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Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775.

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Der 24te Januar.
Gott, Sündfluth, Pest und andre Landplagen: aber er winkt und
ihr Wüten leget sich. Unter andern grossen Vortheilen, deren
uns die Gesalbten des Herrn gewähren, ist das eine vorzügliche:
daß Tugend und Geschicklichkeit gereizet und belohnt, folglich un-
ter den Menschen beliebter werden. Jm natürlichen Zustande
wären Gehorsam, Treue, Ruhmbegierde, grosser Verstand und
Arbeitsamkeit unnütze, wo nicht gar schädliche Tugenden. Und
wie gutherzig machen uns Regenten nicht! Wo sie nichts denken,
messen wir ihnen grosse Absichten bei. Alles, auch noch so zufäl-
lige Gute des Landes, sehen wir als das Werk ihrer Einsichten und
Tugenden an. Thun sie böses: so entschuldigen wir sie mit bösen
Rathgebern, Staatsinteresse oder widrigem Schicksal. Wie glück-
lich, wenn wir diese Treuherzigkeit gegen alle Menschen äusserten!

Zwar mancher Thron verliert seinen Glanz, und wird von
Thränen und Blut der Unterthanen überschwemmt: aber darf ich
deswegen ein Rebell werden? Ich diene ja dem weltlichen Herrn
nicht blos um seiner, sondern vielmehr um Gottes willen. Der
harte Herr ist eine Prüfung für mich, und hat diese nicht ihren
grossen Nutzen, wenn ich sie als ein Christ überstehe? Wehe dir
Land! des König ein Kind ist: aber auch wohl deinen Unterthanen,
wenn sie sich an diesem Strafgerichte Gottes nicht versündigen!

Ich danke dir, Herr aller Herrn! für Schutz und Wohl-
fart, die ich durch dich von meiner Obrigkeit bis hieher erhalten
habe. Segne sie dafür und erhalt mich gehorsam. Insonder-
heit laß deine Gnade groß seyn über unsern Landesherrn,

Daß Weisheit und Gerechtigkeit
Auf seinem Stuhle throne;
Daß Tugend und Zufriedenheit
In unserm Lande wohne;
Daß Treu und Liebe bei uns sey;
Dis, lieber Vater! dis verleih
In Christo deinem Sohne!
Der

Der 24te Januar.
Gott, Suͤndfluth, Peſt und andre Landplagen: aber er winkt und
ihr Wuͤten leget ſich. Unter andern groſſen Vortheilen, deren
uns die Geſalbten des Herrn gewaͤhren, iſt das eine vorzuͤgliche:
daß Tugend und Geſchicklichkeit gereizet und belohnt, folglich un-
ter den Menſchen beliebter werden. Jm natuͤrlichen Zuſtande
waͤren Gehorſam, Treue, Ruhmbegierde, groſſer Verſtand und
Arbeitſamkeit unnuͤtze, wo nicht gar ſchaͤdliche Tugenden. Und
wie gutherzig machen uns Regenten nicht! Wo ſie nichts denken,
meſſen wir ihnen groſſe Abſichten bei. Alles, auch noch ſo zufaͤl-
lige Gute des Landes, ſehen wir als das Werk ihrer Einſichten und
Tugenden an. Thun ſie boͤſes: ſo entſchuldigen wir ſie mit boͤſen
Rathgebern, Staatsintereſſe oder widrigem Schickſal. Wie gluͤck-
lich, wenn wir dieſe Treuherzigkeit gegen alle Menſchen aͤuſſerten!

Zwar mancher Thron verliert ſeinen Glanz, und wird von
Thraͤnen und Blut der Unterthanen uͤberſchwemmt: aber darf ich
deswegen ein Rebell werden? Ich diene ja dem weltlichen Herrn
nicht blos um ſeiner, ſondern vielmehr um Gottes willen. Der
harte Herr iſt eine Pruͤfung fuͤr mich, und hat dieſe nicht ihren
groſſen Nutzen, wenn ich ſie als ein Chriſt uͤberſtehe? Wehe dir
Land! des Koͤnig ein Kind iſt: aber auch wohl deinen Unterthanen,
wenn ſie ſich an dieſem Strafgerichte Gottes nicht verſuͤndigen!

Ich danke dir, Herr aller Herrn! fuͤr Schutz und Wohl-
fart, die ich durch dich von meiner Obrigkeit bis hieher erhalten
habe. Segne ſie dafuͤr und erhalt mich gehorſam. Inſonder-
heit laß deine Gnade groß ſeyn uͤber unſern Landesherrn,

Daß Weisheit und Gerechtigkeit
Auf ſeinem Stuhle throne;
Daß Tugend und Zufriedenheit
In unſerm Lande wohne;
Daß Treu und Liebe bei uns ſey;
Dis, lieber Vater! dis verleih
In Chriſto deinem Sohne!
Der
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[50[80]/0087] Der 24te Januar. Gott, Suͤndfluth, Peſt und andre Landplagen: aber er winkt und ihr Wuͤten leget ſich. Unter andern groſſen Vortheilen, deren uns die Geſalbten des Herrn gewaͤhren, iſt das eine vorzuͤgliche: daß Tugend und Geſchicklichkeit gereizet und belohnt, folglich un- ter den Menſchen beliebter werden. Jm natuͤrlichen Zuſtande waͤren Gehorſam, Treue, Ruhmbegierde, groſſer Verſtand und Arbeitſamkeit unnuͤtze, wo nicht gar ſchaͤdliche Tugenden. Und wie gutherzig machen uns Regenten nicht! Wo ſie nichts denken, meſſen wir ihnen groſſe Abſichten bei. Alles, auch noch ſo zufaͤl- lige Gute des Landes, ſehen wir als das Werk ihrer Einſichten und Tugenden an. Thun ſie boͤſes: ſo entſchuldigen wir ſie mit boͤſen Rathgebern, Staatsintereſſe oder widrigem Schickſal. Wie gluͤck- lich, wenn wir dieſe Treuherzigkeit gegen alle Menſchen aͤuſſerten! Zwar mancher Thron verliert ſeinen Glanz, und wird von Thraͤnen und Blut der Unterthanen uͤberſchwemmt: aber darf ich deswegen ein Rebell werden? Ich diene ja dem weltlichen Herrn nicht blos um ſeiner, ſondern vielmehr um Gottes willen. Der harte Herr iſt eine Pruͤfung fuͤr mich, und hat dieſe nicht ihren groſſen Nutzen, wenn ich ſie als ein Chriſt uͤberſtehe? Wehe dir Land! des Koͤnig ein Kind iſt: aber auch wohl deinen Unterthanen, wenn ſie ſich an dieſem Strafgerichte Gottes nicht verſuͤndigen! Ich danke dir, Herr aller Herrn! fuͤr Schutz und Wohl- fart, die ich durch dich von meiner Obrigkeit bis hieher erhalten habe. Segne ſie dafuͤr und erhalt mich gehorſam. Inſonder- heit laß deine Gnade groß ſeyn uͤber unſern Landesherrn, Daß Weisheit und Gerechtigkeit Auf ſeinem Stuhle throne; Daß Tugend und Zufriedenheit In unſerm Lande wohne; Daß Treu und Liebe bei uns ſey; Dis, lieber Vater! dis verleih In Chriſto deinem Sohne! Der

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 50[80]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/87>, abgerufen am 22.11.2024.