Soll dich ein irdsches Gut erquicken, So sey behutsam im Genuß: Nur Mäßigen wird es Eutzücken: Dem Schwelger Schmerz und Ueberdruß.
Gottes Einrichtung zu tadeln, und der Natur Trotz zu bieten, solte das nicht Thorheit und Sünde seyn? Die Absicht des Schöpfers ist, daß wir durch den Schlaf die verlorne Kräfte wie- der ersetzen sollen. Schlafen wir zu viel, so erreichen wir diesen Endzweck nicht, und unangenehme Folgen sind der Lohn. Wer aus Weichlichkeit, Unbesonnenheit und Ekel vor nützlicher Be- schäftigung zu lange schläft, wird an Leib und Seele gestraft. Ar- muth und Mangel, sagt die heilige Schrift, wird den Schlaf- süchtigen übereilen. Aber das nicht allein: sondern Trägheit des Körpers, Dummheit des Geistes, und zunehmende Schlafsucht bemächtigen sich des Faulen. Wenn also gemißbrauchter Schlaf Sünde ist, und sich so empfindlich rächet: so ist es allerdings Pflicht, mäßig zu schlafen.
Dahin gehöret 1) nicht zu lange zu schlafen, oder nicht mehr, als zur Erholung der Kräfte nöthig ist. Ohne Noth verschlafne Stunden werden uns dereinst anklagen, weil wir sie zur Ehre Gottes und zum Dienst der Menschen weit besser verbrauchen konten. Daß aber unsre Natur keiner zu langen Frist zur Wie- derersetzung der Kräfte bedarf, sehen wir an Landleuten zur Ernte- zeit, und an andern vielgeschäftigen Menschen. 2) Zu rechter Zeit zu schlafen, ist gleichfals eine Pflicht, deren Uebertretung wir ver- antworten müssen. Es ist nicht gleichgültig, ob wir den Tag oder die Nacht zum Schlafen erwälen: die Aerzte und unsre Er- fahrung können uns davon überzeugen. Die Finsterniß ruft uns von unsern Geschäften ab; die Stille ladet uns ein; und die feuchte Kälte der Nacht fodert von uns Wärme und Bedeckung. 3) Wir
müssen
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Der 19te Januar.
Soll dich ein irdſches Gut erquicken, So ſey behutſam im Genuß: Nur Maͤßigen wird es Eutzuͤcken: Dem Schwelger Schmerz und Ueberdruß.
Gottes Einrichtung zu tadeln, und der Natur Trotz zu bieten, ſolte das nicht Thorheit und Suͤnde ſeyn? Die Abſicht des Schoͤpfers iſt, daß wir durch den Schlaf die verlorne Kraͤfte wie- der erſetzen ſollen. Schlafen wir zu viel, ſo erreichen wir dieſen Endzweck nicht, und unangenehme Folgen ſind der Lohn. Wer aus Weichlichkeit, Unbeſonnenheit und Ekel vor nuͤtzlicher Be- ſchaͤftigung zu lange ſchlaͤft, wird an Leib und Seele geſtraft. Ar- muth und Mangel, ſagt die heilige Schrift, wird den Schlaf- ſuͤchtigen uͤbereilen. Aber das nicht allein: ſondern Traͤgheit des Koͤrpers, Dummheit des Geiſtes, und zunehmende Schlafſucht bemaͤchtigen ſich des Faulen. Wenn alſo gemißbrauchter Schlaf Suͤnde iſt, und ſich ſo empfindlich raͤchet: ſo iſt es allerdings Pflicht, maͤßig zu ſchlafen.
Dahin gehoͤret 1) nicht zu lange zu ſchlafen, oder nicht mehr, als zur Erholung der Kraͤfte noͤthig iſt. Ohne Noth verſchlafne Stunden werden uns dereinſt anklagen, weil wir ſie zur Ehre Gottes und zum Dienſt der Menſchen weit beſſer verbrauchen konten. Daß aber unſre Natur keiner zu langen Friſt zur Wie- dererſetzung der Kraͤfte bedarf, ſehen wir an Landleuten zur Ernte- zeit, und an andern vielgeſchaͤftigen Menſchen. 2) Zu rechter Zeit zu ſchlafen, iſt gleichfals eine Pflicht, deren Uebertretung wir ver- antworten muͤſſen. Es iſt nicht gleichguͤltig, ob wir den Tag oder die Nacht zum Schlafen erwaͤlen: die Aerzte und unſre Er- fahrung koͤnnen uns davon uͤberzeugen. Die Finſterniß ruft uns von unſern Geſchaͤften ab; die Stille ladet uns ein; und die feuchte Kaͤlte der Nacht fodert von uns Waͤrme und Bedeckung. 3) Wir
muͤſſen
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[39[69]/0076]
Der 19te Januar.
Soll dich ein irdſches Gut erquicken,
So ſey behutſam im Genuß:
Nur Maͤßigen wird es Eutzuͤcken:
Dem Schwelger Schmerz und Ueberdruß.
Gottes Einrichtung zu tadeln, und der Natur Trotz zu bieten,
ſolte das nicht Thorheit und Suͤnde ſeyn? Die Abſicht des
Schoͤpfers iſt, daß wir durch den Schlaf die verlorne Kraͤfte wie-
der erſetzen ſollen. Schlafen wir zu viel, ſo erreichen wir dieſen
Endzweck nicht, und unangenehme Folgen ſind der Lohn. Wer
aus Weichlichkeit, Unbeſonnenheit und Ekel vor nuͤtzlicher Be-
ſchaͤftigung zu lange ſchlaͤft, wird an Leib und Seele geſtraft. Ar-
muth und Mangel, ſagt die heilige Schrift, wird den Schlaf-
ſuͤchtigen uͤbereilen. Aber das nicht allein: ſondern Traͤgheit des
Koͤrpers, Dummheit des Geiſtes, und zunehmende Schlafſucht
bemaͤchtigen ſich des Faulen. Wenn alſo gemißbrauchter Schlaf
Suͤnde iſt, und ſich ſo empfindlich raͤchet: ſo iſt es allerdings
Pflicht, maͤßig zu ſchlafen.
Dahin gehoͤret 1) nicht zu lange zu ſchlafen, oder nicht mehr,
als zur Erholung der Kraͤfte noͤthig iſt. Ohne Noth verſchlafne
Stunden werden uns dereinſt anklagen, weil wir ſie zur Ehre
Gottes und zum Dienſt der Menſchen weit beſſer verbrauchen
konten. Daß aber unſre Natur keiner zu langen Friſt zur Wie-
dererſetzung der Kraͤfte bedarf, ſehen wir an Landleuten zur Ernte-
zeit, und an andern vielgeſchaͤftigen Menſchen. 2) Zu rechter Zeit
zu ſchlafen, iſt gleichfals eine Pflicht, deren Uebertretung wir ver-
antworten muͤſſen. Es iſt nicht gleichguͤltig, ob wir den Tag
oder die Nacht zum Schlafen erwaͤlen: die Aerzte und unſre Er-
fahrung koͤnnen uns davon uͤberzeugen. Die Finſterniß ruft uns
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Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 39[69]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/76>, abgerufen am 27.11.2024.
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