Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 1: Bis zum zweiten Pariser Frieden. Leipzig, 1879.Neue Mediatisirungen. die Lobkowitz und Schwarzenberg, über alle jene österreichischen Standes-herren, welche so lange den Stamm der kaiserlichen Partei unter den weltlichen Fürsten gebildet hatten. Mit ihnen fielen auch die alten ruhm- vollen Geschlechter der Fürstenberg und Hohenlohe, die vor wenigen Jahr- zehnten noch fast ebenso mächtig gewesen wie ihre glücklichen Nachbarn in Carlsruhe und Stuttgart; und Einer mindestens unter den Mediatisirten ließ mit Bewußtsein, um der Ehre willen das Verhängniß über sich er- gehen. Fürst Friedrich Ludwig von Hohenlohe-Oehringen wies alle die Lockungen, wodurch Napoleon den berühmten preußischen General für den Rheinbund zu gewinnen suchte, stolz zurück; er wollte die Treue nicht brechen, die sein Haus seit Jahrhunderten mit den Hohenzollern vereinte, er verlor seine Landeshoheit, weil er sich muthig auf Preußens Seite stellte. Noch unmittelbarer wurde der Berliner Hof verletzt durch die Beraubung der Nassau-Oranier; dies Haus, dem die Krone Preußen auf deutschem Boden eine Entschädigung für den verlorenen niederländischen Besitz verschafft hatte, sah sich jetzt aus einem Theile seiner deutschen Lande vertrieben, ohne daß man auch nur eine Anzeige in Berlin für nöthig hielt. Zufall und Laune entschieden über Bestand und Untergang der Kleinstaaten; der kleine Graf von der Leyen wurde als souveräner Fürst in den Rheinbund aufgenommen weil er ein Neffe Dalbergs war. Und doch waltete eine heilige Nothwendigkeit, den Frevlern unbewußt, auch über dieser Gewaltthat. Wieder verschwand eine ganze Schaar jener un- fruchtbaren Staatsbildungen, die sich einst mit den Spolien der alten deutschen Monarchie bereichert hatten; es ebnete sich der Boden, auf dem dereinst ein neuer Bau der deutschen Einheit emporsteigen sollte. Bis tief in den Sommer hinein blieb Napoleon darauf gefaßt, daß Neue Mediatiſirungen. die Lobkowitz und Schwarzenberg, über alle jene öſterreichiſchen Standes-herren, welche ſo lange den Stamm der kaiſerlichen Partei unter den weltlichen Fürſten gebildet hatten. Mit ihnen fielen auch die alten ruhm- vollen Geſchlechter der Fürſtenberg und Hohenlohe, die vor wenigen Jahr- zehnten noch faſt ebenſo mächtig geweſen wie ihre glücklichen Nachbarn in Carlsruhe und Stuttgart; und Einer mindeſtens unter den Mediatiſirten ließ mit Bewußtſein, um der Ehre willen das Verhängniß über ſich er- gehen. Fürſt Friedrich Ludwig von Hohenlohe-Oehringen wies alle die Lockungen, wodurch Napoleon den berühmten preußiſchen General für den Rheinbund zu gewinnen ſuchte, ſtolz zurück; er wollte die Treue nicht brechen, die ſein Haus ſeit Jahrhunderten mit den Hohenzollern vereinte, er verlor ſeine Landeshoheit, weil er ſich muthig auf Preußens Seite ſtellte. Noch unmittelbarer wurde der Berliner Hof verletzt durch die Beraubung der Naſſau-Oranier; dies Haus, dem die Krone Preußen auf deutſchem Boden eine Entſchädigung für den verlorenen niederländiſchen Beſitz verſchafft hatte, ſah ſich jetzt aus einem Theile ſeiner deutſchen Lande vertrieben, ohne daß man auch nur eine Anzeige in Berlin für nöthig hielt. Zufall und Laune entſchieden über Beſtand und Untergang der Kleinſtaaten; der kleine Graf von der Leyen wurde als ſouveräner Fürſt in den Rheinbund aufgenommen weil er ein Neffe Dalbergs war. Und doch waltete eine heilige Nothwendigkeit, den Frevlern unbewußt, auch über dieſer Gewaltthat. Wieder verſchwand eine ganze Schaar jener un- fruchtbaren Staatsbildungen, die ſich einſt mit den Spolien der alten deutſchen Monarchie bereichert hatten; es ebnete ſich der Boden, auf dem dereinſt ein neuer Bau der deutſchen Einheit emporſteigen ſollte. Bis tief in den Sommer hinein blieb Napoleon darauf gefaßt, daß <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0249" n="233"/><fw place="top" type="header">Neue Mediatiſirungen.