Veräusserung um Geld macht sie zu einer nominellen Abart von Kaufleuten: sie bieten ihre specifische Waare feil und tauschen, wie alle Waaren-Verkäufer, nicht sowohl andere specielle, sondern die General-Waare dafür ein, welche die Freiheit und Macht ist beliebiger Theilung, beliebiger Ein- käufe oder der Aufbewahrung (Ersparung) und folglich sogar die logische Möglichkeit der Vermehrung durch Wucher oder Handel: das temporäre Eigenthum an Geld macht Arbeiter zu potentiellen Kapitalisten. In welchem Umfange sie es wirklich werden können ist eine Frage, die hier ferne bleibt. Auf jeden Fall ist es eine secun- däre Eigenschaft, die ihren Begriff nichts angeht. Hin- gegen die Möglichkeit zu temporären Geld-Eigenthümern zu werden, ist ihnen wesentlich. Durch die Nothwendigkeit (und soweit als diese reicht), das Geld in Genussmittel zu verwandeln, wird aber die wahre Bedeutung dieses Handels eingeschränkt auf den Umsatz der Arbeitskraft selber in die -- der Voraussetzung nach fehlenden -- Genussmittel. Dieser Handel ist folglich keineswegs eigentlicher Handel, sondern blosser Tausch, wenn auch durch zwei Phasen passirender. Die Subjecte des eigentlichen, d. i. um des Profits willen betriebenen Handels stehen ihm gegenüber. Für sie ist die eingekaufte Arbeitskraft eine Waare, deren Wieder-Verkauf den einzigen Zweck des Einkaufs darstellt. Der Wieder-Verkauf kann directe stattfinden durch einfache Uebertragung: dann ist dieser Handel gleich jedem an- deren, so specifisch auch die Waaren-Gattung ist. Denn die Waare Arbeitskraft unterscheidet sich von allen anderen dadurch, dass ihre allein mögliche Consumption in der An- wendung auf und Verbindung mit gegebenen Arbeits-Mitteln (Stoff und Geräthen) besteht, wodurch sie in Annehmlich- keiten oder Nützlichkeiten, Genussmittel und Productions- mittel, allgemein gesprochen: in Gebrauchs-Gegenstände verwandelt wird. Der specifische Handel mit der Waare Arbeitskraft ist daher durch ihre Consumption bedingt, und fordert ihren Wiederverkauf in der Gestalt von Genuss- mitteln: welche aber ausser ihr auch Theile der Arbeits- Mittel oder ihrer Kräfte in sich enthalten. Der Verkauf von fertigen Genussmitteln steht an und für sich mit dem
Veräusserung um Geld macht sie zu einer nominellen Abart von Kaufleuten: sie bieten ihre specifische Waare feil und tauschen, wie alle Waaren-Verkäufer, nicht sowohl andere specielle, sondern die General-Waare dafür ein, welche die Freiheit und Macht ist beliebiger Theilung, beliebiger Ein- käufe oder der Aufbewahrung (Ersparung) und folglich sogar die logische Möglichkeit der Vermehrung durch Wucher oder Handel: das temporäre Eigenthum an Geld macht Arbeiter zu potentiellen Kapitalisten. In welchem Umfange sie es wirklich werden können ist eine Frage, die hier ferne bleibt. Auf jeden Fall ist es eine secun- däre Eigenschaft, die ihren Begriff nichts angeht. Hin- gegen die Möglichkeit zu temporären Geld-Eigenthümern zu werden, ist ihnen wesentlich. Durch die Nothwendigkeit (und soweit als diese reicht), das Geld in Genussmittel zu verwandeln, wird aber die wahre Bedeutung dieses Handels eingeschränkt auf den Umsatz der Arbeitskraft selber in die — der Voraussetzung nach fehlenden — Genussmittel. Dieser Handel ist folglich keineswegs eigentlicher Handel, sondern blosser Tausch, wenn auch durch zwei Phasen passirender. Die Subjecte des eigentlichen, d. i. um des Profits willen betriebenen Handels stehen ihm gegenüber. Für sie ist die eingekaufte Arbeitskraft eine Waare, deren Wieder-Verkauf den einzigen Zweck des Einkaufs darstellt. Der Wieder-Verkauf kann directe stattfinden durch einfache Uebertragung: dann ist dieser Handel gleich jedem an- deren, so specifisch auch die Waaren-Gattung ist. Denn die Waare Arbeitskraft unterscheidet sich von allen anderen dadurch, dass ihre allein mögliche Consumption in der An- wendung auf und Verbindung mit gegebenen Arbeits-Mitteln (Stoff und Geräthen) besteht, wodurch sie in Annehmlich- keiten oder Nützlichkeiten, Genussmittel und Productions- mittel, allgemein gesprochen: in Gebrauchs-Gegenstände verwandelt wird. Der specifische Handel mit der Waare Arbeitskraft ist daher durch ihre Consumption bedingt, und fordert ihren Wiederverkauf in der Gestalt von Genuss- mitteln: welche aber ausser ihr auch Theile der Arbeits- Mittel oder ihrer Kräfte in sich enthalten. Der Verkauf von fertigen Genussmitteln steht an und für sich mit dem
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0108"n="72"/>
Veräusserung um Geld macht sie zu einer nominellen Abart<lb/>
von Kaufleuten: sie bieten ihre specifische Waare feil und<lb/>
tauschen, wie alle Waaren-Verkäufer, nicht sowohl andere<lb/>
