II. 5. Die Wiederherstellung des preußischen Staates.
mand viel darnach gefragt; jetzt da die Preußen den Raub zurückbrachten, veranstalteten beide Städte Freudenfeste. Drei Jahre später legte Cano- nicus Wallraf durch eine großartige Schenkung den Grund für die Kunst- sammlungen Kölns. Mit Eifer nahm sich die Regierung der alten Bau- werke des Landes an; als der König und der Kronprinz zum ersten male nach Trier kamen, hielten sie ihren Einzug durch die Porta Nigra, die soeben wieder frei gelegte Thorburg der Caesaren. Ihr Beispiel wirkte heilsam auf die Geistlichkeit, und endlich kam die Zeit, da der bisher so über berufene rheinische Clerus sich durch Kunstsinn und historische Bil- dung vor allen seinen deutschen Standesgenossen auszeichnete.
Im Rheinthal begannen sofort mächtige Strombauten; der Leinpfad war unter französischer Herrschaft fast zerstört, das Strombett arg vernach- lässigt, und es währte noch sechzehn Jahre bis die Rheinschiffer bei Binger- brück dem Könige ein Denkmal errichteten, weil er die berüchtigte Durchfahrt durch das Bingerloch auf das Zehnfache hatte erweitern lassen. Etwas besser hatten die Präfekten für den Wegebau gesorgt; doch ist selbst die wichtigste Landstraße der Provinz, die Köln-Coblenzer erst durch Preußen vollendet worden. Von Jahr zu Jahr ward es lebendiger auf dem Hafendamme am Baienthurm zu Köln, wo vor Kurzem noch Gras wuchs. Das ver- armte Köln schickte sich schon an das reiche Straßburg zu überflügeln, in dem einst so schmutzigen Coblenz sahen die Rheinschiffer jetzt eine lange Zeile stattlicher Häuser über die neue Festungsmauer aufragen; alle preu- ßischen Städte in den Rheinlanden nahmen rascher zu als die französischen und die kleinfürstlichen. Der niederrheinische Gewerbfleiß erholte sich so schnell, daß die Wupperthaler schon im Jahre 1821 ihre rheinisch-west- indische Compagnie gründen konnten, und zu diesen altberühmten Industrie- plätzen trat jetzt ein neuer hinzu: das Kohlenbecken von Saarbrücken. Die Staatsbergwerke dort förderten im Jahre 1815 mit 500 Arbeitern 1 Mill. Ctr. Kohlen und steigerten ihren Ertrag in kurzer Zeit auf das Zweifache -- zur großen Befriedigung des wackeren Bergmeisters Bleibtreu, der einst zuerst dem Staatskanzler erklärt hatte, wie unentbehrlich dies zukunftsreiche Gebiet für Preußen sei. Dem rheinischen Weinbau war die Verbindung mit dem rebenreichen Frankreich nicht günstig gewesen; jetzt erschloß sich ihm der große norddeutsche Markt, und sobald die beiden fröhlichen Wein- jahre 18 und 19 den Winzern nach schweren Mißernten wieder Mittel und Muth verschafft hatten, schritt man überall, vornehmlich an der Mosel, zum Anbau neuer Reben, so daß das Weinland in manchen Gemeinden sich verdoppelte und Trevir metropolis jetzt mit besserem Rechte denn je seinen geistlichen Ehrennamen Baccho gratissima führte.
