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Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775.

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Der 18te Januar.
Flur unsrer Erde. Hier eine lächelnde Aue und dort ein jä[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
Felsen; Gewitterwolken und Sonnenblicke wechselten ab! Ich s[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
Rettung aus Gefahren, Leichen der Meinigen, Krankheit[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
fröliche Feste, unerwartete Begebenheiten und -- in allen se
ich dich, mein Gott von meiner Jugend an! Die Hände, wel[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
mich in zarter Jugend führten, sind zum Theil verweset: aber [unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
deiner ewig hülfreichen Hand wandle ich noch. So verläßt un
eine Stütze, ein Freund nach dem andern, und überläßt uns di[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
Von unsrer ersten Kindheit bis zu unsrer letzten bei grauen Ha[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
ren, bist du der einzige, der immer bei uns bleibt und vor Strau
cheln und Leichtsinn warnet.

Aber welche Veränderung auch in meinem Werthe! Als ich[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
meine ersten Begriffe noch unförmlich daher lallte, da, sagte man
mir, war ich einem jeden angenehm, und dir, allgütiger Jesu!
der du den Kindern einen so hohen Werth bei deinem Wandel
auf Erden beilegtest, gewiß auch. Jetzt aber lächelt mir nie-
mand so leicht an, den ich nicht erst dafür bezahle; und Gott? --
O! daß ich mich ohne alle Gewissensbisse sein jederzeit treues Kind
nennen dürfte!

Vater! -- So will ich dich in Ewigkeit nennen; denn du
allein bleibst es, wenn ich längst das Krankenbette und den Sarg
meiner leiblichen Eltern mit Thränen benetzet habe; Vater! hilf
mir, wenn ich strauchle; drohe mir, wenn ich muthwillig bin;
züchtige mich, wenn mein Eigensinn dir den Gehorsam versagt:
denn ich bin dein Kind, oder verlange es wenigstens zu seyn.
Sind meine Gedanken und Othemzüge seit meiner Kindheit un-
zählbar: so sind es deine Wohlthaten noch mehr. Und mit al-
len diesen Millionen Beweisen deiner Liebe woltest du mich locken,
daß ich glauben solte: du wärest mein rechter Vater und ich dein
Kind! O! wie kindisch, wenn ich jetzt noch daran zweifeln könte!
Nein, Vater! dir allein gehöre ich an; in deinen Armen schlafe
ich, dein Kind, jetzt ruhig und dir ergeben ein! So schlaf ich einst
am Ende meiner Tage ein, und lebe ewig bei dir!

Der

Der 18te Januar.
Flur unſrer Erde. Hier eine laͤchelnde Aue und dort ein jaͤ[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
Felſen; Gewitterwolken und Sonnenblicke wechſelten ab! Ich ſ[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
Rettung aus Gefahren, Leichen der Meinigen, Krankheit[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
froͤliche Feſte, unerwartete Begebenheiten und — in allen ſe
ich dich, mein Gott von meiner Jugend an! Die Haͤnde, wel[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
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deiner ewig huͤlfreichen Hand wandle ich noch. So verlaͤßt un
eine Stuͤtze, ein Freund nach dem andern, und uͤberlaͤßt uns di[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
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ren, biſt du der einzige, der immer bei uns bleibt und vor Strau
cheln und Leichtſinn warnet.

Aber welche Veraͤnderung auch in meinem Werthe! Als ich[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
meine erſten Begriffe noch unfoͤrmlich daher lallte, da, ſagte man
mir, war ich einem jeden angenehm, und dir, allguͤtiger Jeſu!
der du den Kindern einen ſo hohen Werth bei deinem Wandel
auf Erden beilegteſt, gewiß auch. Jetzt aber laͤchelt mir nie-
mand ſo leicht an, den ich nicht erſt dafuͤr bezahle; und Gott? —
O! daß ich mich ohne alle Gewiſſensbiſſe ſein jederzeit treues Kind
nennen duͤrfte!

