staatsge- ſetzes könne ihr zum Nutzen gereichen, und ſah ſich nun faſt wehrlos, als dies Staatsgeſetz durch ein anderes Geſetz von Rechtswegen einge- ſchränkt wurde. Das große Publikum blieb ohne nähere Kenntniß von allen den häßlichen Wendungen dieſer verworrenen Händel und freute ſich unbefangen des Sieges der weltlichen Gewalt. Einige Monate lang genoß Baiern die wohlfeile Freude, von der geſammten deutſchen Preſſe als der liberalſte aller deutſchen Staaten verherrlicht zu werden.
In Baiern befreite die Erfüllung des Art. 13 den weltlichen Arm von der Laſt des Concordats, in Baden rettete ſie den Beſtand des Staates ſelber. Schon ſeit einigen Jahren befand ſich das junge Groß- herzogthum in einem gefährlichen Zuſtande arger Zerrüttung, und faſt ſchien es als ſollte dies künſtliche Staatsgebilde ebenſo ſchnell wie es entſtanden war wieder verſchwinden. Das alte Haus der Zähringer hatte einſt weithin am Oberrhein bis in das ſchweizeriſche Uechtland hinauf geherrſcht und mit den Staufern um die ſchwäbiſche Herzogs- würde gerungen; ſeine Städtegründungen Bern und die beiden Frei- burg erzählten von ſeinem Ruhme. Aber ſchon im dreizehnten Jahr- hundert begann der Verfall, die Zähringer ſanken zurück in die Reihe der kleinen Dynaſten. Als Markgraf Karl Friedrich von Baden-Durlach um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts die Herrſchaft antrat, gebot er über ein Ländchen von kaum dreißig Geviertmeilen, das von der Schweizer Grenze bis über Karlsruhe hinab in mehreren Stücken zer- ſtreut lag und zum Reichsheere ein Simplum von 95 Mann ſtellte. Als ſeine zweiundſechzigjährige Regierung im Jahre 1811 zu Ende ging, hatte ſich das Gebiet faſt verzehnfacht. Zuerſt wurde das katholiſche Baden-Baden mit dem lutheriſchen Durlach vereinigt; dann ſchüttete Napoleon das buntſcheckige rechtsrheiniſche Ufergelände von Conſtanz bis Mannheim zu einem ſeltſamen Staate zuſammen, der ſechzig Meilen lang am Rheine hingedehnt, an ſeiner ſchmalſten Stelle nur zwei Meilen breit, faſt allein aus Grenzbezirken beſtand. Die vorderöſterreichiſchen Landſchaften Nellenburg, Breisgau, Ortenau, die rechtsrheiniſche Jung- pfalz und Bruchſtücke der Bisthümer Conſtanz, Straßburg, Speier wurden mit zahlloſen kleineren Gebieten von Fürſten, Grafen, Reichsrittern und Reichsſtädten zuſammengeworfen. Zwei Drittel der Unterthanen der pro- teſtantiſchen Dynaſtie waren katholiſch, faſt ein Drittel des Landes gehörte
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II. 6. Süddeutſche Verfaſſungskämpfe.
konnten das Anſehen des bairiſchen Hofs bei den großen Mächten, das
ohnehin ſeit dem Hervortreten der pfälziſchen Eroberungspläne tief ge-
ſunken war, nicht erhöhen; jedoch dem Papſte gegenüber ſtand Baiern im
Vortheil. Die Curie war in ihren eigenen Netzen gefangen; ſie hatte
ſelber gehofft, die Veröffentlichung des Concordats als eines Staatsge-
ſetzes könne ihr zum Nutzen gereichen, und ſah ſich nun faſt wehrlos,
als dies Staatsgeſetz durch ein anderes Geſetz von Rechtswegen einge-
ſchränkt wurde. Das große Publikum blieb ohne nähere Kenntniß von
allen den häßlichen Wendungen dieſer verworrenen Händel und freute
ſich unbefangen des Sieges der weltlichen Gewalt. Einige Monate lang
genoß Baiern die wohlfeile Freude, von der geſammten deutſchen Preſſe
als der liberalſte aller deutſchen Staaten verherrlicht zu werden.
In Baiern befreite die Erfüllung des Art. 13 den weltlichen Arm
von der Laſt des Concordats, in Baden rettete ſie den Beſtand des
Staates ſelber. Schon ſeit einigen Jahren befand ſich das junge Groß-
herzogthum in einem gefährlichen Zuſtande arger Zerrüttung, und faſt
ſchien es als ſollte dies künſtliche Staatsgebilde ebenſo ſchnell wie es
entſtanden war wieder verſchwinden. Das alte Haus der Zähringer
hatte einſt weithin am Oberrhein bis in das ſchweizeriſche Uechtland
hinauf geherrſcht und mit den Staufern um die ſchwäbiſche Herzogs-
würde gerungen; ſeine Städtegründungen Bern und die beiden Frei-
burg erzählten von ſeinem Ruhme. Aber ſchon im dreizehnten Jahr-
hundert begann der Verfall, die Zähringer ſanken zurück in die Reihe
der kleinen Dynaſten. Als Markgraf Karl Friedrich von Baden-Durlach
um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts die Herrſchaft antrat, gebot
er über ein Ländchen von kaum dreißig Geviertmeilen, das von der
Schweizer Grenze bis über Karlsruhe hinab in mehreren Stücken zer-
ſtreut lag und zum Reichsheere ein Simplum von 95 Mann ſtellte.
Als ſeine zweiundſechzigjährige Regierung im Jahre 1811 zu Ende ging,
hatte ſich das Gebiet faſt verzehnfacht. Zuerſt wurde das katholiſche
Baden-Baden mit dem lutheriſchen Durlach vereinigt; dann ſchüttete
Napoleon das buntſcheckige rechtsrheiniſche Ufergelände von Conſtanz bis
Mannheim zu einem ſeltſamen Staate zuſammen, der ſechzig Meilen
lang am Rheine hingedehnt, an ſeiner ſchmalſten Stelle nur zwei Meilen
breit, faſt allein aus Grenzbezirken beſtand. Die vorderöſterreichiſchen
Landſchaften Nellenburg, Breisgau, Ortenau, die rechtsrheiniſche Jung-
pfalz und Bruchſtücke der Bisthümer Conſtanz, Straßburg, Speier wurden
mit zahlloſen kleineren Gebieten von Fürſten, Grafen, Reichsrittern und
Reichsſtädten zuſammengeworfen. Zwei Drittel der Unterthanen der pro-
teſtantiſchen Dynaſtie waren katholiſch, faſt ein Drittel des Landes gehörte
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte02_1882/368>, abgerufen am 25.11.2024.
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