als die spanischen Guerillas, welche sich auf dem Schlachtfelde so oft un- brauchbar erwiesen, und niemals wollte er zugeben, daß der Erfolg des Halbinselfeldzuges doch nicht möglich gewesen wäre ohne den Fanatismus jener zuchtlosen Banden, die den Feind im Rücken durch die Schrecken des kleinen Kriegs ermüdeten und schwächten. "Der Enthusiasmus, schrieb er in seiner ungelenken Weise an Castlereagh, ist in der That keine Hilfe um irgend ein Ding zu vollbringen und ist nur eine Ent- schuldigung für die Unordnung, womit jedes Ding gethan wird, und für den Mangel an Mannszucht und Gehorsam in den Heeren." Aus diesen militärischen Ansichten sprach zugleich die antirevolutionäre Gesinnung des Hochtorys. Wellington hat in späteren Jahren, sobald sein sicherer Sol- datenblick die unaufhaltsame Nothwendigkeit einer Reform erkannte, mehr- mals gewagt sich von seinen politischen Freunden zu trennen und, unbe- kümmert um den Zorn der Partei, selber mit starker Hand vollendet was er bisher als gefährliche Neuerung bekämpft. Im Alter stand der Ruhm- gekrönte hoch genug um allein dem Ganzen zu leben, allein der Stimme seines lauteren Patriotismus zu folgen: "ich gäbe, sagte er einst, willig mein Leben dahin, wenn ich meinem Lande damit einen Monat bürger- lichen Krieges ersparen könnte." Im Jahre 1815 war er durchaus noch ein hochconservativer Parteimann; der Weltkrieg jener Tage erschien ihm einfach als ein Kampf der legitimen Obrigkeit gegen die Revolution.
Die nationalen Leidenschaften, die in den Völkern des Festlandes brandeten, betrachtete er halb mit Argwohn halb mit Verachtung. Unter Iren, Hindus, Spaniern und Portugiesen hatte er den größten Theil seines Lebens verbracht; nach solchen Erfahrungen stand ihm die Mei- nung fest, daß keine andere Nation sich den Briten auch nur von fern vergleichen dürfe. Die altenglische Sünde der Geringschätzung fremden Volksthums zeigte sich bei diesem trockenen unliebenswürdigen Helden in so beleidigenden, kalt hochmüthigen Formen, daß selbst die Spanier, die ihm so viel verdankten, ihn aus Herzensgrunde haßten. Ganz wie sein Freund Castlereagh blieb er der Ansicht, daß die parlamentarische Freiheit ein ausschließliches Besitzthum des bevorzugten englischen Stammes sei und für die Unreife der Continentalen nicht tauge. Wie er schon in Indien und Spanien die staatsmännische Thätigkeit mit der militärischen verbunden hatte, so war er nach dem Frieden in Paris und Wien als Gesandter wirksam und wurde von den Ministern so tief ins Vertrauen gezogen, daß man ihn geradezu wie ein Mitglied des Cabinets betrachtete. Er theilte das Mißtrauen der Torys gegen die aufstrebenden Mächte Preußen und Rußland, war in den Geheimnissen der Cabinette weit gründlicher bewandert als das Blücher'sche Hauptquartier und übernahm sein Commando sogleich mit einem festen, klar durchdachten politischen Plane -- mit der Absicht den legitimen König wieder in das Schloß seiner Väter zurückzuführen.
Wellingtons Kriegsweiſe.
als die ſpaniſchen Guerillas, welche ſich auf dem Schlachtfelde ſo oft un- brauchbar erwieſen, und niemals wollte er zugeben, daß der Erfolg des Halbinſelfeldzuges doch nicht möglich geweſen wäre ohne den Fanatismus jener zuchtloſen Banden, die den Feind im Rücken durch die Schrecken des kleinen Kriegs ermüdeten und ſchwächten. „Der Enthuſiasmus, ſchrieb er in ſeiner ungelenken Weiſe an Caſtlereagh, iſt in der That keine Hilfe um irgend ein Ding zu vollbringen und iſt nur eine Ent- ſchuldigung für die Unordnung, womit jedes Ding gethan wird, und für den Mangel an Mannszucht und Gehorſam in den Heeren.“ Aus dieſen militäriſchen Anſichten ſprach zugleich die antirevolutionäre Geſinnung des Hochtorys. Wellington hat in ſpäteren Jahren, ſobald ſein ſicherer Sol- datenblick die unaufhaltſame Nothwendigkeit einer Reform erkannte, mehr- mals gewagt ſich von ſeinen politiſchen Freunden zu trennen und, unbe- kümmert um den Zorn der Partei, ſelber mit ſtarker Hand vollendet was er bisher als gefährliche Neuerung bekämpft. Im Alter ſtand der Ruhm- gekrönte hoch genug um allein dem Ganzen zu leben, allein der Stimme ſeines lauteren Patriotismus zu folgen: „ich gäbe, ſagte er einſt, willig mein Leben dahin, wenn ich meinem Lande damit einen Monat bürger- lichen Krieges erſparen könnte.“ Im Jahre 1815 war er durchaus noch ein hochconſervativer Parteimann; der Weltkrieg jener Tage erſchien ihm einfach als ein Kampf der legitimen Obrigkeit gegen die Revolution.