</fw><lb/> die Lobkowitz und Schwarzenberg, über alle jene öſterreichiſchen Standes-<lb/> herren, welche ſo lange den Stamm der kaiſerlichen Partei unter den<lb/> weltlichen Fürſten gebildet hatten. Mit ihnen fielen auch die alten ruhm-<lb/> vollen Geſchlechter der Fürſtenberg und Hohenlohe, die vor wenigen Jahr-<lb/> zehnten noch faſt ebenſo mächtig geweſen wie ihre glücklichen Nachbarn in<lb/> Carlsruhe und Stuttgart; und Einer mindeſtens unter den Mediatiſirten<lb/> ließ mit Bewußtſein, um der Ehre willen das Verhängniß über ſich er-<lb/> gehen. Fürſt Friedrich Ludwig von Hohenlohe-Oehringen wies alle die<lb/> Lockungen, wodurch Napoleon den berühmten preußiſchen General für den<lb/> Rheinbund zu gewinnen ſuchte, ſtolz zurück; er wollte die Treue nicht<lb/> brechen, die ſein Haus ſeit Jahrhunderten mit den Hohenzollern vereinte,<lb/> er verlor ſeine Landeshoheit, weil er ſich muthig auf Preußens Seite<lb/> ſtellte. Noch unmittelbarer wurde der Berliner Hof verletzt durch die<lb/> Beraubung der Naſſau-Oranier; dies Haus, dem die Krone Preußen<lb/> auf deutſchem Boden eine Entſchädigung für den verlorenen niederländiſchen<lb/> Beſitz verſchafft hatte, ſah ſich jetzt aus einem Theile ſeiner deutſchen<lb/> Lande vertrieben, ohne daß man auch nur eine Anzeige in Berlin für<lb/> nöthig hielt. Zufall und Laune entſchieden über Beſtand und Untergang<lb/> der Kleinſtaaten; der kleine Graf von der Leyen wurde als ſouveräner<lb/> Fürſt in den Rheinbund aufgenommen weil er ein Neffe Dalbergs war.<lb/> Und doch waltete eine heilige Nothwendigkeit, den Frevlern unbewußt, auch<lb/> über dieſer Gewaltthat. Wieder verſchwand eine ganze Schaar jener un-<lb/> fruchtbaren Staatsbildungen, die ſich einſt mit den Spolien der alten<lb/> deutſchen Monarchie bereichert hatten; es ebnete ſich der Boden, auf dem<lb/> dereinſt ein neuer Bau der deutſchen Einheit emporſteigen ſollte.</p><lb/> <p>Bis tief in den Sommer hinein blieb Napoleon darauf gefaßt, daß<lb/> der rechtmäßige Kaiſer der Vernichtung des alten Reiches widerſprechen<lb/> werde; beſtimmte doch der Preßburger Friede ausdrücklich, daß die neuen<lb/> Könige nicht aufhören ſollten dem Deutſchen Bunde anzugehören. Aber<lb/> Oeſterreich war tief erſchöpft von dem unglücklichen Kriege; Erzherzog Karl<lb/> und der neue Miniſter des Auswärtigen Graf Philipp Stadion hofften<lb/> in Frieden die Kräfte der Monarchie wiederherzuſtellen. Zudem waren<lb/> in jenem Preßburger Vertrage alle Folgen der bairiſch-württembergiſchen<lb/> Souveränität bereits gutgeheißen, alſo mittelbar die kaiſerlichen Majeſtäts-<lb/> rechte ſchon preisgegeben. Wollte und konnte man die Anſprüche des<lb/> alten Kaiſerthums nicht mit den Waffen behaupten, ſo erforderte die Würde<lb/> des kaiſerlichen Hauſes, daß man dem werthloſen Titel rechtzeitig, von<lb/> freien Stücken entſagte, bevor Napoleon den Verzicht erzwang. So lautete<lb/> auch Stadions Rath; doch die alte Begehrlichkeit der habsburgiſchen<lb/> Dynaſtenpolitik wollte ſelbſt in dieſen finſteren Tagen, da eine tauſend-<lb/> jährige Geſchichte ihren tragiſchen Abſchluß fand, nicht zur Ruhe gelangen.<lb/> Wie ſeine Ahnen den Beſitz des Kaiſerthrones immer nur als ein Mittel<lb/> zur Vermehrung ihrer Hausmacht angeſehen hatten, ſo dachte Kaiſer Franz<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [233/0249]
Neue Mediatiſirungen.
