Glauben Hohn spricht, sollen ihm Freunde der Warheit nicht gebürend antworten? können sie solches thun ohne ihn als einen Thoren vorzustellen? in feinern Zeiten wird man sich feiner ausdrukken als Luther in jenen, man wird höchstens mit einem halben Worte die Thorheiten und Laster der Fürsten berüren, sogleich aber bemühet sein solche Künheit mit weitläufigen Lobreden und niedrigen Schmeicheleien zuersezen; ich weis nicht, ob man auf diesem Wege zu einem Ziele gelangen wird; aber das weis ich, daß vom Luther Schmeichelei und Vertuschung der Warheit sowenig zuerwarten war, als von redligen Leuten anderer Zeiten, auch die vielleicht erlaubte Behutsamkeit, so spätere Zeiten fordern mögen, sowenig von ihm zufordern stund, als man die mosaischen Altväter und ihr Betragen aus den spätern Sitten oder Einsichten beurtheilen darf; (man mus Mitleiden haben mit schwachen Leuten, welche zweifeln, ob solcher Unterschied vor dem Richterstule des Gewißens gelte?) gesezt endlig, daß ein sanfteres Wesen zuweilen bei Luthern zuwünschen gewesen, so würde solches doch im Ganzen sehr hinderlig worden sein, bei dem Geschäfte, wozu vornemlig Muth und Standhaftigkeit erforderlig war, wozu der Höchste daher einen Man aufstellete, der mit starker Stimme die Warheit verkündigen konte. Von einem auch wolgesinneten Papste wr keine Besrung zuhoffen. Hadrian 6, welcher der Gelersamkeit wegen zu
Glauben Hohn spricht, sollen ihm Freunde der Warheit nicht gebürend antworten? können sie solches thun ohne ihn als einen Thoren vorzustellen? in feinern Zeiten wird man sich feiner ausdrukken als Luther in jenen, man wird höchstens mit einem halben Worte die Thorheiten und Laster der Fürsten berüren, sogleich aber bemühet sein solche Künheit mit weitläufigen Lobreden und niedrigen Schmeicheleien zuersezen; ich weis nicht, ob man auf diesem Wege zu einem Ziele gelangen wird; aber das weis ich, daß vom Luther Schmeichelei und Vertuschung der Warheit sowenig zuerwarten war, als von redligen Leuten anderer Zeiten, auch die vielleicht erlaubte Behutsamkeit, so spätere Zeiten fordern mögen, sowenig von ihm zufordern stund, als man die mosaischen Altväter und ihr Betragen aus den spätern Sitten oder Einsichten beurtheilen darf; (man mus Mitleiden haben mit schwachen Leuten, welche zweifeln, ob solcher Unterschied vor dem Richterstule des Gewißens gelte?) gesezt endlig, daß ein sanfteres Wesen zuweilen bei Luthern zuwünschen gewesen, so würde solches doch im Ganzen sehr hinderlig worden sein, bei dem Geschäfte, wozu vornemlig Muth und Standhaftigkeit erforderlig war, wozu der Höchste daher einen Man aufstellete, der mit starker Stimme die Warheit verkündigen konte. Von einem auch wolgesinneten Papste wr keine Besrung zuhoffen. Hadrian 6, welcher der Gelersamkeit wegen zu
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Glauben Hohn spricht, sollen ihm Freunde der Warheit nicht gebürend antworten? können sie solches thun ohne ihn als einen Thoren vorzustellen? in feinern Zeiten wird man sich feiner ausdrukken als Luther in jenen, man wird höchstens mit einem halben Worte die Thorheiten und Laster der Fürsten berüren, sogleich aber bemühet sein solche Künheit mit weitläufigen Lobreden und niedrigen Schmeicheleien zuersezen; ich weis nicht, ob man auf diesem Wege zu einem Ziele gelangen wird; aber das weis ich, daß vom Luther Schmeichelei und Vertuschung der Warheit sowenig zuerwarten war, als von redligen Leuten anderer Zeiten, auch die vielleicht erlaubte Behutsamkeit, so spätere Zeiten fordern mögen, sowenig von ihm zufordern stund, als man die mosaischen Altväter und ihr Betragen aus den spätern Sitten oder Einsichten beurtheilen darf; (man mus Mitleiden haben mit schwachen Leuten, welche zweifeln, ob solcher Unterschied vor dem Richterstule des Gewißens gelte?) gesezt endlig, daß ein sanfteres Wesen zuweilen bei Luthern zuwünschen gewesen, so würde solches doch im Ganzen sehr hinderlig worden sein, bei dem Geschäfte, wozu vornemlig Muth und Standhaftigkeit erforderlig war, wozu der Höchste daher einen Man aufstellete, der mit starker Stimme die Warheit verkündigen konte. Von einem auch wolgesinneten Papste wr keine Besrung zuhoffen. Hadrian 6, welcher der Gelersamkeit wegen zu
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Glauben Hohn spricht, sollen ihm Freunde der Warheit nicht gebürend antworten? können sie solches thun ohne ihn als einen Thoren vorzustellen? in feinern Zeiten wird man sich feiner ausdrukken als Luther in jenen, man wird höchstens mit einem halben Worte die Thorheiten und Laster der Fürsten berüren, sogleich aber bemühet sein solche Künheit mit weitläufigen Lobreden und niedrigen Schmeicheleien zuersezen; ich weis nicht, ob man auf diesem Wege zu einem Ziele gelangen wird; aber das weis ich, daß vom Luther Schmeichelei und Vertuschung der Warheit sowenig zuerwarten war, als von redligen Leuten anderer Zeiten, auch die vielleicht erlaubte Behutsamkeit, so spätere Zeiten fordern mögen, sowenig von ihm zufordern stund, als man die mosaischen Altväter und ihr Betragen aus den spätern Sitten oder Einsichten beurtheilen darf; (man mus Mitleiden haben mit schwachen Leuten, welche zweifeln, ob solcher Unterschied vor dem Richterstule des Gewißens gelte?) gesezt endlig, daß ein sanfteres Wesen zuweilen bei Luthern zuwünschen gewesen, so würde solches doch im Ganzen sehr hinderlig worden sein, bei dem Geschäfte, wozu vornemlig Muth und Standhaftigkeit erforderlig war, wozu der Höchste daher einen Man aufstellete, der mit starker Stimme die Warheit verkündigen konte. Von einem auch wolgesinneten Papste wr keine Besrung zuhoffen. Hadrian 6, welcher der Gelersamkeit wegen zu
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Tönnies, Johann Heinrich: Auszug der Geschichte zur Erklärung der Offenbarung Johannis. Leipzig, 1776, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_auszug_1776/694>, abgerufen am 22.11.2024.
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