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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882.

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Hänleins dualistischer Plan.
berechtigt, mit der Macht und dem Ansehen eines wirklichen "Oberhauptes"
die gemeinsame Leitung des Bundes.*)

Als Hänlein im März auf kurze Zeit nach Frankfurt kam, ward er
von Buol mit offenen Armen aufgenommen und legte seine Denkschrift
sofort dem treuen Freunde, nachher auch dem älteren Wessenberg vor, der
als Mitglied der Territorialcommission in Frankfurt weilte. Buol er-
klärte mündlich mit gewohnter Ueberschwänglichkeit sein herzliches Einver-
ständniß; Wessenberg dankte in einem verbindlichen Billet für das vor-
treffliche Memoire und schloß: "Kommen Ew. Exc. bald mit Instruktionen
zurück, die Ihren Ansichten entsprechen, und es wird schon viel gewonnen
sein!" Solcher Erfolge froh eilte Hänlein jetzt nach Berlin, entwickelte
seinen großen Plan nochmals in einer ausführlicheren Denkschrift**), be-
theuerte heilig, der Zustimmung des Wiener Hofes gewiß zu sein. Harden-
berg aber nahm die unwahrscheinliche Versicherung für baare Münze; den
österreichischen Freunden gegenüber blieb der Vielerfahrene immer kindlich
arglos, er wollte nicht glauben, daß Metternichs so oft wiederholte vertrau-
liche Aeußerungen über die Nothwendigkeit der deutschen Zweiherrschaft
nur leere Worte waren. Er ließ also durch Hänlein einen förmlichen
Staatsvertrag ausarbeiten, der zwischen den beiden Großmächten sofort
vereinbart und dann den vertrauten kleinen Höfen als vollendete That-
sache vorgelegt werden sollte. Da der Staatskanzler, seiner alten Ansicht
getreu, die Bestimmungen über den deutschen Kaiser- und Königstitel strich,
so beschränkte sich der Entwurf auf zwei Hauptforderungen: Gleichstellung
der beiden Großmächte am Bundestage, dergestalt, daß Oesterreich den
Vorsitz übernimmt, Preußen aber, wie vormals Kurmainz, das Protokoll
führt und die Beschlüsse ausfertigt; sodann Unterordnung der ganz kleinen
norddeutschen Contingente unter Preußens, der süddeutschen unter Oester-
reichs Oberbefehl. Den letzteren Vorschlag führte eine Denkschrift des
Kriegsministers Boyen näher aus. Sie vermied sorgsam jede Kränkung
des Selbstgefühls der Mittelstaaten und verlangte nur was schlechthin
unerläßlich war um das deutsche Bundesheer vor der baaren Anarchie zu
bewahren: Mecklenburg, Kurhessen, Anhalt, Nassau und ein Theil der
thüringischen Staaten sollten sich an Preußen anschließen, Baden, Darm-
stadt, Lichtenstein an das österreichische Heer; die übrigen winzigen Con-
tingente wurden theils den vier kleinen Königreichen, theils einem beson-
deren niederdeutschen Corps zugewiesen.***) Mit diesen Aufträgen kehrte
Hänlein gegen Ende Juni nach Frankfurt zurück; so lange währte es bis
Hardenberg inmitten der massenhaften Verwaltungsgeschäfte dieser Ueber-
gangszeit einen freien Augenblick für die Bundesangelegenheiten fand.

*) Hänleins Bericht und Denkschrift an den Staatskanzler, 23. Januar 1816.
**) Wessenberg an Hänlein, 11. März. Hänleins Bericht und Denkschrift an Har-
denberg 24. März 1816.
***) Boyen, Gedanken über die Militär-Verfassung von Deutschland.

Hänleins dualiſtiſcher Plan.
berechtigt, mit der Macht und dem Anſehen eines wirklichen „Oberhauptes“
die gemeinſame Leitung des Bundes.*)

Als Hänlein im März auf kurze Zeit nach Frankfurt kam, ward er
von Buol mit offenen Armen aufgenommen und legte ſeine Denkſchrift
ſofort dem treuen Freunde, nachher auch dem älteren Weſſenberg vor, der
als Mitglied der Territorialcommiſſion in Frankfurt weilte. Buol er-
klärte mündlich mit gewohnter Ueberſchwänglichkeit ſein herzliches Einver-
ſtändniß; Weſſenberg dankte in einem verbindlichen Billet für das vor-
treffliche Memoire und ſchloß: „Kommen Ew. Exc. bald mit Inſtruktionen
zurück, die Ihren Anſichten entſprechen, und es wird ſchon viel gewonnen
ſein!“ Solcher Erfolge froh eilte Hänlein jetzt nach Berlin, entwickelte
ſeinen großen Plan nochmals in einer ausführlicheren Denkſchrift**), be-
theuerte heilig, der Zuſtimmung des Wiener Hofes gewiß zu ſein. Harden-
berg aber nahm die unwahrſcheinliche Verſicherung für baare Münze; den
öſterreichiſchen Freunden gegenüber blieb der Vielerfahrene immer kindlich
arglos, er wollte nicht glauben, daß Metternichs ſo oft wiederholte vertrau-
liche Aeußerungen über die Nothwendigkeit der deutſchen Zweiherrſchaft
nur leere Worte waren. Er ließ alſo durch Hänlein einen förmlichen
Staatsvertrag ausarbeiten, der zwiſchen den beiden Großmächten ſofort
vereinbart und dann den vertrauten kleinen Höfen als vollendete That-
ſache vorgelegt werden ſollte. Da der Staatskanzler, ſeiner alten Anſicht
getreu, die Beſtimmungen über den deutſchen Kaiſer- und Königstitel ſtrich,
ſo beſchränkte ſich der Entwurf auf zwei Hauptforderungen: Gleichſtellung
der beiden Großmächte am Bundestage, dergeſtalt, daß Oeſterreich den
Vorſitz übernimmt, Preußen aber, wie vormals Kurmainz, das Protokoll
führt und die Beſchlüſſe ausfertigt; ſodann Unterordnung der ganz kleinen
norddeutſchen Contingente unter Preußens, der ſüddeutſchen unter Oeſter-
reichs Oberbefehl. Den letzteren Vorſchlag führte eine Denkſchrift des
Kriegsminiſters Boyen näher aus. Sie vermied ſorgſam jede Kränkung
des Selbſtgefühls der Mittelſtaaten und verlangte nur was ſchlechthin
unerläßlich war um das deutſche Bundesheer vor der baaren Anarchie zu
bewahren: Mecklenburg, Kurheſſen, Anhalt, Naſſau und ein Theil der
thüringiſchen Staaten ſollten ſich an Preußen anſchließen, Baden, Darm-
ſtadt, Lichtenſtein an das öſterreichiſche Heer; die übrigen winzigen Con-
tingente wurden theils den vier kleinen Königreichen, theils einem beſon-
deren niederdeutſchen Corps zugewieſen.***) Mit dieſen Aufträgen kehrte
Hänlein gegen Ende Juni nach Frankfurt zurück; ſo lange währte es bis
Hardenberg inmitten der maſſenhaften Verwaltungsgeſchäfte dieſer Ueber-
gangszeit einen freien Augenblick für die Bundesangelegenheiten fand.

