Welt leuchten zu lassen. Sein Prinzregent theilte soeben in einem hoch- müthigen Rundschreiben den europäischen Höfen die Gründung des König- reichs Hannover mit und stellte die fragwürdige Behauptung auf, "durch seine Verbindung mit Großbritannien habe das welfische Haus dem deutschen Vaterlande vielfältig Schutz und Unterstützung angedeihen lassen." In dem gleichen prahlerischen Tone schrieb Münster eine Note zur Be- kämpfung der Doctrinen des württembergischen Sultanismus; er wies nach, daß die Rechte der Landstände durch die Souveränität der kleinen Kronen keineswegs hinfällig geworden seien, und ward von der urtheils- losen öffentlichen Meinung wegen seiner edlen liberalen Gesinnung hoch gepriesen, während er doch in Wahrheit nur für das Ständewesen des hannoverschen Adelsregiments eine Lanze gebrochen hatte. Die Lage der Dinge im Fünfer-Ausschuß gestaltete sich bald so hoffnungslos, daß Stein im äußersten Unmuth den Czaren zu Hilfe rief. Alexander ließ mit warmen Worten seine Zustimmung zu den Vorschlägen der deutschen Großmächte aussprechen und mahnte die deutschen Staaten an die Ver- heißungen der Kalischer Proclamation. Der Stuttgarter Despot aber konnte die frevelhaften Angriffe auf die Vollgewalt seiner Rheinbunds- krone nicht länger mehr mit ansehen; "man wird sich bald schämen müssen ein Württemberger zu sein" -- hörte man ihn schelten. Am 16. November erklärte Württemberg seinen Austritt aus dem Rathe der Fünf, und vor den Augen des spottenden Europas ging die deutsche Pentarchie an ihrer Uneinigkeit zu Grunde.
Unterdessen hatten sich auch die kleinen Staaten geregt, mit Recht erbittert über die angemaßte Fünfherrschaft. Baden, das vergeblich Ein- laß in den Rath der Fünf verlangt hatte, überreichte an demselben Tage, da Württemberg ausschied, eine förmliche Verwahrung, welche dem Großherzog alle Rechte der unbeschränkten Souveränität vorbehielt. Die bonapartistische Gesinnung des Ministers von Hacke verschmähte die ge- hässigsten Worte nicht: nicht darum habe sein Großherzog fremde Ketten abgestreift um vielleicht eigene zu tragen. Gagern aber versammelte die Vertreter der meisten Kleinstaaten, von Kurhessen abwärts, um sich und stellte ihnen die Nothwendigkeit vor, den Großen "fühlbar zu machen, daß wir da sind und unser Handwerk wohl verstehen." Eine überaus gemischte Gesellschaft fand sich hier zusammen: ehrliche, einsichtige Patrioten wie Smidt und der Mecklenburger Plessen, verstockte Particularisten wie der Nassauer Marschall, endlich Phantasten wie Gagern selber, der nicht die rheinbündische Gesinnung Baierns und Württembergs fürchtete, sondern "die verhüllte Zweiherrschaft" Oesterreichs und Preußens. Manche der Theilnehmer bestimmte lediglich die Eifersucht gegen die Mediatisirten; sie wollten sich nicht überbieten lassen von diesen Entthronten, die als conse- quente Legitimisten für alle Kleinodien aus des heiligen Reiches Rumpel- kammer sich begeisterten und den Kaiser Franz mit Bitten um die Wie-
Auflöſung des Fünfer-Ausſchuſſes.
Welt leuchten zu laſſen. Sein Prinzregent theilte ſoeben in einem hoch- müthigen Rundſchreiben den europäiſchen Höfen die Gründung des König- reichs Hannover mit und ſtellte die fragwürdige Behauptung auf, „durch ſeine Verbindung mit Großbritannien habe das welfiſche Haus dem deutſchen Vaterlande vielfältig Schutz und Unterſtützung angedeihen laſſen.“ In dem gleichen prahleriſchen Tone ſchrieb Münſter eine Note zur Be- kämpfung der Doctrinen des württembergiſchen Sultanismus; er wies nach, daß die Rechte der Landſtände durch die Souveränität der kleinen Kronen keineswegs hinfällig geworden ſeien, und ward von der urtheils- loſen öffentlichen Meinung wegen ſeiner edlen liberalen Geſinnung hoch geprieſen, während er doch in Wahrheit nur für das Ständeweſen des hannoverſchen Adelsregiments eine Lanze gebrochen hatte. Die Lage der Dinge im Fünfer-Ausſchuß geſtaltete ſich bald ſo hoffnungslos, daß Stein im äußerſten Unmuth den Czaren zu Hilfe rief. Alexander ließ mit warmen Worten ſeine Zuſtimmung zu den Vorſchlägen der deutſchen Großmächte ausſprechen und mahnte die deutſchen Staaten an die Ver- heißungen der Kaliſcher Proclamation. Der Stuttgarter Despot aber konnte die frevelhaften Angriffe auf die Vollgewalt ſeiner Rheinbunds- krone nicht länger mehr mit anſehen; „man wird ſich bald ſchämen müſſen ein Württemberger zu ſein“ — hörte man ihn ſchelten. Am 16. November erklärte Württemberg ſeinen Austritt aus dem Rathe der Fünf, und vor den Augen des ſpottenden Europas ging die deutſche Pentarchie an ihrer Uneinigkeit zu Grunde.
