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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 1: Bis zum zweiten Pariser Frieden. Leipzig, 1879.

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Heerwesen.
waltung Oesterreichs, soweit es anging, nach preußischem Muster um,
und von diesen österreichischen Reformen wiederum lernte der aufge-
klärte Despotismus, der nunmehr in allen romanischen Landen, in
Neapel und Toscana, in Spanien und Portugal seine rastlos gewalt-
same Völkerbeglückung begann. Am Längsten sträubte sich der Stolz
der französischen Bourbonen wider die neue Auffassung der Mo-
narchie; mit spöttischem Lächeln erzählte man sich zu Versailles, daß
am Potsdamer Hofe der Oberkammerherr noch niemals dem Könige das
Hemd gereicht habe. Erst da es zu spät war, da die Mächte der Revo-
lution schon an die Thore klopften, begann man etwas zu ahnen von
den Pflichten des Königthums. Die Krone der Bourbonen ist aus dem
trüben Dunstkreise höfischer Selbstvergötterung und Menschenverachtung
niemals gänzlich hinausgekommen, darum ging sie schimpflich zu Grunde.
Den Deutschen aber wurde die monarchische Gesinnung, die unserem Volke
im Blute lag und selbst in den Jahrhunderten der ständischen Vielherr-
schaft nicht völlig verloren ging, durch König Friedrich aufs Neue ge-
kräftigt. In keiner andern Nation der neuen Geschichte hat das König-
thum seine Aufgaben so groß und hochsinnig verstanden; darum blieb
das deutsche Volk, selbst als die Zeit der parlamentarischen Kämpfe kam,
das am treuesten monarchisch gesinnte unter den großen Culturvölkern.

Die Friedensliebe des hohenzollernschen Hauses blieb auch in seinem
größten Kriegsfürsten lebendig. Friedrich schätzte die Macht, doch nur als
ein Mittel für den Wohlstand und die Gesittung der Völker; daß sie jemals
Selbstzweck sein, daß der Kampf um die Macht als solche schon historischen
Ruhm verleihen sollte, erschien ihm als eine Beleidigung der fürstlichen
Ehre. Darum schrieb er seine leidenschaftliche Streitschrift gegen Machiavelli.
Darum kam er in seinen Schriften immer wieder auf das abschreckende
Beispiel Karls XII. von Schweden zurück. Er mochte insgeheim fühlen,
daß in seiner eigenen Brust dämonische Kräfte arbeiteten, die ihn zu
ähnlichen Verirrungen mißleiten konnten, und ward nicht müde die
Hohlheit des zwecklosen Kriegsruhms zu schildern, ließ im runden Saale
zu Sanssouci die Büste des Schwedenkönigs verächtlich unter den Füßen
der Muse aufstellen. Schon in seinen brausenden Jünglingsjahren war
er mit sich im Reinen über die sittlichen Zwecke der Macht: dieser Staat
muß stark werden, so schrieb er damals, "damit er die schöne Rolle spielen
kann den Frieden zu erhalten allein aus Liebe zur Gerechtigkeit, nicht
aus Furcht. Wenn aber jemals in Preußen Unrecht, Parteilichkeit und
Laster überhand nähmen, dann wünsche ich dem Hause Brandenburg
schleunigen Untergang. Das sagt Alles." Als er nach dem siebenjährigen
Kriege sich stark genug fühlte aus Gerechtigkeit den Frieden zu wahren,
da wendete er seine Sorge mit solchem Eifer der Wiederherstellung des
Volkswohlstandes zu, daß die Armee geradezu geschädigt wurde.

Es ist nicht anders: der Feldherr, der die Fahnen Preußens mit

Heerweſen.
waltung Oeſterreichs, ſoweit es anging, nach preußiſchem Muſter um,
und von dieſen öſterreichiſchen Reformen wiederum lernte der aufge-
klärte Despotismus, der nunmehr in allen romaniſchen Landen, in
Neapel und Toscana, in Spanien und Portugal ſeine raſtlos gewalt-
ſame Völkerbeglückung begann. Am Längſten ſträubte ſich der Stolz
der franzöſiſchen Bourbonen wider die neue Auffaſſung der Mo-
narchie; mit ſpöttiſchem Lächeln erzählte man ſich zu Verſailles, daß
am Potsdamer Hofe der Oberkammerherr noch niemals dem Könige das
Hemd gereicht habe. Erſt da es zu ſpät war, da die Mächte der Revo-
lution ſchon an die Thore klopften, begann man etwas zu ahnen von
den Pflichten des Königthums. Die Krone der Bourbonen iſt aus dem
trüben Dunſtkreiſe höfiſcher Selbſtvergötterung und Menſchenverachtung
niemals gänzlich hinausgekommen, darum ging ſie ſchimpflich zu Grunde.
Den Deutſchen aber wurde die monarchiſche Geſinnung, die unſerem Volke
im Blute lag und ſelbſt in den Jahrhunderten der ſtändiſchen Vielherr-
ſchaft nicht völlig verloren ging, durch König Friedrich aufs Neue ge-
kräftigt. In keiner andern Nation der neuen Geſchichte hat das König-
thum ſeine Aufgaben ſo groß und hochſinnig verſtanden; darum blieb
das deutſche Volk, ſelbſt als die Zeit der parlamentariſchen Kämpfe kam,
das am treueſten monarchiſch geſinnte unter den großen Culturvölkern.