Eine nahezu hoffnungslose Aufgabe erwuchs der neuen Regierung aus jener gräulichen Waldverwüstung, welche der waldesfrohe Germane den Wälschen unter allen ihren Sünden am wenigsten verzieh. Der bergische Bauer ballte die Faust, wenn ihm Einer von dem alten Stolze
II. 5. Die Wiederherſtellung des preußiſchen Staates.
mand viel darnach gefragt; jetzt da die Preußen den Raub zurückbrachten, veranſtalteten beide Städte Freudenfeſte. Drei Jahre ſpäter legte Cano- nicus Wallraf durch eine großartige Schenkung den Grund für die Kunſt- ſammlungen Kölns. Mit Eifer nahm ſich die Regierung der alten Bau- werke des Landes an; als der König und der Kronprinz zum erſten male nach Trier kamen, hielten ſie ihren Einzug durch die Porta Nigra, die ſoeben wieder frei gelegte Thorburg der Caeſaren. Ihr Beiſpiel wirkte heilſam auf die Geiſtlichkeit, und endlich kam die Zeit, da der bisher ſo über berufene rheiniſche Clerus ſich durch Kunſtſinn und hiſtoriſche Bil- dung vor allen ſeinen deutſchen Standesgenoſſen auszeichnete.
Im Rheinthal begannen ſofort mächtige Strombauten; der Leinpfad war unter franzöſiſcher Herrſchaft faſt zerſtört, das Strombett arg vernach- läſſigt, und es währte noch ſechzehn Jahre bis die Rheinſchiffer bei Binger- brück dem Könige ein Denkmal errichteten, weil er die berüchtigte Durchfahrt durch das Bingerloch auf das Zehnfache hatte erweitern laſſen. Etwas beſſer hatten die Präfekten für den Wegebau geſorgt; doch iſt ſelbſt die wichtigſte Landſtraße der Provinz, die Köln-Coblenzer erſt durch Preußen vollendet worden. Von Jahr zu Jahr ward es lebendiger auf dem Hafendamme am Baienthurm zu Köln, wo vor Kurzem noch Gras wuchs. Das ver- armte Köln ſchickte ſich ſchon an das reiche Straßburg zu überflügeln, in dem einſt ſo ſchmutzigen Coblenz ſahen die Rheinſchiffer jetzt eine lange Zeile ſtattlicher Häuſer über die neue Feſtungsmauer aufragen; alle preu- ßiſchen Städte in den Rheinlanden nahmen raſcher zu als die franzöſiſchen und die kleinfürſtlichen. Der niederrheiniſche Gewerbfleiß erholte ſich ſo ſchnell, daß die Wupperthaler ſchon im Jahre 1821 ihre rheiniſch-weſt- indiſche Compagnie gründen konnten, und zu dieſen altberühmten Induſtrie- plätzen trat jetzt ein neuer hinzu: das Kohlenbecken von Saarbrücken. Die Staatsbergwerke dort förderten im Jahre 1815 mit 500 Arbeitern 1 Mill. Ctr. Kohlen und ſteigerten ihren Ertrag in kurzer Zeit auf das Zweifache — zur großen Befriedigung des wackeren Bergmeiſters Bleibtreu, der einſt zuerſt dem Staatskanzler erklärt hatte, wie unentbehrlich dies zukunftsreiche Gebiet für Preußen ſei. Dem rheiniſchen Weinbau war die Verbindung mit dem rebenreichen Frankreich nicht günſtig geweſen; jetzt erſchloß ſich ihm der große norddeutſche Markt, und ſobald die beiden fröhlichen Wein- jahre 18 und 19 den Winzern nach ſchweren Mißernten wieder Mittel und Muth verſchafft hatten, ſchritt man überall, vornehmlich an der Moſel, zum Anbau neuer Reben, ſo daß das Weinland in manchen Gemeinden ſich verdoppelte und Trevir metropolis jetzt mit beſſerem Rechte denn je ſeinen geiſtlichen Ehrennamen Baccho gratissima führte.
