bens; und diese, wenn es nicht anders seyn kan, zur Prüfung meiner Tugenden! Laß deinen Ruhm unter uns größer, und dei- ne Tempel immer volkreicher werden! Ein wahres Christenthum durchdringe alle Palläste, damit in den Hütten des Jammers weniger werde! Segne die Kinderzucht, beschäm jeden Laster- knecht, wisch bald ab die Thränen der Reue und Unschuld, und verschieb deine Hülfe nicht, wenn Kranke und Sterbende ächzen! Jedoch, du giebst ja gerne, wenn Menschen nur empfangen wollen, und du wirst uns allen unser beschiedenes Theil Speise und Freude dahin nehmen lassen, wenn gleich das kleinmüthige Herz zum Verzagen geneigt ist.
Freilich ist ein Jahr für uns Sterblichen eine sehr geraume Zeit. Unser Körper altert und verfällt merklich darin, und unsre Seele wächst an Tugend oder an Lastern. Ueberrechne ich jetzt, wie viel dazu gehöre, wenn ich dis angefangene Jahr gesund und im Wohlstande beschliessen will; mit wie viel Gefahren mich gott- lose Menschen bedrohen; wie viel Elend mir die Sünden meiner Jugend zubereitet haben; wie sehr meine sündliche Leidenschaften schon im Hinterhalt auf mich lauren; wie viele Wohlthaten Got- tes ich undankbar geniessen, und wie viele Züchtigungen ich dage- gen erdulden werde: dann o! mein himmlischer Vater, kan ich nicht anders als entweder verzweifeln, oder mich kindlich in deine Hände übergeben. Ich übergebe mich dir aufs neue. Vor dir will ich wandeln und fromm seyn; an deiner Hand fürchte ich kein kommendes Uebel. Gib mir, wofern es dir gefällt, des Lebens Glück und Freuden: doch, schadet mir das Glück der Welt, so gib mir Kreuz und Leiden. Laß mich keinen Tag ohne Gebet und Danksagung beschliessen; dein guter Geist erhalte mich dir im Le- ben und Sterben getreu; denn du bist mein Gott!
Sprich Ja! zu meinen Thaten, Hilf selbst das Beste rathen; Den Anfang, Mittel und Ende, Ach Herr! zum besten wende!
Der
Der 1te Januar.
bens; und dieſe, wenn es nicht anders ſeyn kan, zur Pruͤfung meiner Tugenden! Laß deinen Ruhm unter uns groͤßer, und dei- ne Tempel immer volkreicher werden! Ein wahres Chriſtenthum durchdringe alle Pallaͤſte, damit in den Huͤtten des Jammers weniger werde! Segne die Kinderzucht, beſchaͤm jeden Laſter- knecht, wiſch bald ab die Thraͤnen der Reue und Unſchuld, und verſchieb deine Huͤlfe nicht, wenn Kranke und Sterbende aͤchzen! Jedoch, du giebſt ja gerne, wenn Menſchen nur empfangen wollen, und du wirſt uns allen unſer beſchiedenes Theil Speiſe und Freude dahin nehmen laſſen, wenn gleich das kleinmuͤthige Herz zum Verzagen geneigt iſt.
Freilich iſt ein Jahr fuͤr uns Sterblichen eine ſehr geraume Zeit. Unſer Koͤrper altert und verfaͤllt merklich darin, und unſre Seele waͤchſt an Tugend oder an Laſtern. Ueberrechne ich jetzt, wie viel dazu gehoͤre, wenn ich dis angefangene Jahr geſund und im Wohlſtande beſchlieſſen will; mit wie viel Gefahren mich gott- loſe Menſchen bedrohen; wie viel Elend mir die Suͤnden meiner Jugend zubereitet haben; wie ſehr meine ſuͤndliche Leidenſchaften ſchon im Hinterhalt auf mich lauren; wie viele Wohlthaten Got- tes ich undankbar genieſſen, und wie viele Zuͤchtigungen ich dage- gen erdulden werde: dann o! mein himmliſcher Vater, kan ich nicht anders als entweder verzweifeln, oder mich kindlich in deine Haͤnde uͤbergeben. Ich uͤbergebe mich dir aufs neue. Vor dir will ich wandeln und fromm ſeyn; an deiner Hand fuͤrchte ich kein kommendes Uebel. Gib mir, wofern es dir gefaͤllt, des Lebens Gluͤck und Freuden: doch, ſchadet mir das Gluͤck der Welt, ſo gib mir Kreuz und Leiden. Laß mich keinen Tag ohne Gebet und Dankſagung beſchlieſſen; dein guter Geiſt erhalte mich dir im Le- ben und Sterben getreu; denn du biſt mein Gott!
Sprich Ja! zu meinen Thaten, Hilf ſelbſt das Beſte rathen; Den Anfang, Mittel und Ende, Ach Herr! zum beſten wende!
Der
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[4[34]/0041]
Der 1te Januar.
bens; und dieſe, wenn es nicht anders ſeyn kan, zur Pruͤfung
meiner Tugenden! Laß deinen Ruhm unter uns groͤßer, und dei-
ne Tempel immer volkreicher werden! Ein wahres Chriſtenthum
durchdringe alle Pallaͤſte, damit in den Huͤtten des Jammers
weniger werde! Segne die Kinderzucht, beſchaͤm jeden Laſter-
knecht, wiſch bald ab die Thraͤnen der Reue und Unſchuld, und
verſchieb deine Huͤlfe nicht, wenn Kranke und Sterbende aͤchzen!
Jedoch, du giebſt ja gerne, wenn Menſchen nur empfangen
wollen, und du wirſt uns allen unſer beſchiedenes Theil Speiſe
und Freude dahin nehmen laſſen, wenn gleich das kleinmuͤthige
Herz zum Verzagen geneigt iſt.
Freilich iſt ein Jahr fuͤr uns Sterblichen eine ſehr geraume
Zeit. Unſer Koͤrper altert und verfaͤllt merklich darin, und unſre
Seele waͤchſt an Tugend oder an Laſtern. Ueberrechne ich jetzt,
wie viel dazu gehoͤre, wenn ich dis angefangene Jahr geſund und
im Wohlſtande beſchlieſſen will; mit wie viel Gefahren mich gott-
loſe Menſchen bedrohen; wie viel Elend mir die Suͤnden meiner
Jugend zubereitet haben; wie ſehr meine ſuͤndliche Leidenſchaften
ſchon im Hinterhalt auf mich lauren; wie viele Wohlthaten Got-
tes ich undankbar genieſſen, und wie viele Zuͤchtigungen ich dage-
gen erdulden werde: dann o! mein himmliſcher Vater, kan ich
nicht anders als entweder verzweifeln, oder mich kindlich in deine
Haͤnde uͤbergeben. Ich uͤbergebe mich dir aufs neue. Vor dir
will ich wandeln und fromm ſeyn; an deiner Hand fuͤrchte ich kein
kommendes Uebel. Gib mir, wofern es dir gefaͤllt, des Lebens
Gluͤck und Freuden: doch, ſchadet mir das Gluͤck der Welt, ſo
gib mir Kreuz und Leiden. Laß mich keinen Tag ohne Gebet und
Dankſagung beſchlieſſen; dein guter Geiſt erhalte mich dir im Le-
ben und Sterben getreu; denn du biſt mein Gott!
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Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 4[34]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/41>, abgerufen am 17.02.2025.
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