Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775.

Bild:
<< vorherige Seite
Der 27te Januar.

So still und schläfrig auch alles um mich her scheinet, [unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
wachet doch der Ruhm des Allerhöchsten noch auf unzähligen Li[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
pen. Und doch übersehe ich nur einen sehr kleinen Theil des gro[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
sen Schauplatzes, auf welchem die Ehre Gottes erschallet. Inden
ich mir jetzt Beschirmung für die Nacht erflehe, so stehen andr[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
Völker auf, und erbitten sich, in unterschiedlichen Sprachen und
Stellungen, den Beistand des unsichtbaren Herrn für den ange[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
fangenen Tag. Andre Nationen und Bewohner der Inseln lech-
zen in der Mittagssonne nach Schatten, und noch andre in käl-
tern Erdstrichen schlafen anjetzt unter der Hand Gottes den tief-
sten Mitternachtsschlaf.

Ich darf bei den Gesängen des Himmels nicht gleichgültig
seyn, und das Beispiel meiner betenden Mitknechte muß mich zur
Andacht anfeuern. Mag es doch in rauher Sprache seyn, mag
doch auch manche Thorheit bei den Gebeten mancher Völker mit
unterlaufen: du Herr! siehest ja nur auf das Herz. Du ver-
stehest die murmelnde Seufzer des geplagten Regers, und der
Freudentanz des dir dankenden ehrlichen Amerikaners ist dir wol
nicht so thörigt, als uns. Welch ein reizender Anblick muß es
nicht für Engel und selige Geister seyn, wenn sie sehen, wie eine
Nation nach der andern von ihrem Lager sich erhebt, und nach ih-
rer Mundart und bestmöglichsten Begriffen eben das sagt, wovon
der Himmel in Ewigkeit erschallet, nemlich: daß Gott die Güte
selber ist, und nur durch ihn die Kreatur glücklich werden kan!

Schleuß dich denn an, mein Herz! an diesen Kreis der
Betenden. Hier ist Stillschweigen Mißklang in der allgemeinen
Harmonie. Anfänger in der Frömmigkeit mögen nur bitten;
Engel nur loben: ich will beides thun. Ja, ich danke dir, All-
genugsamer! daß du diesen Tag auch bis auf mich herab dein
väterliches Auge neigtest! Ich bin und bleibe zu geringe aller
Barmherzigkeit, die du mir bis hieher erwiesen hast. So lobe
dich Himmel und Erde, denn du bist Gott! Nun noch Eine
Bitte: erhalt mich in deiner Gnade um Jesu willen! Amen.

Der
Der 27te Januar.

So ſtill und ſchlaͤfrig auch alles um mich her ſcheinet, [unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
wachet doch der Ruhm des Allerhoͤchſten noch auf unzaͤhligen Li[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
pen. Und doch uͤberſehe ich nur einen ſehr kleinen Theil des gro[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
ſen Schauplatzes, auf welchem die Ehre Gottes erſchallet. Inden
ich mir jetzt Beſchirmung fuͤr die Nacht erflehe, ſo ſtehen andr[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
Voͤlker auf, und erbitten ſich, in unterſchiedlichen Sprachen und
Stellungen, den Beiſtand des unſichtbaren Herrn fuͤr den ange[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
fangenen Tag. Andre Nationen und Bewohner der Inſeln lech-
zen in der Mittagsſonne nach Schatten, und noch andre in kaͤl-
tern Erdſtrichen ſchlafen anjetzt unter der Hand Gottes den tief-
ſten Mitternachtsſchlaf.

Ich darf bei den Geſaͤngen des Himmels nicht gleichguͤltig
ſeyn, und das Beiſpiel meiner betenden Mitknechte muß mich zur
Andacht anfeuern. Mag es doch in rauher Sprache ſeyn, mag
doch auch manche Thorheit bei den Gebeten mancher Voͤlker mit
unterlaufen: du Herr! ſieheſt ja nur auf das Herz. Du ver-
ſteheſt die murmelnde Seufzer des geplagten Regers, und der
Freudentanz des dir dankenden ehrlichen Amerikaners iſt dir wol
nicht ſo thoͤrigt, als uns. Welch ein reizender Anblick muß es
nicht fuͤr Engel und ſelige Geiſter ſeyn, wenn ſie ſehen, wie eine
Nation nach der andern von ihrem Lager ſich erhebt, und nach ih-
rer Mundart und beſtmoͤglichſten Begriffen eben das ſagt, wovon
der Himmel in Ewigkeit erſchallet, nemlich: daß Gott die Guͤte
ſelber iſt, und nur durch ihn die Kreatur gluͤcklich werden kan!