Die Friedensliebe des hohenzollernſchen Hauſes blieb auch in ſeinem
größten Kriegsfürſten lebendig. Friedrich ſchätzte die Macht, doch nur als
ein Mittel für den Wohlſtand und die Geſittung der Völker; daß ſie jemals
Selbſtzweck ſein, daß der Kampf um die Macht als ſolche ſchon hiſtoriſchen
Ruhm verleihen ſollte, erſchien ihm als eine Beleidigung der fürſtlichen
Ehre. Darum ſchrieb er ſeine leidenſchaftliche Streitſchrift gegen Machiavelli.
Darum kam er in ſeinen Schriften immer wieder auf das abſchreckende
Beiſpiel Karls XII. von Schweden zurück. Er mochte insgeheim fühlen,
daß in ſeiner eigenen Bruſt dämoniſche Kräfte arbeiteten, die ihn zu
ähnlichen Verirrungen mißleiten konnten, und ward nicht müde die
Hohlheit des zweckloſen Kriegsruhms zu ſchildern, ließ im runden Saale
zu Sansſouci die Büſte des Schwedenkönigs verächtlich unter den Füßen
der Muſe aufſtellen. Schon in ſeinen brauſenden Jünglingsjahren war
er mit ſich im Reinen über die ſittlichen Zwecke der Macht: dieſer Staat
muß ſtark werden, ſo ſchrieb er damals, „damit er die ſchöne Rolle ſpielen
kann den Frieden zu erhalten allein aus Liebe zur Gerechtigkeit, nicht
aus Furcht. Wenn aber jemals in Preußen Unrecht, Parteilichkeit und
Laſter überhand nähmen, dann wünſche ich dem Hauſe Brandenburg
ſchleunigen Untergang. Das ſagt Alles.“ Als er nach dem ſiebenjährigen
Kriege ſich ſtark genug fühlte aus Gerechtigkeit den Frieden zu wahren,
da wendete er ſeine Sorge mit ſolchem Eifer der Wiederherſtellung des
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[73/0089] Heerweſen. waltung Oeſterreichs, ſoweit es anging, nach preußiſchem Muſter um, und von dieſen öſterreichiſchen Reformen wiederum lernte der aufge- klärte Despotismus, der nunmehr in allen romaniſchen Landen, in Neapel und Toscana, in Spanien und Portugal ſeine raſtlos gewalt- ſame Völkerbeglückung begann. Am Längſten ſträubte ſich der Stolz der franzöſiſchen Bourbonen wider die neue Auffaſſung der Mo- narchie; mit ſpöttiſchem Lächeln erzählte man ſich zu Verſailles, daß am Potsdamer Hofe der Oberkammerherr noch niemals dem Könige das Hemd gereicht habe. Erſt da es zu ſpät war, da die Mächte der Revo- lution ſchon an die Thore klopften, begann man etwas zu ahnen von den Pflichten des Königthums. Die Krone der Bourbonen iſt aus dem trüben Dunſtkreiſe höfiſcher Selbſtvergötterung und Menſchenverachtung niemals gänzlich hinausgekommen, darum ging ſie ſchimpflich zu Grunde. Den Deutſchen aber wurde die monarchiſche Geſinnung, die unſerem Volke im Blute lag und ſelbſt in den Jahrhunderten der ſtändiſchen Vielherr- ſchaft nicht völlig verloren ging, durch König Friedrich aufs Neue ge- kräftigt. In keiner andern Nation der neuen Geſchichte hat das König- thum ſeine Aufgaben ſo groß und hochſinnig verſtanden; darum blieb das deutſche Volk, ſelbſt als die Zeit der parlamentariſchen Kämpfe kam, das am treueſten monarchiſch geſinnte unter den großen Culturvölkern. Die Friedensliebe des hohenzollernſchen Hauſes blieb auch in ſeinem größten Kriegsfürſten lebendig. Friedrich ſchätzte die Macht, doch nur als ein Mittel für den Wohlſtand und die Geſittung der Völker; daß ſie jemals Selbſtzweck ſein, daß der Kampf um die Macht als ſolche ſchon hiſtoriſchen Ruhm verleihen ſollte, erſchien ihm als eine Beleidigung der fürſtlichen Ehre. Darum ſchrieb er ſeine leidenſchaftliche Streitſchrift gegen Machiavelli. Darum kam er in ſeinen Schriften immer wieder auf das abſchreckende Beiſpiel Karls XII. von Schweden zurück. Er mochte insgeheim fühlen, daß in ſeiner eigenen Bruſt dämoniſche Kräfte arbeiteten, die ihn zu ähnlichen Verirrungen mißleiten konnten, und ward nicht müde die Hohlheit des zweckloſen Kriegsruhms zu ſchildern, ließ im runden Saale zu Sansſouci die Büſte des Schwedenkönigs verächtlich unter den Füßen der Muſe aufſtellen. Schon in ſeinen brauſenden Jünglingsjahren war er mit ſich im Reinen über die ſittlichen Zwecke der Macht: dieſer Staat muß ſtark werden, ſo ſchrieb er damals, „damit er die ſchöne Rolle ſpielen kann den Frieden zu erhalten allein aus Liebe zur Gerechtigkeit, nicht aus Furcht. Wenn aber jemals in Preußen Unrecht, Parteilichkeit und Laſter überhand nähmen, dann wünſche ich dem Hauſe Brandenburg ſchleunigen Untergang. Das ſagt Alles.“ Als er nach dem ſiebenjährigen Kriege ſich ſtark genug fühlte aus Gerechtigkeit den Frieden zu wahren, da wendete er ſeine Sorge mit ſolchem Eifer der Wiederherſtellung des Volkswohlſtandes zu, daß die Armee geradezu geſchädigt wurde. Es iſt nicht anders: der Feldherr, der die Fahnen Preußens mit

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 1: Bis zum zweiten Pariser Frieden. Leipzig, 1879, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte01_1879/89>, abgerufen am 24.11.2024.