Beschlüsse fassen, aber als handelnde zerfällt sie in die vielen Einzelnen, welche ihr Wille bewegen oder zwingen soll, da er doch an und für sich keiner Action fähig ist; und es ist keineswegs gewiss, dass auch nur die Mehrheit, als Summe von Einzelnen, zu gemeinsamer Action im Sinne ihres Wil- lens fähig sei. Die Vereins-Person muss daher, gleich jeder anderen Person, um zwingen zu können, eine Uebermacht menschlicher Kräfte durch andere als Zwangsmittel zu ihrer Verfügung haben, was in einem gesellschaftlichen Zustande nur dadurch erreichbar ist, dass sie dieselben ein- kauft. Sie muss daher über Geld als das allgemeine Kauf- mittel in ausreichender Menge verfügen. Auch dann aber bleibt die Ausübung des Zwanges an eine grosse Bedingung gebunden. Das ist die wenigstens negative Mitwirkung der gesammten Gesellschaft. Der Zwang kann nur dann mit Sicherheit und Regelmässigkeit erfolgen, wenn Niemand be- reit ist oder sich bewegen lässt, dem Gezwungenen zum Widerstande Hülfe zu leisten, oder wenn doch im Vergleiche zur Macht des Zwingenden die Zahl Solcher eine verschwin- dende ist, also dass die zwingende Abwehr derselben mit der gleichen Sicherheit wie der Zwang des ersten "Delin- quenten" erfolgen wird. Wie bei der ökonomischen Seite jedes Contractes (oder Tausches) im Sinne der Gültigkeit, so ist bei der rechtlichen im Sinne der obligatorischen Wirk- samkeit also die Gesellschaft betheiligt. Sie macht durch Neutralität den Widerstand unmöglich, wenn die Kräfte des Berechtigten überlegene sind. Ueberlegenheit des Ein- zelnen über den Einzelnen im Sinne momentaner und sicherer Wirkung ist für den durchschnittlichen Fall ausgeschlossen, da jeder Kräfte genug hat, um sich einem Einzelnen zu widersetzen. Der Berechtigte muss also Hülfskräfte für sich werben. Daher würde jeder Verein gegen reale Per- sonen ohnmächtig sein ohne Geld. Dieses Geld muss ihm vorher gegeben sein. Er muss darüber mit Freiheit ver- fügen. Dadurch verfügt er auch über menschliche Kräfte. Er kann derselben auch zu anderen Zwecken als zum Zwingen nach innen und aussen bedürfen, und vielleicht nur zu anderen Zwecken die aus seinem Hauptzwecke fol- gen, z. B. aus dem Betriebe eines Handelsgeschäftes. Die
Beschlüsse fassen, aber als handelnde zerfällt sie in die vielen Einzelnen, welche ihr Wille bewegen oder zwingen soll, da er doch an und für sich keiner Action fähig ist; und es ist keineswegs gewiss, dass auch nur die Mehrheit, als Summe von Einzelnen, zu gemeinsamer Action im Sinne ihres Wil- lens fähig sei. Die Vereins-Person muss daher, gleich jeder anderen Person, um zwingen zu können, eine Uebermacht menschlicher Kräfte durch andere als Zwangsmittel zu ihrer Verfügung haben, was in einem gesellschaftlichen Zustande nur dadurch erreichbar ist, dass sie dieselben ein- kauft. Sie muss daher über Geld als das allgemeine Kauf- mittel in ausreichender Menge verfügen. Auch dann aber bleibt die Ausübung des Zwanges an eine grosse Bedingung gebunden. Das ist die wenigstens negative Mitwirkung der gesammten Gesellschaft. Der Zwang kann nur dann mit Sicherheit und Regelmässigkeit erfolgen, wenn Niemand be- reit ist oder sich bewegen lässt, dem Gezwungenen zum Widerstande Hülfe zu leisten, oder wenn doch im Vergleiche zur Macht des Zwingenden die Zahl Solcher eine verschwin- dende ist, also dass die zwingende Abwehr derselben mit der gleichen Sicherheit wie der Zwang des ersten »Delin- quenten« erfolgen wird. Wie bei der ökonomischen Seite jedes Contractes (oder Tausches) im Sinne der Gültigkeit, so ist bei der rechtlichen im Sinne der obligatorischen Wirk- samkeit also die Gesellschaft betheiligt. Sie macht durch Neutralität den Widerstand unmöglich, wenn die Kräfte des Berechtigten überlegene sind. Ueberlegenheit des Ein- zelnen über den Einzelnen im Sinne momentaner und sicherer Wirkung ist für den durchschnittlichen Fall ausgeschlossen, da jeder Kräfte genug hat, um sich einem Einzelnen zu widersetzen. Der Berechtigte muss also Hülfskräfte für sich werben. Daher würde jeder Verein gegen reale Per- sonen ohnmächtig sein ohne Geld. Dieses Geld muss ihm vorher gegeben sein. Er muss darüber mit Freiheit ver- fügen. Dadurch verfügt er auch über menschliche Kräfte. Er kann derselben auch zu anderen Zwecken als zum Zwingen nach innen und aussen bedürfen, und vielleicht nur zu anderen Zwecken die aus seinem Hauptzwecke fol- gen, z. B. aus dem Betriebe eines Handelsgeschäftes. Die
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Beschlüsse fassen, aber als handelnde zerfällt sie in die vielen
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keineswegs gewiss, dass auch nur die Mehrheit, als Summe
von Einzelnen, zu gemeinsamer Action im Sinne ihres Wil-
lens fähig sei. Die Vereins-Person muss daher, gleich jeder
anderen Person, um zwingen zu können, eine Uebermacht
menschlicher Kräfte durch andere als Zwangsmittel
zu ihrer Verfügung haben, was in einem gesellschaftlichen
Zustande nur dadurch erreichbar ist, dass sie dieselben ein-
kauft. Sie muss daher über Geld als das allgemeine Kauf-
mittel in ausreichender Menge verfügen. Auch dann aber
bleibt die Ausübung des Zwanges an eine grosse Bedingung
gebunden. Das ist die wenigstens negative Mitwirkung der
gesammten Gesellschaft. Der Zwang kann nur dann mit
Sicherheit und Regelmässigkeit erfolgen, wenn Niemand be-
reit ist oder sich bewegen lässt, dem Gezwungenen zum
Widerstande Hülfe zu leisten, oder wenn doch im Vergleiche
zur Macht des Zwingenden die Zahl Solcher eine verschwin-
dende ist, also dass die zwingende Abwehr derselben mit
der gleichen Sicherheit wie der Zwang des ersten »Delin-
quenten« erfolgen wird. Wie bei der ökonomischen Seite
jedes Contractes (oder Tausches) im Sinne der Gültigkeit,
so ist bei der rechtlichen im Sinne der obligatorischen Wirk-
samkeit also die Gesellschaft betheiligt. Sie macht durch
Neutralität den Widerstand unmöglich, wenn die Kräfte
des Berechtigten überlegene sind. Ueberlegenheit des Ein-
zelnen über den Einzelnen im Sinne momentaner und sicherer
Wirkung ist für den durchschnittlichen Fall ausgeschlossen,
da jeder Kräfte genug hat, um sich einem Einzelnen zu
widersetzen. Der Berechtigte muss also Hülfskräfte für
sich werben. Daher würde jeder Verein gegen reale Per-
sonen ohnmächtig sein ohne Geld. Dieses Geld muss ihm
vorher gegeben sein. Er muss darüber mit Freiheit ver-
fügen. Dadurch verfügt er auch über menschliche Kräfte.
Er kann derselben auch zu anderen Zwecken als zum
Zwingen nach innen und aussen bedürfen, und vielleicht
nur zu anderen Zwecken die aus seinem Hauptzwecke fol-
gen, z. B. aus dem Betriebe eines Handelsgeschäftes. Die
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Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887/299>, abgerufen am 25.11.2024.
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