Vater! — So will ich dich in Ewigkeit nennen; denn du
allein bleibſt es, wenn ich laͤngſt das Krankenbette und den Sarg
meiner leiblichen Eltern mit Thraͤnen benetzet habe; Vater! hilf
mir, wenn ich ſtrauchle; drohe mir, wenn ich muthwillig bin;
zuͤchtige mich, wenn mein Eigenſinn dir den Gehorſam verſagt:
denn ich bin dein Kind, oder verlange es wenigſtens zu ſeyn.
Sind meine Gedanken und Othemzuͤge ſeit meiner Kindheit un-
zaͤhlbar: ſo ſind es deine Wohlthaten noch mehr. Und mit al-
len dieſen Millionen Beweiſen deiner Liebe wolteſt du mich locken,
daß ich glauben ſolte: du waͤreſt mein rechter Vater und ich dein
Kind! O! wie kindiſch, wenn ich jetzt noch daran zweifeln koͤnte!
Nein, Vater! dir allein gehoͤre ich an; in deinen Armen ſchlafe
ich, dein Kind, jetzt ruhig und dir ergeben ein! So ſchlaf ich einſt
am Ende meiner Tage ein, und lebe ewig bei dir!

Der
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[38[68]/0075] Der 18te Januar. Flur unſrer Erde. Hier eine laͤchelnde Aue und dort ein jaͤ_ Felſen; Gewitterwolken und Sonnenblicke wechſelten ab! Ich ſ_ Rettung aus Gefahren, Leichen der Meinigen, Krankheit_ froͤliche Feſte, unerwartete Begebenheiten und — in allen ſe ich dich, mein Gott von meiner Jugend an! Die Haͤnde, wel_ mich in zarter Jugend fuͤhrten, ſind zum Theil verweſet: aber _ deiner ewig huͤlfreichen Hand wandle ich noch. So verlaͤßt un eine Stuͤtze, ein Freund nach dem andern, und uͤberlaͤßt uns di_ Von unſrer erſten Kindheit bis zu unſrer letzten bei grauen Ha_ ren, biſt du der einzige, der immer bei uns bleibt und vor Strau cheln und Leichtſinn warnet. Aber welche Veraͤnderung auch in meinem Werthe! Als ich_ meine erſten Begriffe noch unfoͤrmlich daher lallte, da, ſagte man mir, war ich einem jeden angenehm, und dir, allguͤtiger Jeſu! der du den Kindern einen ſo hohen Werth bei deinem Wandel auf Erden beilegteſt, gewiß auch. Jetzt aber laͤchelt mir nie- mand ſo leicht an, den ich nicht erſt dafuͤr bezahle; und Gott? — O! daß ich mich ohne alle Gewiſſensbiſſe ſein jederzeit treues Kind nennen duͤrfte! Vater! — So will ich dich in Ewigkeit nennen; denn du allein bleibſt es, wenn ich laͤngſt das Krankenbette und den Sarg meiner leiblichen Eltern mit Thraͤnen benetzet habe; Vater! hilf mir, wenn ich ſtrauchle; drohe mir, wenn ich muthwillig bin; zuͤchtige mich, wenn mein Eigenſinn dir den Gehorſam verſagt: denn ich bin dein Kind, oder verlange es wenigſtens zu ſeyn. Sind meine Gedanken und Othemzuͤge ſeit meiner Kindheit un- zaͤhlbar: ſo ſind es deine Wohlthaten noch mehr. Und mit al- len dieſen Millionen Beweiſen deiner Liebe wolteſt du mich locken, daß ich glauben ſolte: du waͤreſt mein rechter Vater und ich dein Kind! O! wie kindiſch, wenn ich jetzt noch daran zweifeln koͤnte! Nein, Vater! dir allein gehoͤre ich an; in deinen Armen ſchlafe ich, dein Kind, jetzt ruhig und dir ergeben ein! So ſchlaf ich einſt am Ende meiner Tage ein, und lebe ewig bei dir! Der

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Zitationshilfe: Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 38[68]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/75>, abgerufen am 22.11.2024.