Schleuß dich denn an, mein Herz! an dieſen Kreis der
Betenden. Hier iſt Stillſchweigen Mißklang in der allgemeinen
Harmonie. Anfaͤnger in der Froͤmmigkeit moͤgen nur bitten;
Engel nur loben: ich will beides thun. Ja, ich danke dir, All-
genugſamer! daß du dieſen Tag auch bis auf mich herab dein
vaͤterliches Auge neigteſt! Ich bin und bleibe zu geringe aller
Barmherzigkeit, die du mir bis hieher erwieſen haſt. So lobe
dich Himmel und Erde, denn du biſt Gott! Nun noch Eine
Bitte: erhalt mich in deiner Gnade um Jeſu willen! Amen.

Der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0093" n="56[86]"/>
            <fw place="top" type="header">Der 27<hi rendition="#sup">te</hi> Januar.</fw><lb/>
            <p>So &#x017F;till und &#x017F;chla&#x0364;frig auch alles um mich her &#x017F;cheinet, <gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/>
wachet doch der Ruhm des Allerho&#x0364;ch&#x017F;ten noch auf unza&#x0364;hligen Li<gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/>
pen. Und doch u&#x0364;ber&#x017F;ehe ich nur einen &#x017F;ehr kleinen Theil des gro<gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/>
&#x017F;en Schauplatzes, auf welchem die Ehre Gottes er&#x017F;challet. Inden<lb/>
ich mir jetzt Be&#x017F;chirmung fu&#x0364;r die Nacht erflehe, &#x017F;o &#x017F;tehen andr<gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/>
Vo&#x0364;lker auf, und erbitten &#x017F;ich, in unter&#x017F;chiedlichen Sprachen und<lb/>
Stellungen, den Bei&#x017F;tand des un&#x017F;ichtbaren Herrn fu&#x0364;r den ange<gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/>
fangenen Tag. Andre Nationen und Bewohner der In&#x017F;eln lech-<lb/>
zen in der Mittags&#x017F;onne nach Schatten, und noch andre in ka&#x0364;l-<lb/>
tern Erd&#x017F;trichen &#x017F;chlafen anjetzt unter der Hand Gottes den tief-<lb/>
&#x017F;ten Mitternachts&#x017F;chlaf.</p><lb/>
            <p>Ich darf bei den Ge&#x017F;a&#x0364;ngen des Himmels nicht gleichgu&#x0364;ltig<lb/>
&#x017F;eyn, und das Bei&#x017F;piel meiner betenden Mitknechte muß mich zur<lb/>
Andacht anfeuern. Mag es doch in rauher Sprache &#x017F;eyn, mag<lb/>
doch auch manche Thorheit bei den Gebeten mancher Vo&#x0364;lker mit<lb/>
unterlaufen: du Herr! &#x017F;iehe&#x017F;t ja nur auf das Herz. Du ver-<lb/>
&#x017F;tehe&#x017F;t die murmelnde Seufzer des geplagten Regers, und der<lb/>
Freudentanz des dir dankenden ehrlichen Amerikaners i&#x017F;t dir wol<lb/>
nicht &#x017F;o tho&#x0364;rigt, als uns. Welch ein reizender Anblick muß es<lb/>
nicht fu&#x0364;r Engel und &#x017F;elige Gei&#x017F;ter &#x017F;eyn, wenn &#x017F;ie &#x017F;ehen, wie eine<lb/>
Nation nach der andern von ihrem Lager &#x017F;ich erhebt, und nach ih-<lb/>
rer Mundart und be&#x017F;tmo&#x0364;glich&#x017F;ten Begriffen eben das &#x017F;agt, wovon<lb/>
der Himmel in Ewigkeit er&#x017F;challet, nemlich: daß Gott die Gu&#x0364;te<lb/>
&#x017F;elber i&#x017F;t, und nur durch ihn die Kreatur glu&#x0364;cklich werden kan!</p><lb/>
            <p>Schleuß dich denn an, mein Herz! an die&#x017F;en Kreis der<lb/>
