&q;halten solte! -- Jedoch, mehr als ein Mensch mußte er wol &q;seyn, und als ein Mensch könte er mir auch jetzt und nun bald in der &q;Ewigkeit nicht helfen! Jch hätte doch nicht sollen so eigensinnig &q;seyn! Als Christ wäre ich ruhiger! Denn es ist doch immer mög- &q;lich, ja wie mich jetzt dünket, nicht ganz unwahrscheinlich, daß &q;das allgütigste Wesen den armen leidenden Sündern, sonderlich &q;im Sterben, einen Helfer und Fürsprecher gegeben habe! Und &q;das könte kein andrer seyn, als -- Jesus Christus! Aber als- &q;dann! -- o! ich Unmensch! warum habe ich -- ihm nicht &q;gehuldigt? Wie? wenn ich Undankbarer nun bald die Wunden &q;sähe, aus denen er -- für mich geblutet hat! O! ihr Berge, &q;fallet über mich, und ihr Hügel, bedecket mich!"
Diese stotternde Sprache, verglichen mit dem zuversichtli- chen Gebete sterbender Christen, ist einer der schärfsten Bewelse für die Göttlichkeit unsers Erlösers. "Herr! nun lässest du dei- &q;nen Diener in Friede fahren, denn meine Augen haben deinen &q;Heiland gesehen! Jch leide nichts, als was meiner Thaten werth &q;ist, und der Unschuldige hat weit mehr für mich gelitten! Meine &q;Schmerzen sind groß; aber mein Heiland hilft sie mir tragen. &q;Wenn ich nur bete und mich fest an ihm halte: so frage ich nichts &q;nach Himmel und Erde. Wenn mir gleich Leib und Seele ver- &q;schmachtet: so ist Jesus doch meines Herzens Trost und mein &q;Theil! Weinet nicht, meine Freunde! ich komme nun bald zu &q;Gott! Bedauert mich nicht, denn ich habe Lust abzuscheiden, &q;und bei Christo zu seyn! Die finstre Stunde -- jedoch, Tod! &q;wo ist dein Stachel? Hölle! wo ist dein Sieg? O Gott! dir &q;sey in Ewigkeit, wie jetzt schon auf meinem Sterbebette, Dank, &q;daß du mir den Sieg gegeben hast, durch Jesum Christum, &q;meinen Herrn: --
So, mein Versöhner! will ich einst, dir zur Ehre sterben! Und wer so stirbt, der stirbt wohl!
Der
Der 18te Junius.
&q;halten ſolte! — Jedoch, mehr als ein Menſch mußte er wol &q;ſeyn, und als ein Menſch koͤnte er mir auch jetzt und nun bald in der &q;Ewigkeit nicht helfen! Jch haͤtte doch nicht ſollen ſo eigenſinnig &q;ſeyn! Als Chriſt waͤre ich ruhiger! Denn es iſt doch immer moͤg- &q;lich, ja wie mich jetzt duͤnket, nicht ganz unwahrſcheinlich, daß &q;das allguͤtigſte Weſen den armen leidenden Suͤndern, ſonderlich &q;im Sterben, einen Helfer und Fuͤrſprecher gegeben habe! Und &q;das koͤnte kein andrer ſeyn, als — Jeſus Chriſtus! Aber als- &q;dann! — o! ich Unmenſch! warum habe ich — ihm nicht &q;gehuldigt? Wie? wenn ich Undankbarer nun bald die Wunden &q;ſaͤhe, aus denen er — fuͤr mich geblutet hat! O! ihr Berge, &q;fallet uͤber mich, und ihr Huͤgel, bedecket mich!“
Dieſe ſtotternde Sprache, verglichen mit dem zuverſichtli- chen Gebete ſterbender Chriſten, iſt einer der ſchaͤrfſten Bewelſe fuͤr die Goͤttlichkeit unſers Erloͤſers. „Herr! nun laͤſſeſt du dei- &q;nen Diener in Friede fahren, denn meine Augen haben deinen &q;Heiland geſehen! Jch leide nichts, als was meiner Thaten werth &q;iſt, und der Unſchuldige hat weit mehr fuͤr mich gelitten! Meine &q;Schmerzen ſind groß; aber mein Heiland hilft ſie mir tragen. &q;Wenn ich nur bete und mich feſt an ihm halte: ſo frage ich nichts &q;nach Himmel und Erde. Wenn mir gleich Leib und Seele ver- &q;ſchmachtet: ſo iſt Jeſus doch meines Herzens Troſt und mein &q;Theil! Weinet nicht, meine Freunde! ich komme nun bald zu &q;Gott! Bedauert mich nicht, denn ich habe Luſt abzuſcheiden, &q;und bei Chriſto zu ſeyn! Die finſtre Stunde — jedoch, Tod! &q;wo iſt dein Stachel? Hoͤlle! wo iſt dein Sieg? O Gott! dir &q;ſey in Ewigkeit, wie jetzt ſchon auf meinem Sterbebette, Dank, &q;daß du mir den Sieg gegeben haſt, durch Jeſum Chriſtum, &q;meinen Herrn: —
So, mein Verſoͤhner! will ich einſt, dir zur Ehre ſterben! Und wer ſo ſtirbt, der ſtirbt wohl!