Die nationalen Leidenſchaften, die in den Völkern des Feſtlandes brandeten, betrachtete er halb mit Argwohn halb mit Verachtung. Unter Iren, Hindus, Spaniern und Portugieſen hatte er den größten Theil ſeines Lebens verbracht; nach ſolchen Erfahrungen ſtand ihm die Mei- nung feſt, daß keine andere Nation ſich den Briten auch nur von fern vergleichen dürfe. Die altengliſche Sünde der Geringſchätzung fremden Volksthums zeigte ſich bei dieſem trockenen unliebenswürdigen Helden in ſo beleidigenden, kalt hochmüthigen Formen, daß ſelbſt die Spanier, die ihm ſo viel verdankten, ihn aus Herzensgrunde haßten. Ganz wie ſein Freund Caſtlereagh blieb er der Anſicht, daß die parlamentariſche Freiheit ein ausſchließliches Beſitzthum des bevorzugten engliſchen Stammes ſei und für die Unreife der Continentalen nicht tauge. Wie er ſchon in Indien und Spanien die ſtaatsmänniſche Thätigkeit mit der militäriſchen verbunden hatte, ſo war er nach dem Frieden in Paris und Wien als Geſandter wirkſam und wurde von den Miniſtern ſo tief ins Vertrauen gezogen, daß man ihn geradezu wie ein Mitglied des Cabinets betrachtete. Er theilte das Mißtrauen der Torys gegen die aufſtrebenden Mächte Preußen und Rußland, war in den Geheimniſſen der Cabinette weit gründlicher bewandert als das Blücher’ſche Hauptquartier und übernahm ſein Commando ſogleich mit einem feſten, klar durchdachten politiſchen Plane — mit der Abſicht den legitimen König wieder in das Schloß ſeiner Väter zurückzuführen.
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Wellingtons Kriegsweiſe.
als die ſpaniſchen Guerillas, welche ſich auf dem Schlachtfelde ſo oft un-
brauchbar erwieſen, und niemals wollte er zugeben, daß der Erfolg des
Halbinſelfeldzuges doch nicht möglich geweſen wäre ohne den Fanatismus
jener zuchtloſen Banden, die den Feind im Rücken durch die Schrecken
des kleinen Kriegs ermüdeten und ſchwächten. „Der Enthuſiasmus,
ſchrieb er in ſeiner ungelenken Weiſe an Caſtlereagh, iſt in der That
keine Hilfe um irgend ein Ding zu vollbringen und iſt nur eine Ent-
ſchuldigung für die Unordnung, womit jedes Ding gethan wird, und für
den Mangel an Mannszucht und Gehorſam in den Heeren.“ Aus dieſen
militäriſchen Anſichten ſprach zugleich die antirevolutionäre Geſinnung des
Hochtorys. Wellington hat in ſpäteren Jahren, ſobald ſein ſicherer Sol-
datenblick die unaufhaltſame Nothwendigkeit einer Reform erkannte, mehr-
mals gewagt ſich von ſeinen politiſchen Freunden zu trennen und, unbe-
kümmert um den Zorn der Partei, ſelber mit ſtarker Hand vollendet was
er bisher als gefährliche Neuerung bekämpft. Im Alter ſtand der Ruhm-
gekrönte hoch genug um allein dem Ganzen zu leben, allein der Stimme
ſeines lauteren Patriotismus zu folgen: „ich gäbe, ſagte er einſt, willig
mein Leben dahin, wenn ich meinem Lande damit einen Monat bürger-
lichen Krieges erſparen könnte.“ Im Jahre 1815 war er durchaus noch
ein hochconſervativer Parteimann; der Weltkrieg jener Tage erſchien ihm
einfach als ein Kampf der legitimen Obrigkeit gegen die Revolution.
Die nationalen Leidenſchaften, die in den Völkern des Feſtlandes
brandeten, betrachtete er halb mit Argwohn halb mit Verachtung. Unter
Iren, Hindus, Spaniern und Portugieſen hatte er den größten Theil
ſeines Lebens verbracht; nach ſolchen Erfahrungen ſtand ihm die Mei-
nung feſt, daß keine andere Nation ſich den Briten auch nur von fern
vergleichen dürfe. Die altengliſche Sünde der Geringſchätzung fremden
Volksthums zeigte ſich bei dieſem trockenen unliebenswürdigen Helden in
ſo beleidigenden, kalt hochmüthigen Formen, daß ſelbſt die Spanier, die
ihm ſo viel verdankten, ihn aus Herzensgrunde haßten. Ganz wie ſein
Freund Caſtlereagh blieb er der Anſicht, daß die parlamentariſche Freiheit
ein ausſchließliches Beſitzthum des bevorzugten engliſchen Stammes ſei
und für die Unreife der Continentalen nicht tauge. Wie er ſchon in
Indien und Spanien die ſtaatsmänniſche Thätigkeit mit der militäriſchen
verbunden hatte, ſo war er nach dem Frieden in Paris und Wien als
Geſandter wirkſam und wurde von den Miniſtern ſo tief ins Vertrauen
gezogen, daß man ihn geradezu wie ein Mitglied des Cabinets betrachtete.
Er theilte das Mißtrauen der Torys gegen die aufſtrebenden Mächte
Preußen und Rußland, war in den Geheimniſſen der Cabinette weit
gründlicher bewandert als das Blücher’ſche Hauptquartier und übernahm
ſein Commando ſogleich mit einem feſten, klar durchdachten politiſchen
Plane — mit der Abſicht den legitimen König wieder in das Schloß
ſeiner Väter zurückzuführen.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 1: Bis zum zweiten Pariser Frieden. Leipzig, 1879, S. 727. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte01_1879/743>, abgerufen am 16.02.2025.
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