Arbeiten und Dienstleistungen werden als Waaren angeboten und verkauft. Sie bedingen ihren Preis wie ein Laib Brod und eine Nähnadel ihren Preis bedingen. Aber sie unterscheiden sich von diesen Waaren, welche aus Natur-Stoffen und aus Arbeit zusammengesetzt sind. Sie sind blosse Natur-Stoffe, sie sind nicht Producte von Arbeit. In dieser Hinsicht stehen sie auf gleicher Linie mit dem Grund und Boden selber. Das Angebot an Grund und Boden lässt sich überhaupt nicht künstlich oder willkürlich vermehren, in einem gegebenen Gebiete. Das Angebot an Arbeitskräften lässt sich allerdings durch Import derselben vermehren, was aber voraussetzt, dass sie schon Objecte des Handels sind. Insofern als sie es nicht sind, sondern jeder Mensch "seine eigene Haut zu Markte trägt", so ist die Menge der Arbeitskräfte in derselben Weise beschränkt wie die Menge des Grund und Bodens. Beide Arten von Waaren lassen sich nicht machen, können nicht fabricirt werden. Ihr Werth und Preis ist daher allein durch ihre vorhandene und actuelle, nicht durch ihre mögliche und zukünftige Menge bedingt; und durch das Verhältniss jener Menge zu der Höhe und Kaufkraft des Begehrs. In Wirk- lichkeit werden aber nicht ausschliesslich allgemeine und unbestimmte, sondern auch besondere und bestimmte Ar- beiter oder Dienstleistungen verlangt und angeboten. Um so deutlicher macht sich die Begrenztheit des Angebotes geltend. Die Beschränktheit des Angebotes ist ein Vortheil für die Anbietenden, unter sonst gleichen Umständen. Ihr Nachtheil ist die Noth und Verlegenheit, in der sie sich um die gegenüberstehende Waare (Geld- und Genussmittel) be- finden mögen. Denn je stärker überhaupt der (subjective) Begehrungs-Werth der fremden Waare, desto schwächer wird nothwendiger Weise der (subjective) Behaltungs-Werth der eigenen Waare, desto heftiger, stärker der Wunsch und Wille, sie abzusetzen. Nun ist auf der einen Seite der Wunsch, Geld oder Lebensmittel zu erhalten, grenzenlos, bei jedem Menschen, welcher dergleichen nicht hat; und nicht etwa aus einer Gemeinschaft bezieht (was hier durchaus ausser aller Frage bleibt). Er hat nur die Wahl,
§ 35.
Arbeiten und Dienstleistungen werden als Waaren angeboten und verkauft. Sie bedingen ihren Preis wie ein Laib Brod und eine Nähnadel ihren Preis bedingen. Aber sie unterscheiden sich von diesen Waaren, welche aus Natur-Stoffen und aus Arbeit zusammengesetzt sind. Sie sind blosse Natur-Stoffe, sie sind nicht Producte von Arbeit. In dieser Hinsicht stehen sie auf gleicher Linie mit dem Grund und Boden selber. Das Angebot an Grund und Boden lässt sich überhaupt nicht künstlich oder willkürlich vermehren, in einem gegebenen Gebiete. Das Angebot an Arbeitskräften lässt sich allerdings durch Import derselben vermehren, was aber voraussetzt, dass sie schon Objecte des Handels sind. Insofern als sie es nicht sind, sondern jeder Mensch »seine eigene Haut zu Markte trägt«, so ist die Menge der Arbeitskräfte in derselben Weise beschränkt wie die Menge des Grund und Bodens. Beide Arten von Waaren lassen sich nicht machen, können nicht fabricirt werden. Ihr Werth und Preis ist daher allein durch ihre vorhandene und actuelle, nicht durch ihre mögliche und zukünftige Menge bedingt; und durch das Verhältniss jener Menge zu der Höhe und Kaufkraft des Begehrs. In Wirk- lichkeit werden aber nicht ausschliesslich allgemeine und unbestimmte, sondern auch besondere und bestimmte Ar- beiter oder Dienstleistungen verlangt und angeboten. Um so deutlicher macht sich die Begrenztheit des Angebotes geltend. Die Beschränktheit des Angebotes ist ein Vortheil für die Anbietenden, unter sonst gleichen Umständen. Ihr Nachtheil ist die Noth und Verlegenheit, in der sie sich um die gegenüberstehende Waare (Geld- und Genussmittel) be- finden mögen. Denn je stärker überhaupt der (subjective) Begehrungs-Werth der fremden Waare, desto schwächer wird nothwendiger Weise der (subjective) Behaltungs-Werth der eigenen Waare, desto heftiger, stärker der Wunsch und Wille, sie abzusetzen. Nun ist auf der einen Seite der Wunsch, Geld oder Lebensmittel zu erhalten, grenzenlos, bei jedem Menschen, welcher dergleichen nicht hat; und nicht etwa aus einer Gemeinschaft bezieht (was hier durchaus ausser aller Frage bleibt). Er hat nur die Wahl,
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§ 35.
Arbeiten und Dienstleistungen werden als Waaren
angeboten und verkauft. Sie bedingen ihren Preis wie ein
Laib Brod und eine Nähnadel ihren Preis bedingen. Aber
sie unterscheiden sich von diesen Waaren, welche aus
Natur-Stoffen und aus Arbeit zusammengesetzt sind. Sie
sind blosse Natur-Stoffe, sie sind nicht Producte von Arbeit.
In dieser Hinsicht stehen sie auf gleicher Linie mit dem
Grund und Boden selber. Das Angebot an Grund und
Boden lässt sich überhaupt nicht künstlich oder willkürlich
vermehren, in einem gegebenen Gebiete. Das Angebot an
Arbeitskräften lässt sich allerdings durch Import derselben
vermehren, was aber voraussetzt, dass sie schon Objecte
des Handels sind. Insofern als sie es nicht sind, sondern
jeder Mensch »seine eigene Haut zu Markte trägt«, so ist
die Menge der Arbeitskräfte in derselben Weise beschränkt
wie die Menge des Grund und Bodens. Beide Arten von
Waaren lassen sich nicht machen, können nicht fabricirt
werden. Ihr Werth und Preis ist daher allein durch ihre
vorhandene und actuelle, nicht durch ihre mögliche und
zukünftige Menge bedingt; und durch das Verhältniss jener
Menge zu der Höhe und Kaufkraft des Begehrs. In Wirk-
lichkeit werden aber nicht ausschliesslich allgemeine und
unbestimmte, sondern auch besondere und bestimmte Ar-
beiter oder Dienstleistungen verlangt und angeboten. Um
so deutlicher macht sich die Begrenztheit des Angebotes
geltend. Die Beschränktheit des Angebotes ist ein Vortheil
für die Anbietenden, unter sonst gleichen Umständen. Ihr
Nachtheil ist die Noth und Verlegenheit, in der sie sich um
die gegenüberstehende Waare (Geld- und Genussmittel) be-
finden mögen. Denn je stärker überhaupt der (subjective)
Begehrungs-Werth der fremden Waare, desto schwächer
wird nothwendiger Weise der (subjective) Behaltungs-Werth
der eigenen Waare, desto heftiger, stärker der Wunsch und
Wille, sie abzusetzen. Nun ist auf der einen Seite der
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bei jedem Menschen, welcher dergleichen nicht hat; und
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Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887/120>, abgerufen am 19.11.2024.
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