die Mönche und Priester Roms wieder ihr Wesen treiben. Aber auch als er späterhin dem Kirchenglauben sich entfremdet und von der Höhe seiner selbstgewissen philosophischen Aufklärung herunter wegwerfend ab- urtheilt über die mittelmäßigen Pfaffennaturen Luther und Calvin, bleibt ihm doch das Bewußtsein lebendig, daß sein Staat mit allen Wurzeln seines Wesens der protestantischen Welt angehört. Er weiß, wie alle Helfershelfer des römischen Stuhles insgeheim an der Vernichtung der neuen protestantischen Großmacht arbeiten; er weiß, daß sein mensch- liches Ideal der Glaubensfreiheit, das Recht eines Jeden nach eigener Facon selig zu werden, vorderhand nur möglich ist auf dem Boden des Protestantismus; er weiß, daß er in neuen, weltlichen Formen die Kämpfe des sechszehnten Jahrhunderts weiterführt, und setzt noch über sein letztes Werk, den Plan des deutschen Fürstenbundes, die vielsagende Ueber- schrift: "entworfen nach dem Muster des Bundes von Schmalkalden."
Das früheste der uns erhaltenen politischen Schriftstücke Friedrichs zeigt uns die Blicke des Achtzehnjährigen schon jenem Gebiete des Staats- lebens zugewendet, auf dem er die höchsten und eigensten Kräfte seiner Begabung entfalten sollte: den Fragen der großen Politik. Der Kron- prinz betrachtet die Weltstellung seines Staates, findet die Lage des zer- stückelten Gebietes schwer gefährdet und entwirft dann, noch halb scherzend, im übermüthigen Spiele, verwegene Anschläge, wie die entlegenen Provinzen abzurunden seien, damit sie sich nicht mehr gar so einsam, ohne Gesell- schaft befinden. Nur kurze Zeit, und die unreifen jugendlichen Einfälle kehren wieder als tiefe und mächtige Gedanken; drei Jahre vor seiner Thron- besteigung sieht er bereits ahnungsvoll, in wunderbarer Klarheit, den großen Weg seines Lebens offen vor sich liegen: "Es scheint, so schreibt er, der Himmel hat den König bestimmt, alle Vorbereitungen zu treffen, welche die weise Umsicht vor Beginn eines Krieges erheischt. Wer weiß, ob nicht die Vorsehung mir vorbehalten hat, dereinst einen glorreichen Gebrauch zu machen von diesen Kriegsmitteln und sie zu verwenden zur Ver- wirklichung der Pläne, wofür die Voraussicht meines Vaters sie bestimmte!" Er bemerkt, wie sein Staat in unhaltbarer Mittelstellung zwischen den Kleinstaaten und den Großmächten daherschwankt, und zeigt sich entschlossen diesem Zwitterwesen einen festen Charakter zu geben (decider cet etre): die Vergrößerung des Staatsgebietes, das corriger la figure de la Prusse ist zur Nothwendigkeit geworden, wenn anders Preußen auf eignen Füßen stehen, den großen königlichen Namen mit Ehren führen will.
Von Geschlecht zu Geschlecht hatten seine Ahnen dem Hause Oester- reich treue Heeresfolge geleistet, jederzeit gewissenhaft verschmähend die Ver- legenheit des Nachbarn zum eignen Vortheil auszubeuten; Undank, Betrug und Verachtung war ihr Lohn gewesen. Auch Friedrich selber hatte "den Uebermuth, die Anmaßung, den wegwerfenden Hochmuth dieses hochtraben- den Wiener Hofes" in den Schmerzensstunden seiner mißhandelten Jugend
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Friedrichs Jugendpläne.
