dächtig machen will. Dennoch aber bleibe ich stets an dir, und lasse dich nicht: du segnest mich denn. Fleisch und Blut mag getödtet werden: aber ich selbst werde nicht sterben, sondern meines Glaubens leben.
Ach! laß mich zu dem Ende beizeiten mein Haus bestellen, und öfters in Gedanken sterben, damit ich mich schon bei gesun- den Tagen innigst mit dir, mein Heiland! vereinigen möge. Wie mißlich, wenn ich mich erst im letzten Kampf nach dir umsehen wolte! Wie undankbar, wenn ich, nur von Noth gedrungen, dich meinen Herrn und Gott nennte; dich, dem mein ganzes Leben ein williges Dankopfer seyn solte! Welch ein gewaltsamer Tod, wenn das Gewissen alsdann erst erwacht, wann Himmel und Hölle mit einander kämpfen! Ach bewahr mich, mein theuerster Erlöser, für solchen schnöden Kaltsinn gegen dich und deine Gebote! Der Gedanke begleite mich stets: daß man fromm gelebt haben müsse, um gewiß selig zu sterben.
Erhör mich denn, dreieiniger Gott! und verleih mir einst ein seliges Ende! Deine Güte und Liebe, o Vater! besiege in meinem Herzen die Furcht des letzten Augenblicks! Ruf mir, o Jesu! vom Kreuze herab zu: dir sind deine Sünden vergeben; heute solst du mit mir im Paradiese seyn! Ueberzeuge mich, Geist Gottes! wenn Zweifel und Todesangst mir zusetzen: daß ich ein Erbe des Himmels sey; und bete du in mir: Abba lieber Vater! Unterstütz und tröst mich in den furchtbaren jahrlangen Minuten, mit einem Anblick und Vorschmack der Seligkeit. Tröst auch diejenigen, die alsdann um mein Sterbelager ächzen, und ersetz ihnen mit deiner Gnade, was sie mit mir verlieren! Darf ich denn auch eine Bitte für Fleisch und Blut wagen: so gib mir ein sanftes Ende. Jch will, so oft ich schlafen gehe, den Tod bedenken und beten:
Mein Gott! ich bitt durch Christi Blut, Machs nur mit meinem Ende gut!
Der
Der 28te Junius.
daͤchtig machen will. Dennoch aber bleibe ich ſtets an dir, und laſſe dich nicht: du ſegneſt mich denn. Fleiſch und Blut mag getoͤdtet werden: aber ich ſelbſt werde nicht ſterben, ſondern meines Glaubens leben.
Ach! laß mich zu dem Ende beizeiten mein Haus beſtellen, und oͤfters in Gedanken ſterben, damit ich mich ſchon bei geſun- den Tagen innigſt mit dir, mein Heiland! vereinigen moͤge. Wie mißlich, wenn ich mich erſt im letzten Kampf nach dir umſehen wolte! Wie undankbar, wenn ich, nur von Noth gedrungen, dich meinen Herrn und Gott nennte; dich, dem mein ganzes Leben ein williges Dankopfer ſeyn ſolte! Welch ein gewaltſamer Tod, wenn das Gewiſſen alsdann erſt erwacht, wann Himmel und Hoͤlle mit einander kaͤmpfen! Ach bewahr mich, mein theuerſter Erloͤſer, fuͤr ſolchen ſchnoͤden Kaltſinn gegen dich und deine Gebote! Der Gedanke begleite mich ſtets: daß man fromm gelebt haben muͤſſe, um gewiß ſelig zu ſterben.
Erhoͤr mich denn, dreieiniger Gott! und verleih mir einſt ein ſeliges Ende! Deine Guͤte und Liebe, o Vater! beſiege in meinem Herzen die Furcht des letzten Augenblicks! Ruf mir, o Jeſu! vom Kreuze herab zu: dir ſind deine Suͤnden vergeben; heute ſolſt du mit mir im Paradieſe ſeyn! Ueberzeuge mich, Geiſt Gottes! wenn Zweifel und Todesangſt mir zuſetzen: daß ich ein Erbe des Himmels ſey; und bete du in mir: Abba lieber Vater! Unterſtuͤtz und troͤſt mich in den furchtbaren jahrlangen Minuten, mit einem Anblick und Vorſchmack der Seligkeit. Troͤſt auch diejenigen, die alsdann um mein Sterbelager aͤchzen, und erſetz ihnen mit deiner Gnade, was ſie mit mir verlieren! Darf ich denn auch eine Bitte fuͤr Fleiſch und Blut wagen: ſo gib mir ein ſanftes Ende. Jch will, ſo oft ich ſchlafen gehe, den Tod bedenken und beten:
Mein Gott! ich bitt durch Chriſti Blut, Machs nur mit meinem Ende gut!
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[372[402]/0409]
Der 28te Junius.
daͤchtig machen will. Dennoch aber bleibe ich ſtets an dir, und
laſſe dich nicht: du ſegneſt mich denn. Fleiſch und Blut mag
getoͤdtet werden: aber ich ſelbſt werde nicht ſterben, ſondern
meines Glaubens leben.
Ach! laß mich zu dem Ende beizeiten mein Haus beſtellen,
und oͤfters in Gedanken ſterben, damit ich mich ſchon bei geſun-
den Tagen innigſt mit dir, mein Heiland! vereinigen moͤge. Wie
mißlich, wenn ich mich erſt im letzten Kampf nach dir umſehen
wolte! Wie undankbar, wenn ich, nur von Noth gedrungen,
dich meinen Herrn und Gott nennte; dich, dem mein ganzes
Leben ein williges Dankopfer ſeyn ſolte! Welch ein gewaltſamer
Tod, wenn das Gewiſſen alsdann erſt erwacht, wann Himmel
und Hoͤlle mit einander kaͤmpfen! Ach bewahr mich, mein
theuerſter Erloͤſer, fuͤr ſolchen ſchnoͤden Kaltſinn gegen dich und
deine Gebote! Der Gedanke begleite mich ſtets: daß man
fromm gelebt haben muͤſſe, um gewiß ſelig zu ſterben.
Erhoͤr mich denn, dreieiniger Gott! und verleih mir einſt
ein ſeliges Ende! Deine Guͤte und Liebe, o Vater! beſiege in
meinem Herzen die Furcht des letzten Augenblicks! Ruf mir,
o Jeſu! vom Kreuze herab zu: dir ſind deine Suͤnden vergeben;
heute ſolſt du mit mir im Paradieſe ſeyn! Ueberzeuge mich,
Geiſt Gottes! wenn Zweifel und Todesangſt mir zuſetzen: daß
ich ein Erbe des Himmels ſey; und bete du in mir: Abba lieber
Vater! Unterſtuͤtz und troͤſt mich in den furchtbaren jahrlangen
Minuten, mit einem Anblick und Vorſchmack der Seligkeit.
Troͤſt auch diejenigen, die alsdann um mein Sterbelager aͤchzen,
und erſetz ihnen mit deiner Gnade, was ſie mit mir verlieren!
Darf ich denn auch eine Bitte fuͤr Fleiſch und Blut wagen: ſo
gib mir ein ſanftes Ende. Jch will, ſo oft ich ſchlafen gehe,
den Tod bedenken und beten:
Mein Gott! ich bitt durch Chriſti Blut,
Machs nur mit meinem Ende gut!
Der
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Matthias Boenig, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Li Xang: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2023-05-24T12:24:22Z)
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Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 372[402]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/409>, abgerufen am 17.09.2024.
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