*) Hänleins Bericht und Denkſchrift an den Staatskanzler, 23. Januar 1816.
**) Weſſenberg an Hänlein, 11. März. Hänleins Bericht und Denkſchrift an Har-
denberg 24. März 1816.
***) Boyen, Gedanken über die Militär-Verfaſſung von Deutſchland.
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[137/0151] Hänleins dualiſtiſcher Plan. berechtigt, mit der Macht und dem Anſehen eines wirklichen „Oberhauptes“ die gemeinſame Leitung des Bundes. *) Als Hänlein im März auf kurze Zeit nach Frankfurt kam, ward er von Buol mit offenen Armen aufgenommen und legte ſeine Denkſchrift ſofort dem treuen Freunde, nachher auch dem älteren Weſſenberg vor, der als Mitglied der Territorialcommiſſion in Frankfurt weilte. Buol er- klärte mündlich mit gewohnter Ueberſchwänglichkeit ſein herzliches Einver- ſtändniß; Weſſenberg dankte in einem verbindlichen Billet für das vor- treffliche Memoire und ſchloß: „Kommen Ew. Exc. bald mit Inſtruktionen zurück, die Ihren Anſichten entſprechen, und es wird ſchon viel gewonnen ſein!“ Solcher Erfolge froh eilte Hänlein jetzt nach Berlin, entwickelte ſeinen großen Plan nochmals in einer ausführlicheren Denkſchrift **), be- theuerte heilig, der Zuſtimmung des Wiener Hofes gewiß zu ſein. Harden- berg aber nahm die unwahrſcheinliche Verſicherung für baare Münze; den öſterreichiſchen Freunden gegenüber blieb der Vielerfahrene immer kindlich arglos, er wollte nicht glauben, daß Metternichs ſo oft wiederholte vertrau- liche Aeußerungen über die Nothwendigkeit der deutſchen Zweiherrſchaft nur leere Worte waren. Er ließ alſo durch Hänlein einen förmlichen Staatsvertrag ausarbeiten, der zwiſchen den beiden Großmächten ſofort vereinbart und dann den vertrauten kleinen Höfen als vollendete That- ſache vorgelegt werden ſollte. Da der Staatskanzler, ſeiner alten Anſicht getreu, die Beſtimmungen über den deutſchen Kaiſer- und Königstitel ſtrich, ſo beſchränkte ſich der Entwurf auf zwei Hauptforderungen: Gleichſtellung der beiden Großmächte am Bundestage, dergeſtalt, daß Oeſterreich den Vorſitz übernimmt, Preußen aber, wie vormals Kurmainz, das Protokoll führt und die Beſchlüſſe ausfertigt; ſodann Unterordnung der ganz kleinen norddeutſchen Contingente unter Preußens, der ſüddeutſchen unter Oeſter- reichs Oberbefehl. Den letzteren Vorſchlag führte eine Denkſchrift des Kriegsminiſters Boyen näher aus. Sie vermied ſorgſam jede Kränkung des Selbſtgefühls der Mittelſtaaten und verlangte nur was ſchlechthin unerläßlich war um das deutſche Bundesheer vor der baaren Anarchie zu bewahren: Mecklenburg, Kurheſſen, Anhalt, Naſſau und ein Theil der thüringiſchen Staaten ſollten ſich an Preußen anſchließen, Baden, Darm- ſtadt, Lichtenſtein an das öſterreichiſche Heer; die übrigen winzigen Con- tingente wurden theils den vier kleinen Königreichen, theils einem beſon- deren niederdeutſchen Corps zugewieſen. ***) Mit dieſen Aufträgen kehrte Hänlein gegen Ende Juni nach Frankfurt zurück; ſo lange währte es bis Hardenberg inmitten der maſſenhaften Verwaltungsgeſchäfte dieſer Ueber- gangszeit einen freien Augenblick für die Bundesangelegenheiten fand. *) Hänleins Bericht und Denkſchrift an den Staatskanzler, 23. Januar 1816. **) Weſſenberg an Hänlein, 11. März. Hänleins Bericht und Denkſchrift an Har- denberg 24. März 1816. ***) Boyen, Gedanken über die Militär-Verfaſſung von Deutſchland.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte02_1882/151>, abgerufen am 27.11.2024.