welche Verfaßung für das Reich nachtheilige Folgen hatte. Hiezu kam, daß man bei den Christen im Reiche den Krieg schlechterdings für unrecht hielt: daher die Ausländer und Heiden das Schwert füreten und sich in alle hohen Reichsämter schwungen.
Obgleich die Lehre von der Nothwendigkeit heiliges Lebens und guter Werke bei den Christen annoch von dem Irthume vermeinter Verdienstligkeit befreiet war und Gottes unverdiente Gnade nicht geschmälert wurde: so fanden sich doch sonst bereits häufige Misbräuche, die theils aus gefälliger Nachamung der Heiden entstanden waren, die man dadurch zur Annemung des Christentums reizen wollen, theils von ältern Jelehrern, die sich selbst Gnostiker, Leute von Einsicht, nanten, und von manchen Gattungen heidnischer Welt weisen ihren Ursprung hatten. Zur ersten Art gehöret alle Häufung der Pracht und Mannigfaltigkeit von Gebräuchen, Kleider und Geräthe beim Gottesdienste, die Aufstellung der Bilder von Heiligen und Blutzeugen, sonderlig des Kreuzes mit welchem Zeichen längst manger Aberglaube verbunden gewesen, die Anzündung der Lichter am Tage beim Gottesdienste und vor den Bildern, die Aufsuchung, Aufbewarung, Heilighaltung der Yberbleibsel von Heiligen, die Walfarten nach Jerusalem und zu den Gräbern der Blutzeugen; Wunder, wovon man sich einbildete, daß die Heiligen sie verrichtet hät-
welche Verfaßung für das Reich nachtheilige Folgen hatte. Hiezu kam, daß man bei den Christen im Reiche den Krieg schlechterdings für unrecht hielt: daher die Ausländer und Heiden das Schwert füreten und sich in alle hohen Reichsämter schwungen.
Obgleich die Lehre von der Nothwendigkeit heiliges Lebens und guter Werke bei den Christen annoch von dem Irthume vermeinter Verdienstligkeit befreiet war und Gottes unverdiente Gnade nicht geschmälert wurde: so fanden sich doch sonst bereits häufige Misbräuche, die theils aus gefälliger Nachamung der Heiden entstanden waren, die man dadurch zur Annemung des Christentums reizen wollen, theils von ältern Jelehrern, die sich selbst Gnostiker, Leute von Einsicht, nanten, und von manchen Gattungen heidnischer Welt weisen ihren Ursprung hatten. Zur ersten Art gehöret alle Häufung der Pracht und Mannigfaltigkeit von Gebräuchen, Kleider und Geräthe beim Gottesdienste, die Aufstellung der Bilder von Heiligen und Blutzeugen, sonderlig des Kreuzes mit welchem Zeichen längst manger Aberglaube verbunden gewesen, die Anzündung der Lichter am Tage beim Gottesdienste und vor den Bildern, die Aufsuchung, Aufbewarung, Heilighaltung der Yberbleibsel von Heiligen, die Walfarten nach Jerusalem und zu den Gräbern der Blutzeugen; Wunder, wovon man sich einbildete, daß die Heiligen sie verrichtet hät-
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welche Verfaßung für das Reich nachtheilige Folgen hatte. Hiezu kam, daß man bei den Christen im Reiche den Krieg schlechterdings für unrecht hielt: daher die Ausländer und Heiden das Schwert füreten und sich in alle hohen Reichsämter schwungen.</p><p>Obgleich die Lehre von der Nothwendigkeit heiliges Lebens und guter Werke bei den Christen annoch von dem Irthume vermeinter Verdienstligkeit befreiet war und Gottes unverdiente Gnade nicht geschmälert wurde: so fanden sich doch sonst bereits häufige Misbräuche, die theils aus gefälliger Nachamung der Heiden entstanden waren, die man dadurch zur Annemung des Christentums reizen wollen, theils von ältern Jelehrern, die sich selbst Gnostiker, Leute von Einsicht, nanten, und von manchen Gattungen heidnischer Welt weisen ihren Ursprung hatten. Zur ersten Art gehöret alle Häufung der Pracht und Mannigfaltigkeit von Gebräuchen, Kleider und Geräthe beim Gottesdienste, die Aufstellung der Bilder von Heiligen und Blutzeugen, sonderlig des Kreuzes mit welchem Zeichen längst manger Aberglaube verbunden gewesen, die Anzündung der Lichter am Tage beim Gottesdienste und vor den Bildern, die Aufsuchung, Aufbewarung, Heilighaltung der Yberbleibsel von Heiligen, die Walfarten nach Jerusalem und zu den Gräbern der Blutzeugen; Wunder, wovon man sich einbildete, daß die Heiligen sie verrichtet hät-
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welche Verfaßung für das Reich nachtheilige Folgen hatte. Hiezu kam, daß man bei den Christen im Reiche den Krieg schlechterdings für unrecht hielt: daher die Ausländer und Heiden das Schwert füreten und sich in alle hohen Reichsämter schwungen.
Obgleich die Lehre von der Nothwendigkeit heiliges Lebens und guter Werke bei den Christen annoch von dem Irthume vermeinter Verdienstligkeit befreiet war und Gottes unverdiente Gnade nicht geschmälert wurde: so fanden sich doch sonst bereits häufige Misbräuche, die theils aus gefälliger Nachamung der Heiden entstanden waren, die man dadurch zur Annemung des Christentums reizen wollen, theils von ältern Jelehrern, die sich selbst Gnostiker, Leute von Einsicht, nanten, und von manchen Gattungen heidnischer Welt weisen ihren Ursprung hatten. Zur ersten Art gehöret alle Häufung der Pracht und Mannigfaltigkeit von Gebräuchen, Kleider und Geräthe beim Gottesdienste, die Aufstellung der Bilder von Heiligen und Blutzeugen, sonderlig des Kreuzes mit welchem Zeichen längst manger Aberglaube verbunden gewesen, die Anzündung der Lichter am Tage beim Gottesdienste und vor den Bildern, die Aufsuchung, Aufbewarung, Heilighaltung der Yberbleibsel von Heiligen, die Walfarten nach Jerusalem und zu den Gräbern der Blutzeugen; Wunder, wovon man sich einbildete, daß die Heiligen sie verrichtet hät-
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