specielle, sondern die General-Waare dafür ein, welche die<lb/>
Freiheit und Macht ist beliebiger Theilung, beliebiger Ein-<lb/>
käufe oder der Aufbewahrung (Ersparung) und folglich<lb/>
sogar die logische Möglichkeit der Vermehrung durch<lb/>
Wucher oder Handel: das temporäre Eigenthum an Geld<lb/>
macht Arbeiter zu potentiellen Kapitalisten. In welchem<lb/>
Umfange sie es <hirendition="#g">wirklich</hi> werden können ist eine Frage,<lb/>
die hier ferne bleibt. Auf jeden Fall ist es eine <hirendition="#g">secun-<lb/>
däre</hi> Eigenschaft, die ihren Begriff nichts angeht. Hin-<lb/>
gegen die Möglichkeit zu temporären Geld-Eigenthümern zu<lb/>
werden, ist ihnen wesentlich. Durch die Nothwendigkeit<lb/>
(und soweit als diese reicht), das Geld in Genussmittel zu<lb/>
verwandeln, wird aber die wahre Bedeutung dieses Handels<lb/>
eingeschränkt auf den Umsatz der Arbeitskraft selber in<lb/>
die — der Voraussetzung nach fehlenden — Genussmittel.<lb/>
Dieser Handel ist folglich keineswegs eigentlicher Handel,<lb/>
sondern blosser Tausch, wenn auch durch zwei Phasen<lb/>
passirender. Die Subjecte des eigentlichen, d. i. um des<lb/>
Profits willen betriebenen Handels stehen ihm gegenüber.<lb/>
Für sie ist die eingekaufte Arbeitskraft eine Waare, deren<lb/>
Wieder-Verkauf den einzigen Zweck des Einkaufs darstellt.<lb/>
Der Wieder-Verkauf kann directe stattfinden durch einfache<lb/>
Uebertragung: dann ist dieser Handel gleich jedem an-<lb/>
deren, so specifisch auch die Waaren-Gattung ist. Denn<lb/>
die Waare Arbeitskraft unterscheidet sich von allen anderen<lb/>
dadurch, dass ihre allein mögliche Consumption in der An-<lb/>
wendung auf und Verbindung mit gegebenen Arbeits-Mitteln<lb/>
(Stoff und Geräthen) besteht, wodurch sie in Annehmlich-<lb/>
keiten oder Nützlichkeiten, Genussmittel und Productions-<lb/>
mittel, allgemein gesprochen: in Gebrauchs-Gegenstände<lb/>
verwandelt wird. Der <hirendition="#g">specifische</hi> Handel mit der Waare<lb/>
Arbeitskraft ist daher durch ihre Consumption bedingt, und<lb/>
fordert ihren Wiederverkauf in der Gestalt von Genuss-<lb/>
mitteln: welche aber ausser ihr auch Theile der Arbeits-<lb/>
Mittel oder <hirendition="#g">ihrer</hi> Kräfte in sich enthalten. Der Verkauf<lb/>
von fertigen Genussmitteln steht an und für sich mit dem<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[72/0108]
Veräusserung um Geld macht sie zu einer nominellen Abart
von Kaufleuten: sie bieten ihre specifische Waare feil und
tauschen, wie alle Waaren-Verkäufer, nicht sowohl andere
specielle, sondern die General-Waare dafür ein, welche die
Freiheit und Macht ist beliebiger Theilung, beliebiger Ein-
käufe oder der Aufbewahrung (Ersparung) und folglich
sogar die logische Möglichkeit der Vermehrung durch
Wucher oder Handel: das temporäre Eigenthum an Geld
macht Arbeiter zu potentiellen Kapitalisten. In welchem
Umfange sie es wirklich werden können ist eine Frage,
die hier ferne bleibt. Auf jeden Fall ist es eine secun-
däre Eigenschaft, die ihren Begriff nichts angeht. Hin-
gegen die Möglichkeit zu temporären Geld-Eigenthümern zu
werden, ist ihnen wesentlich. Durch die Nothwendigkeit
(und soweit als diese reicht), das Geld in Genussmittel zu
verwandeln, wird aber die wahre Bedeutung dieses Handels
eingeschränkt auf den Umsatz der Arbeitskraft selber in
die — der Voraussetzung nach fehlenden — Genussmittel.
Dieser Handel ist folglich keineswegs eigentlicher Handel,
sondern blosser Tausch, wenn auch durch zwei Phasen
passirender. Die Subjecte des eigentlichen, d. i. um des
Profits willen betriebenen Handels stehen ihm gegenüber.
Für sie ist die eingekaufte Arbeitskraft eine Waare, deren
Wieder-Verkauf den einzigen Zweck des Einkaufs darstellt.
Der Wieder-Verkauf kann directe stattfinden durch einfache
Uebertragung: dann ist dieser Handel gleich jedem an-
deren, so specifisch auch die Waaren-Gattung ist. Denn
die Waare Arbeitskraft unterscheidet sich von allen anderen
dadurch, dass ihre allein mögliche Consumption in der An-
wendung auf und Verbindung mit gegebenen Arbeits-Mitteln
(Stoff und Geräthen) besteht, wodurch sie in Annehmlich-
keiten oder Nützlichkeiten, Genussmittel und Productions-
mittel, allgemein gesprochen: in Gebrauchs-Gegenstände
verwandelt wird. Der specifische Handel mit der Waare
Arbeitskraft ist daher durch ihre Consumption bedingt, und
fordert ihren Wiederverkauf in der Gestalt von Genuss-
mitteln: welche aber ausser ihr auch Theile der Arbeits-
Mittel oder ihrer Kräfte in sich enthalten. Der Verkauf
von fertigen Genussmitteln steht an und für sich mit dem
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887/108>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.