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Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887.

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daher auch alle gleich. Er kann z. E. als Gesinde-Ver-
miether oder Theater-Agent auch mit eingekauften Arbeits-
kräften oder Stimmen handeln; so gut wie mit alten Klei-
dern. Ebenso verhält sich der Kornhändler, wenn in einem
begrenzten Gebiete der Bauern-Stand ihm gegenübersteht.
Durch jede Ernte wird eine gewisse Menge von Getreide
verfügbar und Gegenstand des Handels. Wenn die Subjecte
desselben in eine einzige Person zusammengedacht werden:
so kann nun diese mit ihrem Objecte allerhand Kunststücke
vornehmen, der übrigen Gesellschaft zu Nutzen oder Schaden;
sie kann z. B. einen Theil des Getreides verbrennen, um
den Tauschwerth des Restes über den bisherigen der Ge-
sammtmasse zu erhöhen. Oder -- was freundlicher scheint
-- sie kann solchen Theil verwahren, um ihn später anzu-
bieten; kurz, welche Manipulationen ihr gut, d. h. den
höchsten Gewinn versprechend dünken. -- Oder aber, es
handelt sich darum, Waaren für den Verkauf hervorzu-
bringen
. Dies ist nur möglich durch Arbeiten oder durch
Arbeitenlassen. Ein Satz, der keines Beweises bedarf, da
er in der Voraussetzung enthalten ist. Es wird gedacht,
dass die Hervorbringung oder Vermehrung, allgemein ge-
sagt: die "Beschaffung", in menschlicher Willkür stehe.
Nun kann zwar für ein gegebenes Gebiet der Kauf-
mann, auch ohne zu arbeiten oder arbeiten zu lassen, irgend-
welche Waaren beschaffen: nämlich indem er sie aus einem
anderen Gebiete einkauft und holen lässt. Denke man aber
das gegebene Gebiet über alle möglichen Grenzen erweitert,
oder -- was für ein engeres Gebiet das gleiche Ergebniss
hat -- sehe man von dieser Möglichkeit ab: so ist die
Alternative offenbar. Freilich aber -- und es ist wichtig
zu bemerken --: dem Begriffe der willkürlichen Beschaffung
entspricht das eigene Arbeiten weniger, das Arbeiten-
lassen mehr. Der Arbeitenlassende erfüllt seinen Zweck,
wenn er nicht allein als Urheber jeder hervorgebrachten
Sache, deren natürlicher Eigenthümer er ist, erscheint, son-
dern auch die Menge der verfertigten Sachen nur durch seine
Willkür und durch die Mittel derselben begrenzt wird; das
will sagen: wenn durch Beschaffung der Arbeitsmittel und
Anwendung eingekaufter Arbeitskräfte darauf, er in der
Lage ist, seiner Fabrikation eine beliebige Ausdehnung zu
geben.

