den Staatsmann, der ihm die Königskrone errungen hatte, in den schnö- desten Formen, ganz nach dem Brauche jener launischen altwürttember- gischen Despoten, die ihre Günstlinge mit einem theatralischen Fußtritt zu beseitigen pflegten. Um Mittag empfing der Minister statt des er- warteten königlichen Besuchs ein Handschreiben, das ihm mit dürren Worten den Abschied gab. Der Schlag fiel so unvermuthet, daß die Münchener anfangs meinten, der allmächtige Minister müsse ein Staats- verbrechen begangen haben. Der Kronprinz aber triumphirte laut und sagte zu dem preußischen Gesandten: "so ist meine Krankheit doch zu etwas gut gewesen." Das ganze Land athmete auf bei dem Sturze des verhaßten Bureaukraten. Auch die beiden Großmächte verbargen ihre Freude nicht; auf Befehl Hardenbergs mußte Küster die lebhafte Be- friedigung seines Hofes aussprechen.*)
Der Erfolg der Katastrophe war zweischneidig: sie beseitigte das schwerste Hinderniß des Verfassungswerks, aber auch die einzige Kraft, welche den unseligen Concordatsverhandlungen noch eine leidliche Wen- dung geben konnte. Die Clericalen sahen sich eines furchtbaren Feindes entledigt, jedoch zur Herrschaft gelangten sie nicht. Noch am nächsten stand ihnen der neue Minister des Auswärtigen, Graf Aloys Rechberg; für das Finanzwesen dagegen ward Frhr. v. Lerchenfeld berufen, ein offener Gegner der römischen Ansprüche und eifriger Förderer der Verfassungs- arbeit; der Minister des Innern Graf Thürheim, ein bekehrter Illu- minat, zeigte sich schwach und unfähig. Zudem erhielten die General- directoren der Ministerien jetzt erweiterte Befugnisse, so daß sie fast wie Mitglieder des Cabinets erschienen; auch Wrede und der Generalsekretär Kobell mischten sich beständig ein. Kein Wunder, daß der alte Häffelin in Rom unter dieser steuerlosen Regierung sich nicht mehr zu helfen wußte. Wohl erhielt er von Thürheim eine scharfe, noch unter Mont- gelas verfaßte Instruction, welche das Recht des Staates die äußeren Rechtsverhältnisse der Kirche selbständig zu ordnen nachdrücklich verwahrte; aber er meinte an diese Weisung nicht ernstlich gebunden zu sein seit der Wind in München umgeschlagen war. Schritt für Schritt ließ er sich in die Enge treiben; der Günstling der Bourbonen, Graf Blacas, der ebenfalls in Rom wegen eines Concordats unterhandelte, ermahnte den Baiern zur Nachgiebigkeit. Am 5. Juni unterzeichnete Häffelin, seinen Instructionen zuwider, ein Concordat, das allen Hoffnungen der Ultramontanen genügte; gleich im Eingang war die übermüthigste For- derung des Vaticans zugestanden: die römische Kirche sollte aller der Rechte theilhaftig werden, welche ihr nach Gottes Ordnung und den ka- nonischen Vorschriften gebühren.
Als die unbegreifliche Nachricht in München eintraf, wollten die
den Staatsmann, der ihm die Königskrone errungen hatte, in den ſchnö- deſten Formen, ganz nach dem Brauche jener launiſchen altwürttember- giſchen Despoten, die ihre Günſtlinge mit einem theatraliſchen Fußtritt zu beſeitigen pflegten. Um Mittag empfing der Miniſter ſtatt des er- warteten königlichen Beſuchs ein Handſchreiben, das ihm mit dürren Worten den Abſchied gab. Der Schlag fiel ſo unvermuthet, daß die Münchener anfangs meinten, der allmächtige Miniſter müſſe ein Staats- verbrechen begangen haben. Der Kronprinz aber triumphirte laut und ſagte zu dem preußiſchen Geſandten: „ſo iſt meine Krankheit doch zu etwas gut geweſen.“ Das ganze Land athmete auf bei dem Sturze des verhaßten Bureaukraten. Auch die beiden Großmächte verbargen ihre Freude nicht; auf Befehl Hardenbergs mußte Küſter die lebhafte Be- friedigung ſeines Hofes ausſprechen.*)
Der Erfolg der Kataſtrophe war zweiſchneidig: ſie beſeitigte das ſchwerſte Hinderniß des Verfaſſungswerks, aber auch die einzige Kraft, welche den unſeligen Concordatsverhandlungen noch eine leidliche Wen- dung geben konnte. Die Clericalen ſahen ſich eines furchtbaren Feindes entledigt, jedoch zur Herrſchaft gelangten ſie nicht. Noch am nächſten ſtand ihnen der neue Miniſter des Auswärtigen, Graf Aloys Rechberg; für das Finanzweſen dagegen ward Frhr. v. Lerchenfeld berufen, ein offener Gegner der römiſchen Anſprüche und eifriger Förderer der Verfaſſungs- arbeit; der Miniſter des Innern Graf Thürheim, ein bekehrter Illu- minat, zeigte ſich ſchwach und unfähig. Zudem erhielten die General- directoren der Miniſterien jetzt erweiterte Befugniſſe, ſo daß ſie faſt wie Mitglieder des Cabinets erſchienen; auch Wrede und der Generalſekretär Kobell miſchten ſich beſtändig ein. Kein Wunder, daß der alte Häffelin in Rom unter dieſer ſteuerloſen Regierung ſich nicht mehr zu helfen wußte. Wohl erhielt er von Thürheim eine ſcharfe, noch unter Mont- gelas verfaßte Inſtruction, welche das Recht des Staates die äußeren Rechtsverhältniſſe der Kirche ſelbſtändig zu ordnen nachdrücklich verwahrte; aber er meinte an dieſe Weiſung nicht ernſtlich gebunden zu ſein ſeit der Wind in München umgeſchlagen war. Schritt für Schritt ließ er ſich in die Enge treiben; der Günſtling der Bourbonen, Graf Blacas, der ebenfalls in Rom wegen eines Concordats unterhandelte, ermahnte den Baiern zur Nachgiebigkeit. Am 5. Juni unterzeichnete Häffelin, ſeinen Inſtructionen zuwider, ein Concordat, das allen Hoffnungen der Ultramontanen genügte; gleich im Eingang war die übermüthigſte For- derung des Vaticans zugeſtanden: die römiſche Kirche ſollte aller der Rechte theilhaftig werden, welche ihr nach Gottes Ordnung und den ka- noniſchen Vorſchriften gebühren.