Unterdeſſen hatten ſich auch die kleinen Staaten geregt, mit Recht erbittert über die angemaßte Fünfherrſchaft. Baden, das vergeblich Ein- laß in den Rath der Fünf verlangt hatte, überreichte an demſelben Tage, da Württemberg ausſchied, eine förmliche Verwahrung, welche dem Großherzog alle Rechte der unbeſchränkten Souveränität vorbehielt. Die bonapartiſtiſche Geſinnung des Miniſters von Hacke verſchmähte die ge- häſſigſten Worte nicht: nicht darum habe ſein Großherzog fremde Ketten abgeſtreift um vielleicht eigene zu tragen. Gagern aber verſammelte die Vertreter der meiſten Kleinſtaaten, von Kurheſſen abwärts, um ſich und ſtellte ihnen die Nothwendigkeit vor, den Großen „fühlbar zu machen, daß wir da ſind und unſer Handwerk wohl verſtehen.“ Eine überaus gemiſchte Geſellſchaft fand ſich hier zuſammen: ehrliche, einſichtige Patrioten wie Smidt und der Mecklenburger Pleſſen, verſtockte Particulariſten wie der Naſſauer Marſchall, endlich Phantaſten wie Gagern ſelber, der nicht die rheinbündiſche Geſinnung Baierns und Württembergs fürchtete, ſondern „die verhüllte Zweiherrſchaft“ Oeſterreichs und Preußens. Manche der Theilnehmer beſtimmte lediglich die Eiferſucht gegen die Mediatiſirten; ſie wollten ſich nicht überbieten laſſen von dieſen Entthronten, die als conſe- quente Legitimiſten für alle Kleinodien aus des heiligen Reiches Rumpel- kammer ſich begeiſterten und den Kaiſer Franz mit Bitten um die Wie-
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Auflöſung des Fünfer-Ausſchuſſes.
Welt leuchten zu laſſen. Sein Prinzregent theilte ſoeben in einem hoch-
müthigen Rundſchreiben den europäiſchen Höfen die Gründung des König-
reichs Hannover mit und ſtellte die fragwürdige Behauptung auf, „durch
ſeine Verbindung mit Großbritannien habe das welfiſche Haus dem
deutſchen Vaterlande vielfältig Schutz und Unterſtützung angedeihen laſſen.“
In dem gleichen prahleriſchen Tone ſchrieb Münſter eine Note zur Be-
kämpfung der Doctrinen des württembergiſchen Sultanismus; er wies
nach, daß die Rechte der Landſtände durch die Souveränität der kleinen
Kronen keineswegs hinfällig geworden ſeien, und ward von der urtheils-
loſen öffentlichen Meinung wegen ſeiner edlen liberalen Geſinnung hoch
geprieſen, während er doch in Wahrheit nur für das Ständeweſen des
hannoverſchen Adelsregiments eine Lanze gebrochen hatte. Die Lage der
Dinge im Fünfer-Ausſchuß geſtaltete ſich bald ſo hoffnungslos, daß Stein
im äußerſten Unmuth den Czaren zu Hilfe rief. Alexander ließ mit
warmen Worten ſeine Zuſtimmung zu den Vorſchlägen der deutſchen
Großmächte ausſprechen und mahnte die deutſchen Staaten an die Ver-
heißungen der Kaliſcher Proclamation. Der Stuttgarter Despot aber
konnte die frevelhaften Angriffe auf die Vollgewalt ſeiner Rheinbunds-
krone nicht länger mehr mit anſehen; „man wird ſich bald ſchämen müſſen
ein Württemberger zu ſein“ — hörte man ihn ſchelten. Am 16. November
erklärte Württemberg ſeinen Austritt aus dem Rathe der Fünf, und vor
den Augen des ſpottenden Europas ging die deutſche Pentarchie an ihrer
Uneinigkeit zu Grunde.
Unterdeſſen hatten ſich auch die kleinen Staaten geregt, mit Recht
erbittert über die angemaßte Fünfherrſchaft. Baden, das vergeblich Ein-
laß in den Rath der Fünf verlangt hatte, überreichte an demſelben
Tage, da Württemberg ausſchied, eine förmliche Verwahrung, welche dem
Großherzog alle Rechte der unbeſchränkten Souveränität vorbehielt. Die
bonapartiſtiſche Geſinnung des Miniſters von Hacke verſchmähte die ge-
häſſigſten Worte nicht: nicht darum habe ſein Großherzog fremde Ketten
abgeſtreift um vielleicht eigene zu tragen. Gagern aber verſammelte die
Vertreter der meiſten Kleinſtaaten, von Kurheſſen abwärts, um ſich und
ſtellte ihnen die Nothwendigkeit vor, den Großen „fühlbar zu machen, daß
wir da ſind und unſer Handwerk wohl verſtehen.“ Eine überaus gemiſchte
Geſellſchaft fand ſich hier zuſammen: ehrliche, einſichtige Patrioten wie
Smidt und der Mecklenburger Pleſſen, verſtockte Particulariſten wie der
Naſſauer Marſchall, endlich Phantaſten wie Gagern ſelber, der nicht die
rheinbündiſche Geſinnung Baierns und Württembergs fürchtete, ſondern
„die verhüllte Zweiherrſchaft“ Oeſterreichs und Preußens. Manche der
Theilnehmer beſtimmte lediglich die Eiferſucht gegen die Mediatiſirten; ſie
wollten ſich nicht überbieten laſſen von dieſen Entthronten, die als conſe-
quente Legitimiſten für alle Kleinodien aus des heiligen Reiches Rumpel-
kammer ſich begeiſterten und den Kaiſer Franz mit Bitten um die Wie-
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 1: Bis zum zweiten Pariser Frieden. Leipzig, 1879, S. 685. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte01_1879/701>, abgerufen am 16.02.2025.
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