die Mönche und Prieſter Roms wieder ihr Weſen treiben. Aber auch als er ſpäterhin dem Kirchenglauben ſich entfremdet und von der Höhe ſeiner ſelbſtgewiſſen philoſophiſchen Aufklärung herunter wegwerfend ab- urtheilt über die mittelmäßigen Pfaffennaturen Luther und Calvin, bleibt ihm doch das Bewußtſein lebendig, daß ſein Staat mit allen Wurzeln ſeines Weſens der proteſtantiſchen Welt angehört. Er weiß, wie alle Helfershelfer des römiſchen Stuhles insgeheim an der Vernichtung der neuen proteſtantiſchen Großmacht arbeiten; er weiß, daß ſein menſch- liches Ideal der Glaubensfreiheit, das Recht eines Jeden nach eigener Façon ſelig zu werden, vorderhand nur möglich iſt auf dem Boden des Proteſtantismus; er weiß, daß er in neuen, weltlichen Formen die Kämpfe des ſechszehnten Jahrhunderts weiterführt, und ſetzt noch über ſein letztes Werk, den Plan des deutſchen Fürſtenbundes, die vielſagende Ueber- ſchrift: „entworfen nach dem Muſter des Bundes von Schmalkalden.“
Das früheſte der uns erhaltenen politiſchen Schriftſtücke Friedrichs zeigt uns die Blicke des Achtzehnjährigen ſchon jenem Gebiete des Staats- lebens zugewendet, auf dem er die höchſten und eigenſten Kräfte ſeiner Begabung entfalten ſollte: den Fragen der großen Politik. Der Kron- prinz betrachtet die Weltſtellung ſeines Staates, findet die Lage des zer- ſtückelten Gebietes ſchwer gefährdet und entwirft dann, noch halb ſcherzend, im übermüthigen Spiele, verwegene Anſchläge, wie die entlegenen Provinzen abzurunden ſeien, damit ſie ſich nicht mehr gar ſo einſam, ohne Geſell- ſchaft befinden. Nur kurze Zeit, und die unreifen jugendlichen Einfälle kehren wieder als tiefe und mächtige Gedanken; drei Jahre vor ſeiner Thron- beſteigung ſieht er bereits ahnungsvoll, in wunderbarer Klarheit, den großen Weg ſeines Lebens offen vor ſich liegen: „Es ſcheint, ſo ſchreibt er, der Himmel hat den König beſtimmt, alle Vorbereitungen zu treffen, welche die weiſe Umſicht vor Beginn eines Krieges erheiſcht. Wer weiß, ob nicht die Vorſehung mir vorbehalten hat, dereinſt einen glorreichen Gebrauch zu machen von dieſen Kriegsmitteln und ſie zu verwenden zur Ver- wirklichung der Pläne, wofür die Vorausſicht meines Vaters ſie beſtimmte!“ Er bemerkt, wie ſein Staat in unhaltbarer Mittelſtellung zwiſchen den Kleinſtaaten und den Großmächten daherſchwankt, und zeigt ſich entſchloſſen dieſem Zwitterweſen einen feſten Charakter zu geben (décider cet être): die Vergrößerung des Staatsgebietes, das corriger la figure de la Prusse iſt zur Nothwendigkeit geworden, wenn anders Preußen auf eignen Füßen ſtehen, den großen königlichen Namen mit Ehren führen will.
Von Geſchlecht zu Geſchlecht hatten ſeine Ahnen dem Hauſe Oeſter- reich treue Heeresfolge geleiſtet, jederzeit gewiſſenhaft verſchmähend die Ver- legenheit des Nachbarn zum eignen Vortheil auszubeuten; Undank, Betrug und Verachtung war ihr Lohn geweſen. Auch Friedrich ſelber hatte „den Uebermuth, die Anmaßung, den wegwerfenden Hochmuth dieſes hochtraben- den Wiener Hofes“ in den Schmerzensſtunden ſeiner mißhandelten Jugend
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Friedrichs Jugendpläne.
