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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882.

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Dalberg und Wessenberg.
seine Huldigung darbrachte. Der Entthronte zog sich sodann in sein
Bisthum Regensburg zurück und verbrachte dort noch die zwei Jahre
bis zu seinem Tode (Febr. 1817) in apostolischer Einfachheit, ganz den
Pflichten des geistlichen Amts und der christlichen Barmherzigkeit dahin-
gegeben. Manchen politischen Gegner versöhnte der heitere Gleichmuth
des freundlichen Alten; die eigenthümliche Anmuth dieses aus Begeisterung,
Eitelkeit und Zagheit so seltsam gemischten Geistes erschien am Abend seines
Lebens fast noch unwiderstehlicher als vor Jahren, da Schiller und
W. Humboldt sich seines Umgangs gefreut hatten. Aber mit seiner
Landeshoheit war auch sein Primat unrettbar verloren; einem bairischen
Unterthan und Landesbischof wollte kein deutscher Staat die Rechte eines
deutschen Oberhirten zugestehen, am wenigsten Preußen, das den rhein-
bündischen Primas-Titel ohnehin nicht für rechtsgiltig ansah. Daher
fand Wessenberg fast überall kühle Aufnahme, als er im Jahre 1815
einige Höfe bereiste und die Diplomaten in Frankfurt für seine national-
kirchlichen Pläne zu gewinnen suchte. Noch nicht entmuthigt, forderte er
im December die deutschen Regierungen auf, sich vor Beginn der rö-
mischen Verhandlungen mindestens über gemeinsame Grundsätze zu ver-
einigen und den Bundestag als obersten Richter in allen Streitfragen
zwischen Staat und Kirche anzuerkennen. Dem Vetter Metternichs und
Bruder des k. k. Geheimen Rathes Wessenberg mochte es wohl unbedenk-
lich erscheinen, wenn die Angelegenheiten preußischer Bischöfe der Mit-
entscheidung des Kaisers von Oesterreich anheimgegeben würden. In
Berlin dachte man anders.

Am Unfreundlichsten aber wurde Wessenberg in München aufge-
nommen: Baiern sei sich selbst genug, hieß es hier kurzab, und werde
keinen weiteren Eingriff in seine Souveränität dulden. Montgelas war
bei seinen kirchenpolitischen Neuerungen in dem bigotten altbairischen
Volke nur schwachem Widerstande begegnet und schloß daraus mit dem
Hochmuthe des glaubenlosen Weltkindes, daß auch die römische Kirche
wenig Lebenskraft mehr besitze. Die Hoffart der Aufklärung verleitete
den klugen Mann zu einem Irrthum, der allerdings von den meisten
Staatsmännern jener Zeit getheilt wurde, aber diesem geharnischten
Vertreter der Staatsallmacht am übelsten anstand. Er hoffte von dem
Papste nicht blos eine Circumscriptionsbulle zu erlangen, welche die
Grenzen der neuen bairischen Landesbisthümer feststellen sollte. Er hielt
es auch für unbedenklich, das Rechtsverhältniß zwischen Staat und Kirche
durch ein Concordat vertragsmäßig zu ordnen und erkannte nicht, wie schwer
die Souveränität des Staates schon durch den Abschluß eines Concordats
gefährdet wird; denn jeder Staat ist befugt den Umfang seiner eigenen
Hoheitsrechte selbst zu bestimmen und kann sich dies unveräußerliche
Recht nicht durch Verträge mit auswärtigen Mächten schmälern lassen,
am wenigsten durch einen Vertrag mit der Curie, die von jeher alle Zu-

Dalberg und Weſſenberg.
ſeine Huldigung darbrachte. Der Entthronte zog ſich ſodann in ſein
Bisthum Regensburg zurück und verbrachte dort noch die zwei Jahre
bis zu ſeinem Tode (Febr. 1817) in apoſtoliſcher Einfachheit, ganz den
Pflichten des geiſtlichen Amts und der chriſtlichen Barmherzigkeit dahin-
gegeben. Manchen politiſchen Gegner verſöhnte der heitere Gleichmuth
des freundlichen Alten; die eigenthümliche Anmuth dieſes aus Begeiſterung,
Eitelkeit und Zagheit ſo ſeltſam gemiſchten Geiſtes erſchien am Abend ſeines
Lebens faſt noch unwiderſtehlicher als vor Jahren, da Schiller und
W. Humboldt ſich ſeines Umgangs gefreut hatten. Aber mit ſeiner
Landeshoheit war auch ſein Primat unrettbar verloren; einem bairiſchen
Unterthan und Landesbiſchof wollte kein deutſcher Staat die Rechte eines
deutſchen Oberhirten zugeſtehen, am wenigſten Preußen, das den rhein-
bündiſchen Primas-Titel ohnehin nicht für rechtsgiltig anſah. Daher
fand Weſſenberg faſt überall kühle Aufnahme, als er im Jahre 1815
einige Höfe bereiſte und die Diplomaten in Frankfurt für ſeine national-
kirchlichen Pläne zu gewinnen ſuchte. Noch nicht entmuthigt, forderte er
im December die deutſchen Regierungen auf, ſich vor Beginn der rö-
miſchen Verhandlungen mindeſtens über gemeinſame Grundſätze zu ver-
einigen und den Bundestag als oberſten Richter in allen Streitfragen
zwiſchen Staat und Kirche anzuerkennen. Dem Vetter Metternichs und
Bruder des k. k. Geheimen Rathes Weſſenberg mochte es wohl unbedenk-
lich erſcheinen, wenn die Angelegenheiten preußiſcher Biſchöfe der Mit-
entſcheidung des Kaiſers von Oeſterreich anheimgegeben würden. In
Berlin dachte man anders.

