in einer eingehenden Darstellung bewältigt werden, und ich habe mich entschließen müssen, die Ereignisse bis zum Jahre 1830 auf zwei Bände zu vertheilen.
Diese Blätter enthalten der schmerzlichen Erinnerungen viel. Wollte ich den Stimmungen des Augenblicks nachgeben und als ein Parteimann Geschichte schreiben, so würde ich über manche alte Sünden Oesterreichs und der deutschen Kronen gern einen Schleier werfen; denn in der heutigen Ordnung der deutschen Dinge zeigt sich unser hoher Adel ein- sichtiger, opferwilliger als ein großer Theil des Bürgerthums, und an der Freundschaft, welche unseren Staat mit Oesterreich verbindet, wird nur ein Thor rütteln wollen. Meine Aufgabe war das Geschehene getreu zu erzählen. Es kann dem Bestande der Monarchie in unserem Vaterlande nur förderlich sein, wenn Deutschlands Fürsten der trüben Tage nicht vergessen, da ihre Ahnen nahe daran waren sich dem Leben der Nation ganz zu entfremden; unser freier Bund mit Oesterreich aber wird um so fester stehen, je unbefangener man hüben und drüben aner- kennt, daß Deutschland berechtigt war die Herrschaft des Wiener Hofes nicht länger mehr zu ertragen.
Mit allen ihren Irrthümern und Enttäuschungen war die verrufene Zeit, welche dieser Band schildert, nicht blos reich an wissenschaftlichem Ruhm, sondern auch fruchtbar für unser politisches Leben. Habe ich den Ton nicht ganz verfehlt, so wird den Lesern der Eindruck bleiben, daß sie die Geschichte eines aufsteigenden Volkes vor sich sehen.
Rom, 20. Oktober 1882.
Heinrich von Treitschke.
in einer eingehenden Darſtellung bewältigt werden, und ich habe mich entſchließen müſſen, die Ereigniſſe bis zum Jahre 1830 auf zwei Bände zu vertheilen.
Dieſe Blätter enthalten der ſchmerzlichen Erinnerungen viel. Wollte ich den Stimmungen des Augenblicks nachgeben und als ein Parteimann Geſchichte ſchreiben, ſo würde ich über manche alte Sünden Oeſterreichs und der deutſchen Kronen gern einen Schleier werfen; denn in der heutigen Ordnung der deutſchen Dinge zeigt ſich unſer hoher Adel ein- ſichtiger, opferwilliger als ein großer Theil des Bürgerthums, und an der Freundſchaft, welche unſeren Staat mit Oeſterreich verbindet, wird nur ein Thor rütteln wollen. Meine Aufgabe war das Geſchehene getreu zu erzählen. Es kann dem Beſtande der Monarchie in unſerem Vaterlande nur förderlich ſein, wenn Deutſchlands Fürſten der trüben Tage nicht vergeſſen, da ihre Ahnen nahe daran waren ſich dem Leben der Nation ganz zu entfremden; unſer freier Bund mit Oeſterreich aber wird um ſo feſter ſtehen, je unbefangener man hüben und drüben aner- kennt, daß Deutſchland berechtigt war die Herrſchaft des Wiener Hofes nicht länger mehr zu ertragen.
Mit allen ihren Irrthümern und Enttäuſchungen war die verrufene Zeit, welche dieſer Band ſchildert, nicht blos reich an wiſſenſchaftlichem Ruhm, ſondern auch fruchtbar für unſer politiſches Leben. Habe ich den Ton nicht ganz verfehlt, ſo wird den Leſern der Eindruck bleiben, daß ſie die Geſchichte eines aufſteigenden Volkes vor ſich ſehen.
Rom, 20. Oktober 1882.
Heinrich von Treitſchke.
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[VI/0012]
in einer eingehenden Darſtellung bewältigt werden, und ich habe mich
entſchließen müſſen, die Ereigniſſe bis zum Jahre 1830 auf zwei Bände
zu vertheilen.
Dieſe Blätter enthalten der ſchmerzlichen Erinnerungen viel. Wollte
ich den Stimmungen des Augenblicks nachgeben und als ein Parteimann
Geſchichte ſchreiben, ſo würde ich über manche alte Sünden Oeſterreichs
und der deutſchen Kronen gern einen Schleier werfen; denn in der
heutigen Ordnung der deutſchen Dinge zeigt ſich unſer hoher Adel ein-
ſichtiger, opferwilliger als ein großer Theil des Bürgerthums, und an
der Freundſchaft, welche unſeren Staat mit Oeſterreich verbindet, wird
nur ein Thor rütteln wollen. Meine Aufgabe war das Geſchehene
getreu zu erzählen. Es kann dem Beſtande der Monarchie in unſerem
Vaterlande nur förderlich ſein, wenn Deutſchlands Fürſten der trüben
Tage nicht vergeſſen, da ihre Ahnen nahe daran waren ſich dem Leben
der Nation ganz zu entfremden; unſer freier Bund mit Oeſterreich aber
wird um ſo feſter ſtehen, je unbefangener man hüben und drüben aner-
kennt, daß Deutſchland berechtigt war die Herrſchaft des Wiener Hofes
nicht länger mehr zu ertragen.
Mit allen ihren Irrthümern und Enttäuſchungen war die verrufene
Zeit, welche dieſer Band ſchildert, nicht blos reich an wiſſenſchaftlichem
Ruhm, ſondern auch fruchtbar für unſer politiſches Leben. Habe ich den
Ton nicht ganz verfehlt, ſo wird den Leſern der Eindruck bleiben, daß
ſie die Geſchichte eines aufſteigenden Volkes vor ſich ſehen.
Rom, 20. Oktober 1882.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882, S. VI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte02_1882/12>, abgerufen am 23.11.2024.
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