Der
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[352[382]/0389]
Der 18te Junius.
&q;halten ſolte! — Jedoch, mehr als ein Menſch mußte er wol
&q;ſeyn, und als ein Menſch koͤnte er mir auch jetzt und nun bald in der
&q;Ewigkeit nicht helfen! Jch haͤtte doch nicht ſollen ſo eigenſinnig
&q;ſeyn! Als Chriſt waͤre ich ruhiger! Denn es iſt doch immer moͤg-
&q;lich, ja wie mich jetzt duͤnket, nicht ganz unwahrſcheinlich, daß
&q;das allguͤtigſte Weſen den armen leidenden Suͤndern, ſonderlich
&q;im Sterben, einen Helfer und Fuͤrſprecher gegeben habe! Und
&q;das koͤnte kein andrer ſeyn, als — Jeſus Chriſtus! Aber als-
&q;dann! — o! ich Unmenſch! warum habe ich — ihm nicht
&q;gehuldigt? Wie? wenn ich Undankbarer nun bald die Wunden
&q;ſaͤhe, aus denen er — fuͤr mich geblutet hat! O! ihr Berge,
&q;fallet uͤber mich, und ihr Huͤgel, bedecket mich!“
Dieſe ſtotternde Sprache, verglichen mit dem zuverſichtli-
chen Gebete ſterbender Chriſten, iſt einer der ſchaͤrfſten Bewelſe
fuͤr die Goͤttlichkeit unſers Erloͤſers. „Herr! nun laͤſſeſt du dei-
&q;nen Diener in Friede fahren, denn meine Augen haben deinen
&q;Heiland geſehen! Jch leide nichts, als was meiner Thaten werth
&q;iſt, und der Unſchuldige hat weit mehr fuͤr mich gelitten! Meine
&q;Schmerzen ſind groß; aber mein Heiland hilft ſie mir tragen.
&q;Wenn ich nur bete und mich feſt an ihm halte: ſo frage ich nichts
&q;nach Himmel und Erde. Wenn mir gleich Leib und Seele ver-
&q;ſchmachtet: ſo iſt Jeſus doch meines Herzens Troſt und mein
&q;Theil! Weinet nicht, meine Freunde! ich komme nun bald zu
&q;Gott! Bedauert mich nicht, denn ich habe Luſt abzuſcheiden,
&q;und bei Chriſto zu ſeyn! Die finſtre Stunde — jedoch, Tod!
&q;wo iſt dein Stachel? Hoͤlle! wo iſt dein Sieg? O Gott! dir
&q;ſey in Ewigkeit, wie jetzt ſchon auf meinem Sterbebette, Dank,
&q;daß du mir den Sieg gegeben haſt, durch Jeſum Chriſtum,
&q;meinen Herrn: —
So, mein Verſoͤhner! will ich einſt, dir zur Ehre ſterben!
Und wer ſo ſtirbt, der ſtirbt wohl!
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Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 352[382]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/389>, abgerufen am 16.02.2025.
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