Am Unfreundlichſten aber wurde Weſſenberg in München aufge-
nommen: Baiern ſei ſich ſelbſt genug, hieß es hier kurzab, und werde
keinen weiteren Eingriff in ſeine Souveränität dulden. Montgelas war
bei ſeinen kirchenpolitiſchen Neuerungen in dem bigotten altbairiſchen
Volke nur ſchwachem Widerſtande begegnet und ſchloß daraus mit dem
Hochmuthe des glaubenloſen Weltkindes, daß auch die römiſche Kirche
wenig Lebenskraft mehr beſitze. Die Hoffart der Aufklärung verleitete
den klugen Mann zu einem Irrthum, der allerdings von den meiſten
Staatsmännern jener Zeit getheilt wurde, aber dieſem geharniſchten
Vertreter der Staatsallmacht am übelſten anſtand. Er hoffte von dem
Papſte nicht blos eine Circumſcriptionsbulle zu erlangen, welche die
Grenzen der neuen bairiſchen Landesbisthümer feſtſtellen ſollte. Er hielt
es auch für unbedenklich, das Rechtsverhältniß zwiſchen Staat und Kirche
durch ein Concordat vertragsmäßig zu ordnen und erkannte nicht, wie ſchwer
die Souveränität des Staates ſchon durch den Abſchluß eines Concordats
gefährdet wird; denn jeder Staat iſt befugt den Umfang ſeiner eigenen
Hoheitsrechte ſelbſt zu beſtimmen und kann ſich dies unveräußerliche
Recht nicht durch Verträge mit auswärtigen Mächten ſchmälern laſſen,
am wenigſten durch einen Vertrag mit der Curie, die von jeher alle Zu-

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[345/0359] Dalberg und Weſſenberg. ſeine Huldigung darbrachte. Der Entthronte zog ſich ſodann in ſein Bisthum Regensburg zurück und verbrachte dort noch die zwei Jahre bis zu ſeinem Tode (Febr. 1817) in apoſtoliſcher Einfachheit, ganz den Pflichten des geiſtlichen Amts und der chriſtlichen Barmherzigkeit dahin- gegeben. Manchen politiſchen Gegner verſöhnte der heitere Gleichmuth des freundlichen Alten; die eigenthümliche Anmuth dieſes aus Begeiſterung, Eitelkeit und Zagheit ſo ſeltſam gemiſchten Geiſtes erſchien am Abend ſeines Lebens faſt noch unwiderſtehlicher als vor Jahren, da Schiller und W. Humboldt ſich ſeines Umgangs gefreut hatten. Aber mit ſeiner Landeshoheit war auch ſein Primat unrettbar verloren; einem bairiſchen Unterthan und Landesbiſchof wollte kein deutſcher Staat die Rechte eines deutſchen Oberhirten zugeſtehen, am wenigſten Preußen, das den rhein- bündiſchen Primas-Titel ohnehin nicht für rechtsgiltig anſah. Daher fand Weſſenberg faſt überall kühle Aufnahme, als er im Jahre 1815 einige Höfe bereiſte und die Diplomaten in Frankfurt für ſeine national- kirchlichen Pläne zu gewinnen ſuchte. Noch nicht entmuthigt, forderte er im December die deutſchen Regierungen auf, ſich vor Beginn der rö- miſchen Verhandlungen mindeſtens über gemeinſame Grundſätze zu ver- einigen und den Bundestag als oberſten Richter in allen Streitfragen zwiſchen Staat und Kirche anzuerkennen. Dem Vetter Metternichs und Bruder des k. k. Geheimen Rathes Weſſenberg mochte es wohl unbedenk- lich erſcheinen, wenn die Angelegenheiten preußiſcher Biſchöfe der Mit- entſcheidung des Kaiſers von Oeſterreich anheimgegeben würden. In Berlin dachte man anders. Am Unfreundlichſten aber wurde Weſſenberg in München aufge- nommen: Baiern ſei ſich ſelbſt genug, hieß es hier kurzab, und werde keinen weiteren Eingriff in ſeine Souveränität dulden. Montgelas war bei ſeinen kirchenpolitiſchen Neuerungen in dem bigotten altbairiſchen Volke nur ſchwachem Widerſtande begegnet und ſchloß daraus mit dem Hochmuthe des glaubenloſen Weltkindes, daß auch die römiſche Kirche wenig Lebenskraft mehr beſitze. Die Hoffart der Aufklärung verleitete den klugen Mann zu einem Irrthum, der allerdings von den meiſten Staatsmännern jener Zeit getheilt wurde, aber dieſem geharniſchten Vertreter der Staatsallmacht am übelſten anſtand. Er hoffte von dem Papſte nicht blos eine Circumſcriptionsbulle zu erlangen, welche die Grenzen der neuen bairiſchen Landesbisthümer feſtſtellen ſollte. Er hielt es auch für unbedenklich, das Rechtsverhältniß zwiſchen Staat und Kirche durch ein Concordat vertragsmäßig zu ordnen und erkannte nicht, wie ſchwer die Souveränität des Staates ſchon durch den Abſchluß eines Concordats gefährdet wird; denn jeder Staat iſt befugt den Umfang ſeiner eigenen Hoheitsrechte ſelbſt zu beſtimmen und kann ſich dies unveräußerliche Recht nicht durch Verträge mit auswärtigen Mächten ſchmälern laſſen, am wenigſten durch einen Vertrag mit der Curie, die von jeher alle Zu-

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte02_1882/359>, abgerufen am 22.11.2024.