Als die unbegreifliche Nachricht in München eintraf, wollten die
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II. 6. Süddeutſche Verfaſſungskämpfe.
den Staatsmann, der ihm die Königskrone errungen hatte, in den ſchnö-
deſten Formen, ganz nach dem Brauche jener launiſchen altwürttember-
giſchen Despoten, die ihre Günſtlinge mit einem theatraliſchen Fußtritt
zu beſeitigen pflegten. Um Mittag empfing der Miniſter ſtatt des er-
warteten königlichen Beſuchs ein Handſchreiben, das ihm mit dürren
Worten den Abſchied gab. Der Schlag fiel ſo unvermuthet, daß die
Münchener anfangs meinten, der allmächtige Miniſter müſſe ein Staats-
verbrechen begangen haben. Der Kronprinz aber triumphirte laut und
ſagte zu dem preußiſchen Geſandten: „ſo iſt meine Krankheit doch zu
etwas gut geweſen.“ Das ganze Land athmete auf bei dem Sturze des
verhaßten Bureaukraten. Auch die beiden Großmächte verbargen ihre
Freude nicht; auf Befehl Hardenbergs mußte Küſter die lebhafte Be-
friedigung ſeines Hofes ausſprechen. *)
Der Erfolg der Kataſtrophe war zweiſchneidig: ſie beſeitigte das
ſchwerſte Hinderniß des Verfaſſungswerks, aber auch die einzige Kraft,
welche den unſeligen Concordatsverhandlungen noch eine leidliche Wen-
dung geben konnte. Die Clericalen ſahen ſich eines furchtbaren Feindes
entledigt, jedoch zur Herrſchaft gelangten ſie nicht. Noch am nächſten
ſtand ihnen der neue Miniſter des Auswärtigen, Graf Aloys Rechberg; für
das Finanzweſen dagegen ward Frhr. v. Lerchenfeld berufen, ein offener
Gegner der römiſchen Anſprüche und eifriger Förderer der Verfaſſungs-
arbeit; der Miniſter des Innern Graf Thürheim, ein bekehrter Illu-
minat, zeigte ſich ſchwach und unfähig. Zudem erhielten die General-
directoren der Miniſterien jetzt erweiterte Befugniſſe, ſo daß ſie faſt wie
Mitglieder des Cabinets erſchienen; auch Wrede und der Generalſekretär
Kobell miſchten ſich beſtändig ein. Kein Wunder, daß der alte Häffelin
in Rom unter dieſer ſteuerloſen Regierung ſich nicht mehr zu helfen
wußte. Wohl erhielt er von Thürheim eine ſcharfe, noch unter Mont-
gelas verfaßte Inſtruction, welche das Recht des Staates die äußeren
Rechtsverhältniſſe der Kirche ſelbſtändig zu ordnen nachdrücklich verwahrte;
aber er meinte an dieſe Weiſung nicht ernſtlich gebunden zu ſein ſeit
der Wind in München umgeſchlagen war. Schritt für Schritt ließ er
ſich in die Enge treiben; der Günſtling der Bourbonen, Graf Blacas,
der ebenfalls in Rom wegen eines Concordats unterhandelte, ermahnte
den Baiern zur Nachgiebigkeit. Am 5. Juni unterzeichnete Häffelin,
ſeinen Inſtructionen zuwider, ein Concordat, das allen Hoffnungen der
Ultramontanen genügte; gleich im Eingang war die übermüthigſte For-
derung des Vaticans zugeſtanden: die römiſche Kirche ſollte aller der
Rechte theilhaftig werden, welche ihr nach Gottes Ordnung und den ka-
noniſchen Vorſchriften gebühren.
Als die unbegreifliche Nachricht in München eintraf, wollten die
*) Küſters Berichte, 12., 16. Febr.; Hardenbergs Weiſung 4. März 1817.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte02_1882/362>, abgerufen am 15.08.2024.
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