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Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775.

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Der 16te Januar.

Daß ich die steigende Sonne erlebt habe, und nicht un[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
den Tausenden war, welche in den trüben Wintermonaten v[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
starben: das ist unverdiente Wohlthat, und darf mich nicht sich[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
und schläfrig machen. Sollen mich die Seuchen des Frühling[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
nicht tödten, und will ich die Sonne auf ihrer langen Somme[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
bahn noch sehen: so muß ich mich ja doch zu dir wenden, me[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
so oftmals vergeßner und doch immer wohlthuender Gott! De
Perser betet dich bei aufgehender Sonne an: und ich Christ wolt
gähnen, wenn mir ihre nun immer mehr senkrechte Stralen in[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
Angesicht glühen? Ich wolte mich nicht erinnern, daß Christu[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
Jesus die Sonne der Gerechtigkeit für mich ist, und daß er mei[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
kaltes Herz und meinen düstern Verstand immer mehr bescheine[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
wird, wenn ich nur die Hindernisse hinwegräumen, und seinen
Lehren den Eingang verstatten will? Und wer bin ich ohne ihn?
-- dumm, wie ein Kaffer und Grönländer, wäre ich auch der
feinste Höfling.

O! daß doch also meine Seele sich gänzlich den erwärmen-
den Stralen der göttlichen Gnade überliesse, ehe Nacht und Un-
fruchtbarkeit noch mehr in ihr zunehmen! Ist Jesus mein Licht
und mein Heil, so mag die Sonne steigen oder sinken: ich selbst
steige alsdann von einer Klarheit zur andern: aber ohne ihn ist
für mich alles Winter und Nacht. Wolan! mit den verlänger-
ten Tagen soll sich auch meine Andacht täglich vermehren und nie-
mals abnehmen. Zu dem Ende

Herr Jesu! Gnadensonne!
Wahrhaftes Lebenslicht!
Laß Leben, Licht und Wonns
Mein blödes Angesicht
Nach deiner Gnad' erfreuen
Und meinen Geist erneuen:
Mein Gott! versag mirs nicht!
Der
Der 16te Januar.

Daß ich die ſteigende Sonne erlebt habe, und nicht un[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
den Tauſenden war, welche in den truͤben Wintermonaten v[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
ſtarben: das iſt unverdiente Wohlthat, und darf mich nicht ſich[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
und ſchlaͤfrig machen. Sollen mich die Seuchen des Fruͤhling[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
nicht toͤdten, und will ich die Sonne auf ihrer langen Somme[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
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ſo oftmals vergeßner und doch immer wohlthuender Gott! De
Perſer betet dich bei aufgehender Sonne an: und ich Chriſt wolt
gaͤhnen, wenn mir ihre nun immer mehr ſenkrechte Stralen in[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
Angeſicht gluͤhen? Ich wolte mich nicht erinnern, daß Chriſtu[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
Jeſus die Sonne der Gerechtigkeit fuͤr mich iſt, und daß er mei[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
kaltes Herz und meinen duͤſtern Verſtand immer mehr beſcheine[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
wird, wenn ich nur die Hinderniſſe hinwegraͤumen, und ſeinen
Lehren den Eingang verſtatten will? Und wer bin ich ohne ihn?
— dumm, wie ein Kaffer und Groͤnlaͤnder, waͤre ich auch der
feinſte Hoͤfling.

O! daß doch alſo meine Seele ſich gaͤnzlich den erwaͤrmen-
den Stralen der goͤttlichen Gnade uͤberlieſſe, ehe Nacht und Un-
fruchtbarkeit noch mehr in ihr zunehmen! Iſt Jeſus mein Licht
und mein Heil, ſo mag die Sonne ſteigen oder ſinken: ich ſelbſt
ſteige alsdann von einer Klarheit zur andern: aber ohne ihn iſt
fuͤr mich alles Winter und Nacht. Wolan! mit den verlaͤnger-
ten Tagen ſoll ſich auch meine Andacht taͤglich vermehren und nie-
mals abnehmen. Zu dem Ende

Herr Jeſu! Gnadenſonne!
Wahrhaftes Lebenslicht!
Laß Leben, Licht und Wonns
Mein bloͤdes Angeſicht
Nach deiner Gnad’ erfreuen
Und meinen Geiſt erneuen:
Mein Gott! verſag mirs nicht!
Der
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[34[64]/0071] Der 16te Januar. Daß ich die ſteigende Sonne erlebt habe, und nicht un_ den Tauſenden war, welche in den truͤben Wintermonaten v_ ſtarben: das iſt unverdiente Wohlthat, und darf mich nicht ſich_ und ſchlaͤfrig machen. Sollen mich die Seuchen des Fruͤhling_ nicht toͤdten, und will ich die Sonne auf ihrer langen Somme_ bahn noch ſehen: ſo muß ich mich ja doch zu dir wenden, me_ ſo oftmals vergeßner und doch immer wohlthuender Gott! De Perſer betet dich bei aufgehender Sonne an: und ich Chriſt wolt gaͤhnen, wenn mir ihre nun immer mehr ſenkrechte Stralen in_ Angeſicht gluͤhen? Ich wolte mich nicht erinnern, daß Chriſtu_ Jeſus die Sonne der Gerechtigkeit fuͤr mich iſt, und daß er mei_ kaltes Herz und meinen duͤſtern Verſtand immer mehr beſcheine_ wird, wenn ich nur die Hinderniſſe hinwegraͤumen, und ſeinen Lehren den Eingang verſtatten will? Und wer bin ich ohne ihn? — dumm, wie ein Kaffer und Groͤnlaͤnder, waͤre ich auch der feinſte Hoͤfling. O! daß doch alſo meine Seele ſich gaͤnzlich den erwaͤrmen- den Stralen der goͤttlichen Gnade uͤberlieſſe, ehe Nacht und Un- fruchtbarkeit noch mehr in ihr zunehmen! Iſt Jeſus mein Licht und mein Heil, ſo mag die Sonne ſteigen oder ſinken: ich ſelbſt ſteige alsdann von einer Klarheit zur andern: aber ohne ihn iſt fuͤr mich alles Winter und Nacht. Wolan! mit den verlaͤnger- ten Tagen ſoll ſich auch meine Andacht taͤglich vermehren und nie- mals abnehmen. Zu dem Ende Herr Jeſu! Gnadenſonne! Wahrhaftes Lebenslicht! Laß Leben, Licht und Wonns Mein bloͤdes Angeſicht Nach deiner Gnad’ erfreuen Und meinen Geiſt erneuen: Mein Gott! verſag mirs nicht! Der

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 34[64]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/71>, abgerufen am 16.07.2024.