regelmässigen Verlaufe -- Gebrauch durch Gemeinschaft oder durch den einzelnen Menschen. Der natürliche Ge- brauch, welcher sich auf den Gegenstand als solchen be- zieht, ist entweder Abnutzung oder Erhaltung zum Behuf zukünftigen Gebrauches oder fernerer Production. In jedem Falle ist er eine vollkommenere Aneignung, eine Verinne- rung oder Assimilation: auch wenn etwa das kostbare Metall in den Schoos der Erde als Schatz versenkt wird; sofern nämlich die Erde selber das organische Eigenthum der Gemeinschaft ist. Entgegengesetzt aber der Gebrauch durch Veräusserung, in Wahrheit ein Nichtgebrauch. Berühmt ist die Stelle des classischen Autors, welche diese Unterscheidung trifft. "Zum Beispiel des Schuhes ist der eigentliche Gebrauch die Beschuhung, der andere die Ver- äusserung. Denn auch wer von dem, der des Schuhes be- darf, Geld oder Nahrung dagegen sich eintauscht, gebraucht den Schuh als Schuh, aber nicht im eigentlichen Gebrauche; denn nicht des Tausches wegen ist er geworden". Tausch ist anderseits der einzige vollkommen willkürliche Gebrauch. Er ist selber der adäquate Ausdruck des einfachen Will- kür-Actes, die Handlung mit Bedacht. Er setzt daher das vergleichende, rechnende Individuum voraus, und setzt je- doch nichts voraus als dieses allein, nicht mit einem an- deren, sondern ihm gegenüber. Wo Mehrere zusammen das Subject auf einer Seite sind, da müssen sie gedacht werden als eine beschlussfähige Versammlung und also gleich der natürlichen Person. Als zu veräussernder Gegenstand oder Tauschwerth ist die Sache eine Waare. Die Waare ist für ihren Eigenthümer nichts als Mittel, andere Waaren zu er- werben. Durch diese wesentliche Eigenschaft sind alle Waaren als solche gleich, und werden ihre Unterschiede auf die Quantität eingeschränkt. Den Ausdruck dieser Gleich- heit haben sie als Geld. Alle Waaren sind potentielles Geld -- Kraft, Geld zu erwerben. Geld ist die Potenz aller Waaren -- Kraft, irgendwelche Waaren zu erwerben. Daher ist Geld die als Sache begriffene Willkürsphäre über- haupt Auch die einzelne Handlung, welche aus der Frei- heit ausscheiden und Gegenstand eines Contractes, mithin einer Obligation werden kann, hat als solche Tauschwerth
14*
regelmässigen Verlaufe — Gebrauch durch Gemeinschaft oder durch den einzelnen Menschen. Der natürliche Ge- brauch, welcher sich auf den Gegenstand als solchen be- zieht, ist entweder Abnutzung oder Erhaltung zum Behuf zukünftigen Gebrauches oder fernerer Production. In jedem Falle ist er eine vollkommenere Aneignung, eine Verinne- rung oder Assimilation: auch wenn etwa das kostbare Metall in den Schoos der Erde als Schatz versenkt wird; sofern nämlich die Erde selber das organische Eigenthum der Gemeinschaft ist. Entgegengesetzt aber der Gebrauch durch Veräusserung, in Wahrheit ein Nichtgebrauch. Berühmt ist die Stelle des classischen Autors, welche diese Unterscheidung trifft. »Zum Beispiel des Schuhes ist der eigentliche Gebrauch die Beschuhung, der andere die Ver- äusserung. Denn auch wer von dem, der des Schuhes be- darf, Geld oder Nahrung dagegen sich eintauscht, gebraucht den Schuh als Schuh, aber nicht im eigentlichen Gebrauche; denn nicht des Tausches wegen ist er geworden«. Tausch ist anderseits der einzige vollkommen willkürliche Gebrauch. Er ist selber der adäquate Ausdruck des einfachen Will- kür-Actes, die Handlung mit Bedacht. Er setzt daher das vergleichende, rechnende Individuum voraus, und setzt je- doch nichts voraus als dieses allein, nicht mit einem an- deren, sondern ihm gegenüber. Wo Mehrere zusammen das Subject auf einer Seite sind, da müssen sie gedacht werden als eine beschlussfähige Versammlung und also gleich der natürlichen Person. Als zu veräussernder Gegenstand oder Tauschwerth ist die Sache eine Waare. Die Waare ist für ihren Eigenthümer nichts als Mittel, andere Waaren zu er- werben. Durch diese wesentliche Eigenschaft sind alle Waaren als solche gleich, und werden ihre Unterschiede auf die Quantität eingeschränkt. Den Ausdruck dieser Gleich- heit haben sie als Geld. Alle Waaren sind potentielles Geld — Kraft, Geld zu erwerben. Geld ist die Potenz aller Waaren — Kraft, irgendwelche Waaren zu erwerben. Daher ist Geld die als Sache begriffene Willkürsphäre über- haupt Auch die einzelne Handlung, welche aus der Frei- heit ausscheiden und Gegenstand eines Contractes, mithin einer Obligation werden kann, hat als solche Tauschwerth
14*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0247"n="211"/>
regelmässigen Verlaufe — Gebrauch durch Gemeinschaft<lb/>
oder durch den einzelnen Menschen. Der natürliche Ge-<lb/>
brauch, welcher sich auf den Gegenstand als solchen be-<lb/>
