Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775.

Bild:
<< vorherige Seite


Der 27te April.
So weit nur Menschen deine Welt bewohnen,
Bist du die Hofnung aller Nationen,
Die Zuflucht aller, die an fernen Meeren
Dein Heil begehren.


Es ist eine traurige Jdee, wenn ich bedenke, daß jetzt die Sonne
solche Länder bescheinet, wo der Name meines Erlöser we-
[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]ig oder gar nicht genannt wird. Wann das volkreiche Europa
seine Gottesdienste beschließt, dann fängt sich der Gottesdienst
dummer Barbaren an; dann erschallen wenig Danklieder für die
größte Gabe Gottes, nemlich für seinen uns geschenkten einge-
bornen Sohn. Wie ist es möglich, daß die Verehrer Jesu nur
einen so kleinen Theil des Erdbodens bewohnen! Solte denn die
Freude, einen Erlöser zu haben, nicht allem Volke wiederfahren?

Jedoch das Räzel löset sich allgemach auf; ich sehe die wür-
[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]ende Hand Gottes und bete an. Die allgemeiner wer-
dende christliche Religion,
und mit ihr Weisheit und Wohl-
stand, verbreitet sich von Jahr zu Jahr mehr über den Erdboden.
Ein immer redender Beweis ihrer Göttlicheit! Wären vor tau-
send Jahren schon alle Nationen Christen geworden, so würde
mancher Eifer für unsre Religion erkaltet seyn. Wir würden die
mitleidenswürdige Gestalt des Heidenthums wenig kennen, und
die Feinde Jesu würden eine so plötzliche allgemeine Ausbreitung
allen andern Ursachen, nur nicht der Ueberzeugung und der ein-
leuchtenden Göttlichkeit des Christenthums zugeschrieben haben.
So aber ist kein Stillestand, der Christ so wol als der Unchrist
werden gereizet über die Religion nachzudenken, und wir sind Zu-
schauer von der zunehmenden Macht des Reiches Christi.

Beant-
Q 2


Der 27te April.
So weit nur Menſchen deine Welt bewohnen,
Biſt du die Hofnung aller Nationen,
Die Zuflucht aller, die an fernen Meeren
Dein Heil begehren.


Es iſt eine traurige Jdee, wenn ich bedenke, daß jetzt die Sonne
ſolche Laͤnder beſcheinet, wo der Name meines Erloͤſer we-
[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]ig oder gar nicht genannt wird. Wann das volkreiche Europa
ſeine Gottesdienſte beſchließt, dann faͤngt ſich der Gottesdienſt
dummer Barbaren an; dann erſchallen wenig Danklieder fuͤr die
groͤßte Gabe Gottes, nemlich fuͤr ſeinen uns geſchenkten einge-
bornen Sohn. Wie iſt es moͤglich, daß die Verehrer Jeſu nur
einen ſo kleinen Theil des Erdbodens bewohnen! Solte denn die
Freude, einen Erloͤſer zu haben, nicht allem Volke wiederfahren?

Jedoch das Raͤzel loͤſet ſich allgemach auf; ich ſehe die wuͤr-
[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]ende Hand Gottes und bete an. Die allgemeiner wer-
dende chriſtliche Religion,
und mit ihr Weisheit und Wohl-
ſtand, verbreitet ſich von Jahr zu Jahr mehr uͤber den Erdboden.
Ein immer redender Beweis ihrer Goͤttlicheit! Waͤren vor tau-
ſend Jahren ſchon alle Nationen Chriſten geworden, ſo wuͤrde
mancher Eifer fuͤr unſre Religion erkaltet ſeyn. Wir wuͤrden die
mitleidenswuͤrdige Geſtalt des Heidenthums wenig kennen, und
die Feinde Jeſu wuͤrden eine ſo ploͤtzliche allgemeine Ausbreitung
allen andern Urſachen, nur nicht der Ueberzeugung und der ein-
leuchtenden Goͤttlichkeit des Chriſtenthums zugeſchrieben haben.
So aber iſt kein Stilleſtand, der Chriſt ſo wol als der Unchriſt
werden gereizet uͤber die Religion nachzudenken, und wir ſind Zu-
ſchauer von der zunehmenden Macht des Reiches Chriſti.

