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Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775.

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Der 15te Januar.
Herr! jeden Trost, der mich ersreut,
Vermehr in meinem Herzen!
Mich stärke deine Ewigkeit,
Bei meiner Wallfarth Schmerzen,
Sie sey in meinem Tod mein Heil
Und einst mein längst gewünschtes Theil,
Wann ich vom Tod erwache!


Mein mannigfaltiger Kummer sey noch so groß, so ist er doch
mit der Freude nicht zu vergleichen, welche ich an Gott
haben könte und solte. Jeder Othemzug führet mir so viele
Wohlthaten meines himmlischen Vaters zu, daß ich, wenn ich
sie gehörig beherzige, alle Noth und Sorgen aus dem Gesichte
verliere. Die Pflicht des Christenthums, sich allewege in
dem Herrn zu freuen,
kan einem Nachdenkenden nicht sauer
werden, der aus der heil. Schrift weiß, daß dieser Zeit Leiden
nicht werth seyn der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll.
Jesus hat uns das Leben und volle Genüge erworben: wer davon
benachrichtiget ist, versündiget sich, wenn er seine Tage in Jam-
mer verlebt. Nein! ich darf kein mürrischer Knecht in der gros-
sen und gütigen Haushaltung meines Gottes seyn; denn ich bin
sein Kind und Erbe der Seligkeit. Jeder meiner Affekten muß
dem Herrn geheiliget seyn, folglich meine Freude auch. Ich soll
den Himmel anlächeln: und er verdient es weit mehr als die Erde.
Wahre d. i. uns nicht unglücklich machende Freude ist ein Got-
tesdienst.

Denke ich nun zurück, wie viele unnütze Klagen ich in mei-
nem Leben ausgestossen habe; welche kindische Thränen ich über

den


Der 15te Januar.
Herr! jeden Troſt, der mich erſreut,
Vermehr in meinem Herzen!
Mich ſtaͤrke deine Ewigkeit,
Bei meiner Wallfarth Schmerzen,
Sie ſey in meinem Tod mein Heil
Und einſt mein laͤngſt gewuͤnſchtes Theil,
Wann ich vom Tod erwache!


Mein mannigfaltiger Kummer ſey noch ſo groß, ſo iſt er doch
mit der Freude nicht zu vergleichen, welche ich an Gott
haben koͤnte und ſolte. Jeder Othemzug fuͤhret mir ſo viele
Wohlthaten meines himmliſchen Vaters zu, daß ich, wenn ich
ſie gehoͤrig beherzige, alle Noth und Sorgen aus dem Geſichte
verliere. Die Pflicht des Chriſtenthums, ſich allewege in
dem Herrn zu freuen,
kan einem Nachdenkenden nicht ſauer
werden, der aus der heil. Schrift weiß, daß dieſer Zeit Leiden
nicht werth ſeyn der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden ſoll.
Jeſus hat uns das Leben und volle Genuͤge erworben: wer davon
benachrichtiget iſt, verſuͤndiget ſich, wenn er ſeine Tage in Jam-
mer verlebt. Nein! ich darf kein muͤrriſcher Knecht in der groſ-
ſen und guͤtigen Haushaltung meines Gottes ſeyn; denn ich bin
ſein Kind und Erbe der Seligkeit. Jeder meiner Affekten muß
dem Herrn geheiliget ſeyn, folglich meine Freude auch. Ich ſoll
den Himmel anlaͤcheln: und er verdient es weit mehr als die Erde.
Wahre d. i. uns nicht ungluͤcklich machende Freude iſt ein Got-
tesdienſt.

Denke ich nun zuruͤck, wie viele unnuͤtze Klagen ich in mei-
nem Leben ausgeſtoſſen habe; welche kindiſche Thraͤnen ich uͤber

den
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[31[61]/0068] Der 15te Januar. Herr! jeden Troſt, der mich erſreut, Vermehr in meinem Herzen! Mich ſtaͤrke deine Ewigkeit, Bei meiner Wallfarth Schmerzen, Sie ſey in meinem Tod mein Heil Und einſt mein laͤngſt gewuͤnſchtes Theil, Wann ich vom Tod erwache! Mein mannigfaltiger Kummer ſey noch ſo groß, ſo iſt er doch mit der Freude nicht zu vergleichen, welche ich an Gott haben koͤnte und ſolte. Jeder Othemzug fuͤhret mir ſo viele Wohlthaten meines himmliſchen Vaters zu, daß ich, wenn ich ſie gehoͤrig beherzige, alle Noth und Sorgen aus dem Geſichte verliere. Die Pflicht des Chriſtenthums, ſich allewege in dem Herrn zu freuen, kan einem Nachdenkenden nicht ſauer werden, der aus der heil. Schrift weiß, daß dieſer Zeit Leiden nicht werth ſeyn der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden ſoll. Jeſus hat uns das Leben und volle Genuͤge erworben: wer davon benachrichtiget iſt, verſuͤndiget ſich, wenn er ſeine Tage in Jam- mer verlebt. Nein! ich darf kein muͤrriſcher Knecht in der groſ- ſen und guͤtigen Haushaltung meines Gottes ſeyn; denn ich bin ſein Kind und Erbe der Seligkeit. Jeder meiner Affekten muß dem Herrn geheiliget ſeyn, folglich meine Freude auch. Ich ſoll den Himmel anlaͤcheln: und er verdient es weit mehr als die Erde. Wahre d. i. uns nicht ungluͤcklich machende Freude iſt ein Got- tesdienſt. Denke ich nun zuruͤck, wie viele unnuͤtze Klagen ich in mei- nem Leben ausgeſtoſſen habe; welche kindiſche Thraͤnen ich uͤber den

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Zitationshilfe: Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 31[61]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/68>, abgerufen am 25.11.2024.