zieht, ist entweder Abnutzung oder Erhaltung zum Behuf<lb/>
zukünftigen Gebrauches oder fernerer Production. In jedem<lb/>
Falle ist er eine vollkommenere Aneignung, eine <hirendition="#g">Verinne-<lb/>
rung</hi> oder Assimilation: auch wenn etwa das kostbare<lb/>
Metall in den Schoos der Erde als Schatz versenkt wird;<lb/>
sofern nämlich die Erde selber das organische Eigenthum<lb/>
der Gemeinschaft ist. Entgegengesetzt aber der Gebrauch<lb/>
durch <hirendition="#g">Veräusserung</hi>, in Wahrheit ein Nichtgebrauch.<lb/>
Berühmt ist die Stelle des classischen Autors, welche diese<lb/>
Unterscheidung trifft. »Zum Beispiel des Schuhes ist der<lb/>
eigentliche Gebrauch die Beschuhung, der andere die Ver-<lb/>
äusserung. Denn auch wer von dem, der des Schuhes be-<lb/>
darf, Geld oder Nahrung dagegen sich eintauscht, gebraucht<lb/>
den Schuh als Schuh, aber nicht im eigentlichen Gebrauche;<lb/>
denn nicht des Tausches wegen ist er geworden«. Tausch<lb/>
ist anderseits der einzige vollkommen willkürliche Gebrauch.<lb/>
Er ist selber der adäquate Ausdruck des einfachen Will-<lb/>
kür-Actes, die Handlung mit Bedacht. Er setzt daher das<lb/>
vergleichende, rechnende Individuum voraus, und setzt je-<lb/>
doch nichts voraus als dieses allein, nicht <hirendition="#g">mit</hi> einem an-<lb/>
deren, sondern ihm gegenüber. Wo Mehrere zusammen das<lb/>
Subject auf einer Seite sind, da müssen sie gedacht werden<lb/>
als eine beschlussfähige Versammlung und also gleich der<lb/>
natürlichen Person. Als zu veräussernder Gegenstand oder<lb/>
Tauschwerth ist die Sache eine Waare. Die Waare ist für<lb/>
ihren Eigenthümer nichts als Mittel, andere Waaren zu er-<lb/>
werben. Durch diese wesentliche Eigenschaft sind alle<lb/>
Waaren als solche gleich, und werden ihre Unterschiede auf<lb/>
die Quantität eingeschränkt. Den Ausdruck dieser Gleich-<lb/>
heit haben sie als Geld. Alle Waaren sind potentielles<lb/>
Geld — Kraft, Geld zu erwerben. Geld ist die Potenz<lb/>
aller Waaren — Kraft, irgendwelche Waaren zu erwerben.<lb/>
Daher ist Geld die als Sache begriffene Willkürsphäre über-<lb/>
haupt Auch die einzelne Handlung, welche aus der Frei-<lb/>
heit ausscheiden und Gegenstand eines Contractes, mithin<lb/>
einer Obligation werden kann, hat als solche Tauschwerth<lb/><fwplace="bottom"type="sig">14*</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[211/0247]
regelmässigen Verlaufe — Gebrauch durch Gemeinschaft
oder durch den einzelnen Menschen. Der natürliche Ge-
brauch, welcher sich auf den Gegenstand als solchen be-
zieht, ist entweder Abnutzung oder Erhaltung zum Behuf
zukünftigen Gebrauches oder fernerer Production. In jedem
Falle ist er eine vollkommenere Aneignung, eine Verinne-
rung oder Assimilation: auch wenn etwa das kostbare
Metall in den Schoos der Erde als Schatz versenkt wird;
sofern nämlich die Erde selber das organische Eigenthum
der Gemeinschaft ist. Entgegengesetzt aber der Gebrauch
durch Veräusserung, in Wahrheit ein Nichtgebrauch.
Berühmt ist die Stelle des classischen Autors, welche diese
Unterscheidung trifft. »Zum Beispiel des Schuhes ist der
eigentliche Gebrauch die Beschuhung, der andere die Ver-
äusserung. Denn auch wer von dem, der des Schuhes be-
darf, Geld oder Nahrung dagegen sich eintauscht, gebraucht
den Schuh als Schuh, aber nicht im eigentlichen Gebrauche;
denn nicht des Tausches wegen ist er geworden«. Tausch
ist anderseits der einzige vollkommen willkürliche Gebrauch.
Er ist selber der adäquate Ausdruck des einfachen Will-
kür-Actes, die Handlung mit Bedacht. Er setzt daher das
vergleichende, rechnende Individuum voraus, und setzt je-
doch nichts voraus als dieses allein, nicht mit einem an-
deren, sondern ihm gegenüber. Wo Mehrere zusammen das
Subject auf einer Seite sind, da müssen sie gedacht werden
als eine beschlussfähige Versammlung und also gleich der
natürlichen Person. Als zu veräussernder Gegenstand oder
Tauschwerth ist die Sache eine Waare. Die Waare ist für
ihren Eigenthümer nichts als Mittel, andere Waaren zu er-
werben. Durch diese wesentliche Eigenschaft sind alle
Waaren als solche gleich, und werden ihre Unterschiede auf
die Quantität eingeschränkt. Den Ausdruck dieser Gleich-
heit haben sie als Geld. Alle Waaren sind potentielles
Geld — Kraft, Geld zu erwerben. Geld ist die Potenz
aller Waaren — Kraft, irgendwelche Waaren zu erwerben.
Daher ist Geld die als Sache begriffene Willkürsphäre über-
haupt Auch die einzelne Handlung, welche aus der Frei-
heit ausscheiden und Gegenstand eines Contractes, mithin
einer Obligation werden kann, hat als solche Tauschwerth
14*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887/247>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.