die Lobkowitz und Schwarzenberg, über alle jene öſterreichiſchen Standes-
herren, welche ſo lange den Stamm der kaiſerlichen Partei unter den
weltlichen Fürſten gebildet hatten. Mit ihnen fielen auch die alten ruhm-
vollen Geſchlechter der Fürſtenberg und Hohenlohe, die vor wenigen Jahr-
zehnten noch faſt ebenſo mächtig geweſen wie ihre glücklichen Nachbarn in
Carlsruhe und Stuttgart; und Einer mindeſtens unter den Mediatiſirten
ließ mit Bewußtſein, um der Ehre willen das Verhängniß über ſich er-
gehen. Fürſt Friedrich Ludwig von Hohenlohe-Oehringen wies alle die
Lockungen, wodurch Napoleon den berühmten preußiſchen General für den
Rheinbund zu gewinnen ſuchte, ſtolz zurück; er wollte die Treue nicht
brechen, die ſein Haus ſeit Jahrhunderten mit den Hohenzollern vereinte,
er verlor ſeine Landeshoheit, weil er ſich muthig auf Preußens Seite
ſtellte. Noch unmittelbarer wurde der Berliner Hof verletzt durch die
Beraubung der Naſſau-Oranier; dies Haus, dem die Krone Preußen
auf deutſchem Boden eine Entſchädigung für den verlorenen niederländiſchen
Beſitz verſchafft hatte, ſah ſich jetzt aus einem Theile ſeiner deutſchen
Lande vertrieben, ohne daß man auch nur eine Anzeige in Berlin für
nöthig hielt. Zufall und Laune entſchieden über Beſtand und Untergang
der Kleinſtaaten; der kleine Graf von der Leyen wurde als ſouveräner
Fürſt in den Rheinbund aufgenommen weil er ein Neffe Dalbergs war.
Und doch waltete eine heilige Nothwendigkeit, den Frevlern unbewußt, auch
über dieſer Gewaltthat. Wieder verſchwand eine ganze Schaar jener un-
fruchtbaren Staatsbildungen, die ſich einſt mit den Spolien der alten
deutſchen Monarchie bereichert hatten; es ebnete ſich der Boden, auf dem
dereinſt ein neuer Bau der deutſchen Einheit emporſteigen ſollte.
Bis tief in den Sommer hinein blieb Napoleon darauf gefaßt, daß
der rechtmäßige Kaiſer der Vernichtung des alten Reiches widerſprechen
werde; beſtimmte doch der Preßburger Friede ausdrücklich, daß die neuen
Könige nicht aufhören ſollten dem Deutſchen Bunde anzugehören. Aber
Oeſterreich war tief erſchöpft von dem unglücklichen Kriege; Erzherzog Karl
und der neue Miniſter des Auswärtigen Graf Philipp Stadion hofften
in Frieden die Kräfte der Monarchie wiederherzuſtellen. Zudem waren
in jenem Preßburger Vertrage alle Folgen der bairiſch-württembergiſchen
Souveränität bereits gutgeheißen, alſo mittelbar die kaiſerlichen Majeſtäts-
rechte ſchon preisgegeben. Wollte und konnte man die Anſprüche des
alten Kaiſerthums nicht mit den Waffen behaupten, ſo erforderte die Würde
des kaiſerlichen Hauſes, daß man dem werthloſen Titel rechtzeitig, von
freien Stücken entſagte, bevor Napoleon den Verzicht erzwang. So lautete
auch Stadions Rath; doch die alte Begehrlichkeit der habsburgiſchen
Dynaſtenpolitik wollte ſelbſt in dieſen finſteren Tagen, da eine tauſend-
jährige Geſchichte ihren tragiſchen Abſchluß fand, nicht zur Ruhe gelangen.
Wie ſeine Ahnen den Beſitz des Kaiſerthrones immer nur als ein Mittel
zur Vermehrung ihrer Hausmacht angeſehen hatten, ſo dachte Kaiſer Franz
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |