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Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775.

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Der 13te Januar.
Fuß bewahrten! meiner Seele Ermahnungen zulispelten! hier
eine Gelegenheit zum Bösen mir aus der Hand wanden! dort
mich wie Lot aus dem Feuer, oder andern Gefahren erretteten,
und mit ihrem Schilde für die Wut der Elemente und andre Zu-
fälle bedeckten! -- In der Ewigkeit, meine unsichtbaren Freunde
werdet ihr es mir erzählen, ich werde erstaunen, Gott anbeten
und euch entzückt den freundschaftlichsten Dank weihen.

So sehr mich aber diese Betrachtung von der Liebe Gottes
gegen mich, und von dem hohen Werthe meiner Seele überzeu-
get, so sehr schläget sie mich auch auf der audern Seite nieder,
wenn ich bedenke, wie oft ich die Engel mit meinen Sünden be-
trübt habe. Böses Herz! wo du für Freuden hüpfest, da weinen
die heilige Gesandten Gottes über dich! Niemals war ich Leicht-
sinniger allein! Die freche Geberden, die schamlosen Worte, die
niederträchtige Handlung, welche ich mir in der Einsamkeit er-
laubte, zwangen meinen heiligen Wächtern Schamröthe und so
laute Seufzer ab, daß meine Seele sie hätte hören können, wenn
sie sich in heiliger Stille zu himmlischen Gedanken hätte erheben
mögen!

Uneigennützige Freunde! Mehr in meiner Jugend um mich
besorgt, als selbst meine Mutter es seyn konte! Gefährten meiner
Einsamkeit! Ihr, ohne deren Amt ich weit gottloser gelebet,
und längst schon vieleicht ein schreckliches Ende genommen hätte!
Begleiter in Gefahren! Stärkende Tröster, wenn ich, gleich
meinem Erlöser, im Todeskampfe vor Gott ringen werde! Meine
Führer, wann nun meine Seele den Körper verläßt! -- ich
vermische jetzt mein Danklied mit dem eurigen. Lob und Anbe-
tung sey eurem und meinem Gott, der uns so gütig erhalten hat!
In der Ewigkeit wollen wir vereint ihm allein leben und dienen,
Jetzt aber fodre ich Armer noch eure Dienste: bewachet mich
diese Nacht unter dem Schirme des Allerhöchsten!

Der

Der 13te Januar.
Fuß bewahrten! meiner Seele Ermahnungen zulispelten! hier
eine Gelegenheit zum Boͤſen mir aus der Hand wanden! dort
mich wie Lot aus dem Feuer, oder andern Gefahren erretteten,
und mit ihrem Schilde fuͤr die Wut der Elemente und andre Zu-
faͤlle bedeckten! — In der Ewigkeit, meine unſichtbaren Freunde
werdet ihr es mir erzaͤhlen, ich werde erſtaunen, Gott anbeten
und euch entzuͤckt den freundſchaftlichſten Dank weihen.

So ſehr mich aber dieſe Betrachtung von der Liebe Gottes
gegen mich, und von dem hohen Werthe meiner Seele uͤberzeu-
get, ſo ſehr ſchlaͤget ſie mich auch auf der audern Seite nieder,
wenn ich bedenke, wie oft ich die Engel mit meinen Suͤnden be-
truͤbt habe. Boͤſes Herz! wo du fuͤr Freuden huͤpfeſt, da weinen
die heilige Geſandten Gottes uͤber dich! Niemals war ich Leicht-
ſinniger allein! Die freche Geberden, die ſchamloſen Worte, die
niedertraͤchtige Handlung, welche ich mir in der Einſamkeit er-
laubte, zwangen meinen heiligen Waͤchtern Schamroͤthe und ſo
laute Seufzer ab, daß meine Seele ſie haͤtte hoͤren koͤnnen, wenn
ſie ſich in heiliger Stille zu himmliſchen Gedanken haͤtte erheben
moͤgen!

Uneigennuͤtzige Freunde! Mehr in meiner Jugend um mich
beſorgt, als ſelbſt meine Mutter es ſeyn konte! Gefaͤhrten meiner
Einſamkeit! Ihr, ohne deren Amt ich weit gottloſer gelebet,
und laͤngſt ſchon vieleicht ein ſchreckliches Ende genommen haͤtte!
Begleiter in Gefahren! Staͤrkende Troͤſter, wenn ich, gleich
meinem Erloͤſer, im Todeskampfe vor Gott ringen werde! Meine
Fuͤhrer, wann nun meine Seele den Koͤrper verlaͤßt! — ich
vermiſche jetzt mein Danklied mit dem eurigen. Lob und Anbe-
tung ſey eurem und meinem Gott, der uns ſo guͤtig erhalten hat!
In der Ewigkeit wollen wir vereint ihm allein leben und dienen,
Jetzt aber fodre ich Armer noch eure Dienſte: bewachet mich
dieſe Nacht unter dem Schirme des Allerhoͤchſten!

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[28[58]/0065] Der 13te Januar. Fuß bewahrten! meiner Seele Ermahnungen zulispelten! hier eine Gelegenheit zum Boͤſen mir aus der Hand wanden! dort mich wie Lot aus dem Feuer, oder andern Gefahren erretteten, und mit ihrem Schilde fuͤr die Wut der Elemente und andre Zu- faͤlle bedeckten! — In der Ewigkeit, meine unſichtbaren Freunde werdet ihr es mir erzaͤhlen, ich werde erſtaunen, Gott anbeten und euch entzuͤckt den freundſchaftlichſten Dank weihen. So ſehr mich aber dieſe Betrachtung von der Liebe Gottes gegen mich, und von dem hohen Werthe meiner Seele uͤberzeu- get, ſo ſehr ſchlaͤget ſie mich auch auf der audern Seite nieder, wenn ich bedenke, wie oft ich die Engel mit meinen Suͤnden be- truͤbt habe. Boͤſes Herz! wo du fuͤr Freuden huͤpfeſt, da weinen die heilige Geſandten Gottes uͤber dich! Niemals war ich Leicht- ſinniger allein! Die freche Geberden, die ſchamloſen Worte, die niedertraͤchtige Handlung, welche ich mir in der Einſamkeit er- laubte, zwangen meinen heiligen Waͤchtern Schamroͤthe und ſo laute Seufzer ab, daß meine Seele ſie haͤtte hoͤren koͤnnen, wenn ſie ſich in heiliger Stille zu himmliſchen Gedanken haͤtte erheben moͤgen! Uneigennuͤtzige Freunde! Mehr in meiner Jugend um mich beſorgt, als ſelbſt meine Mutter es ſeyn konte! Gefaͤhrten meiner Einſamkeit! Ihr, ohne deren Amt ich weit gottloſer gelebet, und laͤngſt ſchon vieleicht ein ſchreckliches Ende genommen haͤtte! Begleiter in Gefahren! Staͤrkende Troͤſter, wenn ich, gleich meinem Erloͤſer, im Todeskampfe vor Gott ringen werde! Meine Fuͤhrer, wann nun meine Seele den Koͤrper verlaͤßt! — ich vermiſche jetzt mein Danklied mit dem eurigen. Lob und Anbe- tung ſey eurem und meinem Gott, der uns ſo guͤtig erhalten hat! In der Ewigkeit wollen wir vereint ihm allein leben und dienen, Jetzt aber fodre ich Armer noch eure Dienſte: bewachet mich dieſe Nacht unter dem Schirme des Allerhoͤchſten! Der

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 28[58]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/65>, abgerufen am 23.11.2024.