die Mönche und Prieſter Roms wieder ihr Weſen treiben. Aber auch
als er ſpäterhin dem Kirchenglauben ſich entfremdet und von der Höhe
ſeiner ſelbſtgewiſſen philoſophiſchen Aufklärung herunter wegwerfend ab-
urtheilt über die mittelmäßigen Pfaffennaturen Luther und Calvin,
bleibt ihm doch das Bewußtſein lebendig, daß ſein Staat mit allen
Wurzeln ſeines Weſens der proteſtantiſchen Welt angehört. Er weiß,
wie alle Helfershelfer des römiſchen Stuhles insgeheim an der Vernichtung
der neuen proteſtantiſchen Großmacht arbeiten; er weiß, daß ſein menſch-
liches Ideal der Glaubensfreiheit, das Recht eines Jeden nach eigener
Façon ſelig zu werden, vorderhand nur möglich iſt auf dem Boden des
Proteſtantismus; er weiß, daß er in neuen, weltlichen Formen die Kämpfe
des ſechszehnten Jahrhunderts weiterführt, und ſetzt noch über ſein letztes
Werk, den Plan des deutſchen Fürſtenbundes, die vielſagende Ueber-
ſchrift: „entworfen nach dem Muſter des Bundes von Schmalkalden.“
Das früheſte der uns erhaltenen politiſchen Schriftſtücke Friedrichs
zeigt uns die Blicke des Achtzehnjährigen ſchon jenem Gebiete des Staats-
lebens zugewendet, auf dem er die höchſten und eigenſten Kräfte ſeiner
Begabung entfalten ſollte: den Fragen der großen Politik. Der Kron-
prinz betrachtet die Weltſtellung ſeines Staates, findet die Lage des zer-
ſtückelten Gebietes ſchwer gefährdet und entwirft dann, noch halb ſcherzend,
im übermüthigen Spiele, verwegene Anſchläge, wie die entlegenen Provinzen
abzurunden ſeien, damit ſie ſich nicht mehr gar ſo einſam, ohne Geſell-
ſchaft befinden. Nur kurze Zeit, und die unreifen jugendlichen Einfälle kehren
wieder als tiefe und mächtige Gedanken; drei Jahre vor ſeiner Thron-
beſteigung ſieht er bereits ahnungsvoll, in wunderbarer Klarheit, den
großen Weg ſeines Lebens offen vor ſich liegen: „Es ſcheint, ſo ſchreibt
er, der Himmel hat den König beſtimmt, alle Vorbereitungen zu treffen,
welche die weiſe Umſicht vor Beginn eines Krieges erheiſcht. Wer weiß,
ob nicht die Vorſehung mir vorbehalten hat, dereinſt einen glorreichen
Gebrauch zu machen von dieſen Kriegsmitteln und ſie zu verwenden zur Ver-
wirklichung der Pläne, wofür die Vorausſicht meines Vaters ſie beſtimmte!“
Er bemerkt, wie ſein Staat in unhaltbarer Mittelſtellung zwiſchen den
Kleinſtaaten und den Großmächten daherſchwankt, und zeigt ſich entſchloſſen
dieſem Zwitterweſen einen feſten Charakter zu geben (décider cet être):
die Vergrößerung des Staatsgebietes, das corriger la figure de la Prusse
iſt zur Nothwendigkeit geworden, wenn anders Preußen auf eignen Füßen
ſtehen, den großen königlichen Namen mit Ehren führen will.
Von Geſchlecht zu Geſchlecht hatten ſeine Ahnen dem Hauſe Oeſter-
reich treue Heeresfolge geleiſtet, jederzeit gewiſſenhaft verſchmähend die Ver-
legenheit des Nachbarn zum eignen Vortheil auszubeuten; Undank, Betrug
und Verachtung war ihr Lohn geweſen. Auch Friedrich ſelber hatte „den
Uebermuth, die Anmaßung, den wegwerfenden Hochmuth dieſes hochtraben-
den Wiener Hofes“ in den Schmerzensſtunden ſeiner mißhandelten Jugend
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 1: Bis zum zweiten Pariser Frieden. Leipzig, 1879, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte01_1879/67>, abgerufen am 24.11.2024.
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