Betenden. Hier i&#x017F;t Still&#x017F;chweigen Mißklang in der allgemeinen<lb/>
Harmonie. Anfa&#x0364;nger in der Fro&#x0364;mmigkeit mo&#x0364;gen nur bitten;<lb/>
Engel nur loben: ich will beides thun. Ja, ich danke dir, All-<lb/>
genug&#x017F;amer! daß du die&#x017F;en Tag auch bis auf mich herab dein<lb/>
va&#x0364;terliches Auge neigte&#x017F;t! Ich bin und bleibe zu geringe aller<lb/>
Barmherzigkeit, die du mir bis hieher erwie&#x017F;en ha&#x017F;t. So lobe<lb/>
dich Himmel und Erde, denn du bi&#x017F;t Gott! Nun noch Eine<lb/>
Bitte: erhalt mich in deiner Gnade um Je&#x017F;u willen! Amen.</p>
          </div><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Der</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[56[86]/0093] Der 27te Januar. So ſtill und ſchlaͤfrig auch alles um mich her ſcheinet, _ wachet doch der Ruhm des Allerhoͤchſten noch auf unzaͤhligen Li_ pen. Und doch uͤberſehe ich nur einen ſehr kleinen Theil des gro_ ſen Schauplatzes, auf welchem die Ehre Gottes erſchallet. Inden ich mir jetzt Beſchirmung fuͤr die Nacht erflehe, ſo ſtehen andr_ Voͤlker auf, und erbitten ſich, in unterſchiedlichen Sprachen und Stellungen, den Beiſtand des unſichtbaren Herrn fuͤr den ange_ fangenen Tag. Andre Nationen und Bewohner der Inſeln lech- zen in der Mittagsſonne nach Schatten, und noch andre in kaͤl- tern Erdſtrichen ſchlafen anjetzt unter der Hand Gottes den tief- ſten Mitternachtsſchlaf. Ich darf bei den Geſaͤngen des Himmels nicht gleichguͤltig ſeyn, und das Beiſpiel meiner betenden Mitknechte muß mich zur Andacht anfeuern. Mag es doch in rauher Sprache ſeyn, mag doch auch manche Thorheit bei den Gebeten mancher Voͤlker mit unterlaufen: du Herr! ſieheſt ja nur auf das Herz. Du ver- ſteheſt die murmelnde Seufzer des geplagten Regers, und der Freudentanz des dir dankenden ehrlichen Amerikaners iſt dir wol nicht ſo thoͤrigt, als uns. Welch ein reizender Anblick muß es nicht fuͤr Engel und ſelige Geiſter ſeyn, wenn ſie ſehen, wie eine Nation nach der andern von ihrem Lager ſich erhebt, und nach ih- rer Mundart und beſtmoͤglichſten Begriffen eben das ſagt, wovon der Himmel in Ewigkeit erſchallet, nemlich: daß Gott die Guͤte ſelber iſt, und nur durch ihn die Kreatur gluͤcklich werden kan! Schleuß dich denn an, mein Herz! an dieſen Kreis der Betenden. Hier iſt Stillſchweigen Mißklang in der allgemeinen Harmonie. Anfaͤnger in der Froͤmmigkeit moͤgen nur bitten; Engel nur loben: ich will beides thun. Ja, ich danke dir, All- genugſamer! daß du dieſen Tag auch bis auf mich herab dein vaͤterliches Auge neigteſt! Ich bin und bleibe zu geringe aller Barmherzigkeit, die du mir bis hieher erwieſen haſt. So lobe dich Himmel und Erde, denn du biſt Gott! Nun noch Eine Bitte: erhalt mich in deiner Gnade um Jeſu willen! Amen. Der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Li Xang: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2023-05-24T12:24:22Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/93
Zitationshilfe: Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 56[86]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/93>, abgerufen am 24.11.2024.