daher auch alle gleich. Er kann z. E. als Gesinde-Ver-
miether oder Theater-Agent auch mit eingekauften Arbeits-
kräften oder Stimmen handeln; so gut wie mit alten Klei-
dern. Ebenso verhält sich der Kornhändler, wenn in einem
begrenzten Gebiete der Bauern-Stand ihm gegenübersteht.
Durch jede Ernte wird eine gewisse Menge von Getreide
verfügbar und Gegenstand des Handels. Wenn die Subjecte
desselben in eine einzige Person zusammengedacht werden:
so kann nun diese mit ihrem Objecte allerhand Kunststücke
vornehmen, der übrigen Gesellschaft zu Nutzen oder Schaden;
sie kann z. B. einen Theil des Getreides verbrennen, um
den Tauschwerth des Restes über den bisherigen der Ge-
sammtmasse zu erhöhen. Oder — was freundlicher scheint
— sie kann solchen Theil verwahren, um ihn später anzu-
bieten; kurz, welche Manipulationen ihr gut, d. h. den
höchsten Gewinn versprechend dünken. — Oder aber, es
handelt sich darum, Waaren für den Verkauf hervorzu-
bringen
. Dies ist nur möglich durch Arbeiten oder durch
Arbeitenlassen. Ein Satz, der keines Beweises bedarf, da
er in der Voraussetzung enthalten ist. Es wird gedacht,
dass die Hervorbringung oder Vermehrung, allgemein ge-
sagt: die »Beschaffung«, in menschlicher Willkür stehe.
Nun kann zwar für ein gegebenes Gebiet der Kauf-
mann, auch ohne zu arbeiten oder arbeiten zu lassen, irgend-
welche Waaren beschaffen: nämlich indem er sie aus einem
anderen Gebiete einkauft und holen lässt. Denke man aber
das gegebene Gebiet über alle möglichen Grenzen erweitert,
oder — was für ein engeres Gebiet das gleiche Ergebniss
hat — sehe man von dieser Möglichkeit ab: so ist die
Alternative offenbar. Freilich aber — und es ist wichtig
zu bemerken —: dem Begriffe der willkürlichen Beschaffung
entspricht das eigene Arbeiten weniger, das Arbeiten-
lassen mehr. Der Arbeitenlassende erfüllt seinen Zweck,
wenn er nicht allein als Urheber jeder hervorgebrachten
Sache, deren natürlicher Eigenthümer er ist, erscheint, son-
dern auch die Menge der verfertigten Sachen nur durch seine
Willkür und durch die Mittel derselben begrenzt wird; das
will sagen: wenn durch Beschaffung der Arbeitsmittel und
Anwendung eingekaufter Arbeitskräfte darauf, er in der
Lage ist, seiner Fabrikation eine beliebige Ausdehnung zu
geben.

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[82/0118] daher auch alle gleich. Er kann z. E. als Gesinde-Ver- miether oder Theater-Agent auch mit eingekauften Arbeits- kräften oder Stimmen handeln; so gut wie mit alten Klei- dern. Ebenso verhält sich der Kornhändler, wenn in einem begrenzten Gebiete der Bauern-Stand ihm gegenübersteht. Durch jede Ernte wird eine gewisse Menge von Getreide verfügbar und Gegenstand des Handels. Wenn die Subjecte desselben in eine einzige Person zusammengedacht werden: so kann nun diese mit ihrem Objecte allerhand Kunststücke vornehmen, der übrigen Gesellschaft zu Nutzen oder Schaden; sie kann z. B. einen Theil des Getreides verbrennen, um den Tauschwerth des Restes über den bisherigen der Ge- sammtmasse zu erhöhen. Oder — was freundlicher scheint — sie kann solchen Theil verwahren, um ihn später anzu- bieten; kurz, welche Manipulationen ihr gut, d. h. den höchsten Gewinn versprechend dünken. — Oder aber, es handelt sich darum, Waaren für den Verkauf hervorzu- bringen. Dies ist nur möglich durch Arbeiten oder durch Arbeitenlassen. Ein Satz, der keines Beweises bedarf, da er in der Voraussetzung enthalten ist. Es wird gedacht, dass die Hervorbringung oder Vermehrung, allgemein ge- sagt: die »Beschaffung«, in menschlicher Willkür stehe. Nun kann zwar für ein gegebenes Gebiet der Kauf- mann, auch ohne zu arbeiten oder arbeiten zu lassen, irgend- welche Waaren beschaffen: nämlich indem er sie aus einem anderen Gebiete einkauft und holen lässt. Denke man aber das gegebene Gebiet über alle möglichen Grenzen erweitert, oder — was für ein engeres Gebiet das gleiche Ergebniss hat — sehe man von dieser Möglichkeit ab: so ist die Alternative offenbar. Freilich aber — und es ist wichtig zu bemerken —: dem Begriffe der willkürlichen Beschaffung entspricht das eigene Arbeiten weniger, das Arbeiten- lassen mehr. Der Arbeitenlassende erfüllt seinen Zweck, wenn er nicht allein als Urheber jeder hervorgebrachten Sache, deren natürlicher Eigenthümer er ist, erscheint, son- dern auch die Menge der verfertigten Sachen nur durch seine Willkür und durch die Mittel derselben begrenzt wird; das will sagen: wenn durch Beschaffung der Arbeitsmittel und Anwendung eingekaufter Arbeitskräfte darauf, er in der Lage ist, seiner Fabrikation eine beliebige Ausdehnung zu geben.

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Zitationshilfe: Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887/118>, abgerufen am 24.11.2024.