Traun, Julius von der [d. i. Alexander Julius Schindler]: Der Gebirgspfarrer. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–156. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Antwort zu geben, begann er mit lauter Stimme ein Vaterunser zu beten und mit seinem Glöcklein zu läuten. Der Pfarrer ließ sich auch nicht weiter vernehmen und haderte nicht mehr. -- Nach einer Weile endete der Meßner sein Gebet und schaute sich nach seinem Herrn um, erblickte aber hinter sich nur Flockengewimmel und weiße, abschüssige Wege. Er lief eine Strecke zurück, leuchtete mit der Laterne -- rief -- umsonst. Ringsum nur der brausende Wind und der stumme Schnee. Da war es dem Alten, als erblicke er vor sich eine dunkle Gestalt, die sich aus dem Schnee aufwühlte und fortrannte. Er eilte ihr nach, verlor sie bald aus den Augen, bald kam sie wieder und immer schneller laufend zum Vorschein. Der Meßner keuchte ihr nach, so schnell er es vermochte, endlich gewahrte er frische Fußstapfen in unbegreiflich weiten Zwischenräumen -- im beschneiten Boden einen Blutstropfen -- wieder einen -- noch einen -- sein Haar sträubte sich, in seiner zitternden Hand läutete das Glöcklein, ohne daß er es wollte -- er folgte den Blutspuren auf dem Wege nach, ohne daß er in seinem besinnungslosen Zustande die Richtung seines Ganges bestimmte. Antwort zu geben, begann er mit lauter Stimme ein Vaterunser zu beten und mit seinem Glöcklein zu läuten. Der Pfarrer ließ sich auch nicht weiter vernehmen und haderte nicht mehr. — Nach einer Weile endete der Meßner sein Gebet und schaute sich nach seinem Herrn um, erblickte aber hinter sich nur Flockengewimmel und weiße, abschüssige Wege. Er lief eine Strecke zurück, leuchtete mit der Laterne — rief — umsonst. Ringsum nur der brausende Wind und der stumme Schnee. Da war es dem Alten, als erblicke er vor sich eine dunkle Gestalt, die sich aus dem Schnee aufwühlte und fortrannte. Er eilte ihr nach, verlor sie bald aus den Augen, bald kam sie wieder und immer schneller laufend zum Vorschein. Der Meßner keuchte ihr nach, so schnell er es vermochte, endlich gewahrte er frische Fußstapfen in unbegreiflich weiten Zwischenräumen — im beschneiten Boden einen Blutstropfen — wieder einen — noch einen — sein Haar sträubte sich, in seiner zitternden Hand läutete das Glöcklein, ohne daß er es wollte — er folgte den Blutspuren auf dem Wege nach, ohne daß er in seinem besinnungslosen Zustande die Richtung seines Ganges bestimmte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0033"/> Antwort zu geben, begann er mit lauter Stimme ein Vaterunser zu beten und mit seinem Glöcklein zu läuten. Der Pfarrer ließ sich auch nicht weiter vernehmen und haderte nicht mehr. — Nach einer Weile endete der Meßner sein Gebet und schaute sich nach seinem Herrn um, erblickte aber hinter sich nur Flockengewimmel und weiße, abschüssige Wege. Er lief eine Strecke zurück, leuchtete mit der Laterne — rief — umsonst. Ringsum nur der brausende Wind und der stumme Schnee.</p><lb/> <p>Da war es dem Alten, als erblicke er vor sich eine dunkle Gestalt, die sich aus dem Schnee aufwühlte und fortrannte. Er eilte ihr nach, verlor sie bald aus den Augen, bald kam sie wieder und immer schneller laufend zum Vorschein.</p><lb/> <p>Der Meßner keuchte ihr nach, so schnell er es vermochte, endlich gewahrte er frische Fußstapfen in unbegreiflich weiten Zwischenräumen — im beschneiten Boden einen Blutstropfen — wieder einen — noch einen — sein Haar sträubte sich, in seiner zitternden Hand läutete das Glöcklein, ohne daß er es wollte — er folgte den Blutspuren auf dem Wege nach, ohne daß er in seinem besinnungslosen Zustande die Richtung seines Ganges bestimmte.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0033]
Antwort zu geben, begann er mit lauter Stimme ein Vaterunser zu beten und mit seinem Glöcklein zu läuten. Der Pfarrer ließ sich auch nicht weiter vernehmen und haderte nicht mehr. — Nach einer Weile endete der Meßner sein Gebet und schaute sich nach seinem Herrn um, erblickte aber hinter sich nur Flockengewimmel und weiße, abschüssige Wege. Er lief eine Strecke zurück, leuchtete mit der Laterne — rief — umsonst. Ringsum nur der brausende Wind und der stumme Schnee.
Da war es dem Alten, als erblicke er vor sich eine dunkle Gestalt, die sich aus dem Schnee aufwühlte und fortrannte. Er eilte ihr nach, verlor sie bald aus den Augen, bald kam sie wieder und immer schneller laufend zum Vorschein.
Der Meßner keuchte ihr nach, so schnell er es vermochte, endlich gewahrte er frische Fußstapfen in unbegreiflich weiten Zwischenräumen — im beschneiten Boden einen Blutstropfen — wieder einen — noch einen — sein Haar sträubte sich, in seiner zitternden Hand läutete das Glöcklein, ohne daß er es wollte — er folgte den Blutspuren auf dem Wege nach, ohne daß er in seinem besinnungslosen Zustande die Richtung seines Ganges bestimmte.
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Zitationshilfe: | Traun, Julius von der [d. i. Alexander Julius Schindler]: Der Gebirgspfarrer. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–156. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/traun_gebirgspfarrer_1910/33>, abgerufen am 28.07.2024. |