fügung gestellt. General Thielmann erhielt Befehl, Torgau den Franzo- sen zu öffnen und trat, da seine Truppen den Weisungen ihres Königs unbedingt gehorchten, allein zu den Verbündeten über, nur begleitet von dem genialen Aster, dem deutschen Vauban. Der Besitz der sächsischen Festungen erlaubte den Franzosen den Krieg um Monate zu verlängern. Ein hartes Strafgericht erging über die treuen Preußen in Cottbus, die im März, als Blüchers Heer einzog, sich sofort jubelnd der deutschen Sache angeschlossen, zahlreiche Freiwillige unter die Fahnen ihres alten Landesherrn gestellt hatten. Sobald die sächsische Herrschaft zurückkam, wurde das Cottbuser Land von den Franzosen in Belagerungszustand erklärt, eine Anzahl der angesehensten Patrioten, der wackere Landrath von Normann voran, auf die Anzeige der sächsischen Beamten in das Ge- fängniß geworfen und den Familien der Freiwilligen, bei Strafe der Vermögenseinziehung, anbefohlen ihre Söhne zur Heimkehr aufzufordern. Diese boshafte Verfolgung erfüllte die Bewohner des Landes mit so in- grimmigem Hasse, daß sie nach der Wiederbefreiung den König baten, er möge sie der Kurmark, nicht der Provinz Sachsen zutheilen: "wir wün- schen nie wieder mit den sächsischen Behörden in ein näheres Verhältniß zu treten, auch dann nicht wenn sie den k. preußischen Unterthanen zu- gesellt werden sollten."*)
Auf Befehl des Protectors eilte Friedrich August selbst aus Prag herbei um durch die Spaliere französischer Truppen in der sächsischen Hauptstadt einzuziehen, und das neutrale Oesterreich ließ den Rheinbunds- fürsten ungehindert in das napoleonische Feldlager zurückkehren. Der Imperator empfing ihn um so freudiger, da er aus dem Hergange er- rieth, daß Kaiser Franz noch keineswegs entschlossen war zu den Verbün- deten überzutreten. Fortan fuhr der sächsische Hof wieder mit vollen Segeln im Fahrwasser der französischen Allianz: er hoffte abermals auf Preußens Kosten sich zu vergrößern und erbat sich bei dem Protector für den Fall des Friedens: Glogau und einen Strich von Schlesien, dergestalt daß Kursachsen mit Warschau ein zusammenhängendes Gebiet bilden sollte. König Friedrich Wilhelm aber sagte schon im Mai einem sächsischen Edelmanne voraus: der Untergang der albertinischen Krone werde die unvermeidliche Folge solcher Treulosigkeit sein.
Die Verbündeten waren mittlerweile über die Elbe bis in die Ober- lausitz zurückgewichen. Napoleon folgte; sein Heer stand zerstreut auf der weiten Linie von Dresden bis Wittenberg. Er faßte jetzt zum ersten male den Plan zu einem Angriff auf Berlin -- einen Gedanken, der seitdem in allen Berechnungen dieses Feldzugs immer wiederkehrte: wäh- rend er selbst der Armee der Alliirten ostwärts folgte, sollte Ney durch
*) Eingabe der Deputirten des Cottbuser Kreises an den König, Berlin 25. Aug. 1814.
Scharnhorſts Tod.
fügung geſtellt. General Thielmann erhielt Befehl, Torgau den Franzo- ſen zu öffnen und trat, da ſeine Truppen den Weiſungen ihres Königs unbedingt gehorchten, allein zu den Verbündeten über, nur begleitet von dem genialen Aſter, dem deutſchen Vauban. Der Beſitz der ſächſiſchen Feſtungen erlaubte den Franzoſen den Krieg um Monate zu verlängern. Ein hartes Strafgericht erging über die treuen Preußen in Cottbus, die im März, als Blüchers Heer einzog, ſich ſofort jubelnd der deutſchen Sache angeſchloſſen, zahlreiche Freiwillige unter die Fahnen ihres alten Landesherrn geſtellt hatten. Sobald die ſächſiſche Herrſchaft zurückkam, wurde das Cottbuſer Land von den Franzoſen in Belagerungszuſtand erklärt, eine Anzahl der angeſehenſten Patrioten, der wackere Landrath von Normann voran, auf die Anzeige der ſächſiſchen Beamten in das Ge- fängniß geworfen und den Familien der Freiwilligen, bei Strafe der Vermögenseinziehung, anbefohlen ihre Söhne zur Heimkehr aufzufordern. Dieſe boshafte Verfolgung erfüllte die Bewohner des Landes mit ſo in- grimmigem Haſſe, daß ſie nach der Wiederbefreiung den König baten, er möge ſie der Kurmark, nicht der Provinz Sachſen zutheilen: „wir wün- ſchen nie wieder mit den ſächſiſchen Behörden in ein näheres Verhältniß zu treten, auch dann nicht wenn ſie den k. preußiſchen Unterthanen zu- geſellt werden ſollten.“*)
Auf Befehl des Protectors eilte Friedrich Auguſt ſelbſt aus Prag herbei um durch die Spaliere franzöſiſcher Truppen in der ſächſiſchen Hauptſtadt einzuziehen, und das neutrale Oeſterreich ließ den Rheinbunds- fürſten ungehindert in das napoleoniſche Feldlager zurückkehren. Der Imperator empfing ihn um ſo freudiger, da er aus dem Hergange er- rieth, daß Kaiſer Franz noch keineswegs entſchloſſen war zu den Verbün- deten überzutreten. Fortan fuhr der ſächſiſche Hof wieder mit vollen Segeln im Fahrwaſſer der franzöſiſchen Allianz: er hoffte abermals auf Preußens Koſten ſich zu vergrößern und erbat ſich bei dem Protector für den Fall des Friedens: Glogau und einen Strich von Schleſien, dergeſtalt daß Kurſachſen mit Warſchau ein zuſammenhängendes Gebiet bilden ſollte. König Friedrich Wilhelm aber ſagte ſchon im Mai einem ſächſiſchen Edelmanne voraus: der Untergang der albertiniſchen Krone werde die unvermeidliche Folge ſolcher Treuloſigkeit ſein.
Die Verbündeten waren mittlerweile über die Elbe bis in die Ober- lauſitz zurückgewichen. Napoleon folgte; ſein Heer ſtand zerſtreut auf der weiten Linie von Dresden bis Wittenberg. Er faßte jetzt zum erſten male den Plan zu einem Angriff auf Berlin — einen Gedanken, der ſeitdem in allen Berechnungen dieſes Feldzugs immer wiederkehrte: wäh- rend er ſelbſt der Armee der Alliirten oſtwärts folgte, ſollte Ney durch
*) Eingabe der Deputirten des Cottbuſer Kreiſes an den König, Berlin 25. Aug. 1814.
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Scharnhorſts Tod.
fügung geſtellt. General Thielmann erhielt Befehl, Torgau den Franzo-
ſen zu öffnen und trat, da ſeine Truppen den Weiſungen ihres Königs
unbedingt gehorchten, allein zu den Verbündeten über, nur begleitet von
dem genialen Aſter, dem deutſchen Vauban. Der Beſitz der ſächſiſchen
Feſtungen erlaubte den Franzoſen den Krieg um Monate zu verlängern.
Ein hartes Strafgericht erging über die treuen Preußen in Cottbus, die
im März, als Blüchers Heer einzog, ſich ſofort jubelnd der deutſchen
Sache angeſchloſſen, zahlreiche Freiwillige unter die Fahnen ihres alten
Landesherrn geſtellt hatten. Sobald die ſächſiſche Herrſchaft zurückkam,
wurde das Cottbuſer Land von den Franzoſen in Belagerungszuſtand
erklärt, eine Anzahl der angeſehenſten Patrioten, der wackere Landrath
von Normann voran, auf die Anzeige der ſächſiſchen Beamten in das Ge-
fängniß geworfen und den Familien der Freiwilligen, bei Strafe der
Vermögenseinziehung, anbefohlen ihre Söhne zur Heimkehr aufzufordern.
Dieſe boshafte Verfolgung erfüllte die Bewohner des Landes mit ſo in-
grimmigem Haſſe, daß ſie nach der Wiederbefreiung den König baten, er
möge ſie der Kurmark, nicht der Provinz Sachſen zutheilen: „wir wün-
ſchen nie wieder mit den ſächſiſchen Behörden in ein näheres Verhältniß
zu treten, auch dann nicht wenn ſie den k. preußiſchen Unterthanen zu-
geſellt werden ſollten.“ *)
Auf Befehl des Protectors eilte Friedrich Auguſt ſelbſt aus Prag
herbei um durch die Spaliere franzöſiſcher Truppen in der ſächſiſchen
Hauptſtadt einzuziehen, und das neutrale Oeſterreich ließ den Rheinbunds-
fürſten ungehindert in das napoleoniſche Feldlager zurückkehren. Der
Imperator empfing ihn um ſo freudiger, da er aus dem Hergange er-
rieth, daß Kaiſer Franz noch keineswegs entſchloſſen war zu den Verbün-
deten überzutreten. Fortan fuhr der ſächſiſche Hof wieder mit vollen
Segeln im Fahrwaſſer der franzöſiſchen Allianz: er hoffte abermals
auf Preußens Koſten ſich zu vergrößern und erbat ſich bei dem Protector
für den Fall des Friedens: Glogau und einen Strich von Schleſien,
dergeſtalt daß Kurſachſen mit Warſchau ein zuſammenhängendes Gebiet
bilden ſollte. König Friedrich Wilhelm aber ſagte ſchon im Mai einem
ſächſiſchen Edelmanne voraus: der Untergang der albertiniſchen Krone werde
die unvermeidliche Folge ſolcher Treuloſigkeit ſein.
Die Verbündeten waren mittlerweile über die Elbe bis in die Ober-
lauſitz zurückgewichen. Napoleon folgte; ſein Heer ſtand zerſtreut auf der
weiten Linie von Dresden bis Wittenberg. Er faßte jetzt zum erſten
male den Plan zu einem Angriff auf Berlin — einen Gedanken, der
ſeitdem in allen Berechnungen dieſes Feldzugs immer wiederkehrte: wäh-
rend er ſelbſt der Armee der Alliirten oſtwärts folgte, ſollte Ney durch
*) Eingabe der Deputirten des Cottbuſer Kreiſes an den König, Berlin 25. Aug.
1814.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 1: Bis zum zweiten Pariser Frieden. Leipzig, 1879, S. 457. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte01_1879/473>, abgerufen am 16.02.2025.
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