Lohn für Zahlung der Münze oder den Preis als Lohn für Abtretung der Waare zu definiren; wenngleich es üblich geblieben ist, in einem Zeitalter, wo Niemand zweifelt, die Arbeitskraft als Waare und den Arbeitscontract als Tausch- geschäft zu erkennen, die hier gegebene Geldsumme mit jenem Namen zu schmücken. Vielmehr ist die eigentliche Bedeutung des Lohnes die einer Wohlthat, welche aus freien Stücken, d. h. in diesem Falle aus dem Wesenwillen, gewährt wird, offenbar jedoch regelmässig in Erwägung ge- leisteter guter Dienste, wie auch geschätzter Eigenschaften des Wesens und Charakters: der Sorgfalt, des Fleisses, der Treue, immer aber aus einseitigem Bedünken, Gefallen, Würdigung, etwa auch daher als Geschenk, Gunst, Gnade auffassbar. Es ist -- kurz geredet -- die Art und Weise des Superior zu geben, und wird dem Verdienste gebühren- der Maassen zu Theil; daher zu verstehen als nach genos- senem Guten, empfangener Hülfe u. s. w. erfolgend. Allerdings mag nun der Diener in Hoffnung und Erwartung des Lohnes Anstrengungen machen, sich zusammennehmen, Alles thun, was in seinen Kräften steht, also gleichsam eine hohe Belohnung zu erkaufen versuchen, wie im Wettrennen jeder den Anderen zu übertreffen ringt; und ebenso ist, wie wir wissen, die Concurrenz im Handel, so alle Mitbewerbung um die Kronen des Ehrgeizes. Aber schon hier vermischen wir, was getrennt werden muss. Wo es in Wirklichkeit um ausgesetzte Preise sich handelt, da mögen zwar die sich Bemühenden als Käufer oder Ver- käufer begriffen werden, keineswegs aber der Belohnende. Seine Versprechung ist in der Regel nicht diejenige eines Contrahenten; er ist nur in moralischem Sinne schuldig, wenn die Bedingungen erfüllt zu sein scheinen, das Ver- sprochene nicht vorzuenthalten. Aber er ist selber Richter über die Leistungen, wie ein Herr (eben darum kann er auch das Amt des Preisrichters "vergeben"); und was er gibt, gibt er nach und wegen dem Guten, dahingegen der Tausch wesentlich ein doppelter und gleichzeitiger Act ist, das Vor und Nach nicht kennend, so wenig als das Oben und Unten, (scil. des Ranges, da diese Vorstellung immer eine räumliche ist, wie ja von Natur der Erzeuger
Lohn für Zahlung der Münze oder den Preis als Lohn für Abtretung der Waare zu definiren; wenngleich es üblich geblieben ist, in einem Zeitalter, wo Niemand zweifelt, die Arbeitskraft als Waare und den Arbeitscontract als Tausch- geschäft zu erkennen, die hier gegebene Geldsumme mit jenem Namen zu schmücken. Vielmehr ist die eigentliche Bedeutung des Lohnes die einer Wohlthat, welche aus freien Stücken, d. h. in diesem Falle aus dem Wesenwillen, gewährt wird, offenbar jedoch regelmässig in Erwägung ge- leisteter guter Dienste, wie auch geschätzter Eigenschaften des Wesens und Charakters: der Sorgfalt, des Fleisses, der Treue, immer aber aus einseitigem Bedünken, Gefallen, Würdigung, etwa auch daher als Geschenk, Gunst, Gnade auffassbar. Es ist — kurz geredet — die Art und Weise des Superior zu geben, und wird dem Verdienste gebühren- der Maassen zu Theil; daher zu verstehen als nach genos- senem Guten, empfangener Hülfe u. s. w. erfolgend. Allerdings mag nun der Diener in Hoffnung und Erwartung des Lohnes Anstrengungen machen, sich zusammennehmen, Alles thun, was in seinen Kräften steht, also gleichsam eine hohe Belohnung zu erkaufen versuchen, wie im Wettrennen jeder den Anderen zu übertreffen ringt; und ebenso ist, wie wir wissen, die Concurrenz im Handel, so alle Mitbewerbung um die Kronen des Ehrgeizes. Aber schon hier vermischen wir, was getrennt werden muss. Wo es in Wirklichkeit um ausgesetzte Preise sich handelt, da mögen zwar die sich Bemühenden als Käufer oder Ver- käufer begriffen werden, keineswegs aber der Belohnende. Seine Versprechung ist in der Regel nicht diejenige eines Contrahenten; er ist nur in moralischem Sinne schuldig, wenn die Bedingungen erfüllt zu sein scheinen, das Ver- sprochene nicht vorzuenthalten. Aber er ist selber Richter über die Leistungen, wie ein Herr (eben darum kann er auch das Amt des Preisrichters »vergeben«); und was er gibt, gibt er nach und wegen dem Guten, dahingegen der Tausch wesentlich ein doppelter und gleichzeitiger Act ist, das Vor und Nach nicht kennend, so wenig als das Oben und Unten, (scil. des Ranges, da diese Vorstellung immer eine räumliche ist, wie ja von Natur der Erzeuger
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[218/0254]
Lohn für Zahlung der Münze oder den Preis als Lohn für
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geschäft zu erkennen, die hier gegebene Geldsumme mit
jenem Namen zu schmücken. Vielmehr ist die eigentliche
Bedeutung des Lohnes die einer Wohlthat, welche aus
freien Stücken, d. h. in diesem Falle aus dem Wesenwillen,
gewährt wird, offenbar jedoch regelmässig in Erwägung ge-
leisteter guter Dienste, wie auch geschätzter Eigenschaften
des Wesens und Charakters: der Sorgfalt, des Fleisses, der
Treue, immer aber aus einseitigem Bedünken, Gefallen,
Würdigung, etwa auch daher als Geschenk, Gunst, Gnade
auffassbar. Es ist — kurz geredet — die Art und Weise
des Superior zu geben, und wird dem Verdienste gebühren-
der Maassen zu Theil; daher zu verstehen als nach genos-
senem Guten, empfangener Hülfe u. s. w. erfolgend.
Allerdings mag nun der Diener in Hoffnung und Erwartung
des Lohnes Anstrengungen machen, sich zusammennehmen,
Alles thun, was in seinen Kräften steht, also gleichsam
eine hohe Belohnung zu erkaufen versuchen, wie im
Wettrennen jeder den Anderen zu übertreffen ringt; und
ebenso ist, wie wir wissen, die Concurrenz im Handel, so
alle Mitbewerbung um die Kronen des Ehrgeizes. Aber
schon hier vermischen wir, was getrennt werden muss. Wo
es in Wirklichkeit um ausgesetzte Preise sich handelt, da
mögen zwar die sich Bemühenden als Käufer oder Ver-
käufer begriffen werden, keineswegs aber der Belohnende.
Seine Versprechung ist in der Regel nicht diejenige eines
Contrahenten; er ist nur in moralischem Sinne schuldig,
wenn die Bedingungen erfüllt zu sein scheinen, das Ver-
sprochene nicht vorzuenthalten. Aber er ist selber Richter
über die Leistungen, wie ein Herr (eben darum kann er
auch das Amt des Preisrichters »vergeben«); und was er
gibt, gibt er nach und wegen dem Guten, dahingegen der
Tausch wesentlich ein doppelter und gleichzeitiger Act
ist, das Vor und Nach nicht kennend, so wenig als das
Oben und Unten, (scil. des Ranges, da diese Vorstellung
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Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887/254>, abgerufen am 24.11.2024.
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