Eine nahezu hoffnungsloſe Aufgabe erwuchs der neuen Regierung aus jener gräulichen Waldverwüſtung, welche der waldesfrohe Germane den Wälſchen unter allen ihren Sünden am wenigſten verzieh. Der bergiſche Bauer ballte die Fauſt, wenn ihm Einer von dem alten Stolze
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mand viel darnach gefragt; jetzt da die Preußen den Raub zurückbrachten,
veranſtalteten beide Städte Freudenfeſte. Drei Jahre ſpäter legte Cano-
nicus Wallraf durch eine großartige Schenkung den Grund für die Kunſt-
ſammlungen Kölns. Mit Eifer nahm ſich die Regierung der alten Bau-
werke des Landes an; als der König und der Kronprinz zum erſten male
nach Trier kamen, hielten ſie ihren Einzug durch die Porta Nigra, die
ſoeben wieder frei gelegte Thorburg der Caeſaren. Ihr Beiſpiel wirkte
heilſam auf die Geiſtlichkeit, und endlich kam die Zeit, da der bisher ſo
über berufene rheiniſche Clerus ſich durch Kunſtſinn und hiſtoriſche Bil-
dung vor allen ſeinen deutſchen Standesgenoſſen auszeichnete.
Im Rheinthal begannen ſofort mächtige Strombauten; der Leinpfad
war unter franzöſiſcher Herrſchaft faſt zerſtört, das Strombett arg vernach-
läſſigt, und es währte noch ſechzehn Jahre bis die Rheinſchiffer bei Binger-
brück dem Könige ein Denkmal errichteten, weil er die berüchtigte Durchfahrt
durch das Bingerloch auf das Zehnfache hatte erweitern laſſen. Etwas beſſer
hatten die Präfekten für den Wegebau geſorgt; doch iſt ſelbſt die wichtigſte
Landſtraße der Provinz, die Köln-Coblenzer erſt durch Preußen vollendet
worden. Von Jahr zu Jahr ward es lebendiger auf dem Hafendamme
am Baienthurm zu Köln, wo vor Kurzem noch Gras wuchs. Das ver-
armte Köln ſchickte ſich ſchon an das reiche Straßburg zu überflügeln, in
dem einſt ſo ſchmutzigen Coblenz ſahen die Rheinſchiffer jetzt eine lange
Zeile ſtattlicher Häuſer über die neue Feſtungsmauer aufragen; alle preu-
ßiſchen Städte in den Rheinlanden nahmen raſcher zu als die franzöſiſchen
und die kleinfürſtlichen. Der niederrheiniſche Gewerbfleiß erholte ſich ſo
ſchnell, daß die Wupperthaler ſchon im Jahre 1821 ihre rheiniſch-weſt-
indiſche Compagnie gründen konnten, und zu dieſen altberühmten Induſtrie-
plätzen trat jetzt ein neuer hinzu: das Kohlenbecken von Saarbrücken. Die
Staatsbergwerke dort förderten im Jahre 1815 mit 500 Arbeitern 1 Mill.
Ctr. Kohlen und ſteigerten ihren Ertrag in kurzer Zeit auf das Zweifache
— zur großen Befriedigung des wackeren Bergmeiſters Bleibtreu, der einſt
zuerſt dem Staatskanzler erklärt hatte, wie unentbehrlich dies zukunftsreiche
Gebiet für Preußen ſei. Dem rheiniſchen Weinbau war die Verbindung
mit dem rebenreichen Frankreich nicht günſtig geweſen; jetzt erſchloß ſich
ihm der große norddeutſche Markt, und ſobald die beiden fröhlichen Wein-
jahre 18 und 19 den Winzern nach ſchweren Mißernten wieder Mittel
und Muth verſchafft hatten, ſchritt man überall, vornehmlich an der Moſel,
zum Anbau neuer Reben, ſo daß das Weinland in manchen Gemeinden
ſich verdoppelte und Trevir metropolis jetzt mit beſſerem Rechte denn
je ſeinen geiſtlichen Ehrennamen Baccho gratissima führte.
Eine nahezu hoffnungsloſe Aufgabe erwuchs der neuen Regierung
aus jener gräulichen Waldverwüſtung, welche der waldesfrohe Germane
den Wälſchen unter allen ihren Sünden am wenigſten verzieh. Der
bergiſche Bauer ballte die Fauſt, wenn ihm Einer von dem alten Stolze
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte02_1882/290>, abgerufen am 24.11.2024.
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