Beant-
Q 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0280" n="243[273]"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Der 27<hi rendition="#sup">te</hi> April.</hi> </head><lb/>
            <lg type="poem">
              <l><hi rendition="#in">S</hi>o weit nur Men&#x017F;chen deine Welt bewohnen,</l><lb/>
              <l>Bi&#x017F;t du die Hofnung aller Nationen,</l><lb/>
              <l>Die Zuflucht aller, die an fernen Meeren</l><lb/>
              <l>Dein Heil begehren.</l>
            </lg><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <p><hi rendition="#in">E</hi>s i&#x017F;t eine traurige Jdee, wenn ich bedenke, daß jetzt die Sonne<lb/>
&#x017F;olche La&#x0364;nder be&#x017F;cheinet, wo der Name meines Erlo&#x0364;&#x017F;er we-<lb/><gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/>ig oder gar nicht genannt wird. Wann das volkreiche Europa<lb/>
&#x017F;eine Gottesdien&#x017F;te be&#x017F;chließt, dann fa&#x0364;ngt &#x017F;ich der Gottesdien&#x017F;t<lb/>
dummer Barbaren an; dann er&#x017F;challen wenig Danklieder fu&#x0364;r die<lb/>
gro&#x0364;ßte Gabe Gottes, nemlich fu&#x0364;r &#x017F;einen uns ge&#x017F;chenkten einge-<lb/>
bornen Sohn. Wie i&#x017F;t es mo&#x0364;glich, daß die Verehrer Je&#x017F;u nur<lb/>
einen &#x017F;o kleinen Theil des Erdbodens bewohnen! Solte denn die<lb/>
Freude, einen Erlo&#x0364;&#x017F;er zu haben, nicht allem Volke wiederfahren?</p><lb/>
            <p>Jedoch das Ra&#x0364;zel lo&#x0364;&#x017F;et &#x017F;ich allgemach auf; ich &#x017F;ehe die wu&#x0364;r-<lb/><gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/>ende Hand Gottes und bete an. <hi rendition="#fr">Die allgemeiner wer-<lb/>
dende chri&#x017F;tliche Religion,</hi> und mit ihr Weisheit und Wohl-<lb/>
&#x017F;tand, verbreitet &#x017F;ich von Jahr zu Jahr mehr u&#x0364;ber den Erdboden.<lb/>
Ein immer redender Beweis ihrer Go&#x0364;ttlicheit! Wa&#x0364;ren vor tau-<lb/>
&#x017F;end Jahren &#x017F;chon alle Nationen Chri&#x017F;ten geworden, &#x017F;o wu&#x0364;rde<lb/>
mancher Eifer fu&#x0364;r un&#x017F;re Religion erkaltet &#x017F;eyn. Wir wu&#x0364;rden die<lb/>
mitleidenswu&#x0364;rdige Ge&#x017F;talt des Heidenthums wenig kennen, und<lb/>
die Feinde Je&#x017F;u wu&#x0364;rden eine &#x017F;o plo&#x0364;tzliche allgemeine Ausbreitung<lb/>
allen andern Ur&#x017F;achen, nur nicht der Ueberzeugung und der ein-<lb/>
leuchtenden Go&#x0364;ttlichkeit des Chri&#x017F;tenthums zuge&#x017F;chrieben haben.<lb/>
So aber i&#x017F;t kein Stille&#x017F;tand, der Chri&#x017F;t &#x017F;o wol als der Unchri&#x017F;t<lb/>
werden gereizet u&#x0364;ber die Religion nachzudenken, und wir &#x017F;ind Zu-<lb/>
&#x017F;chauer von der zunehmenden Macht des Reiches Chri&#x017F;ti.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">Q 2</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">Beant-</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[243[273]/0280] Der 27te April. So weit nur Menſchen deine Welt bewohnen, Biſt du die Hofnung aller Nationen, Die Zuflucht aller, die an fernen Meeren Dein Heil begehren. Es iſt eine traurige Jdee, wenn ich bedenke, daß jetzt die Sonne ſolche Laͤnder beſcheinet, wo der Name meines Erloͤſer we- _ig oder gar nicht genannt wird. Wann das volkreiche Europa ſeine Gottesdienſte beſchließt, dann faͤngt ſich der Gottesdienſt dummer Barbaren an; dann erſchallen wenig Danklieder fuͤr die groͤßte Gabe Gottes, nemlich fuͤr ſeinen uns geſchenkten einge- bornen Sohn. Wie iſt es moͤglich, daß die Verehrer Jeſu nur einen ſo kleinen Theil des Erdbodens bewohnen! Solte denn die Freude, einen Erloͤſer zu haben, nicht allem Volke wiederfahren? Jedoch das Raͤzel loͤſet ſich allgemach auf; ich ſehe die wuͤr- _ende Hand Gottes und bete an. Die allgemeiner wer- dende chriſtliche Religion, und mit ihr Weisheit und Wohl- ſtand, verbreitet ſich von Jahr zu Jahr mehr uͤber den Erdboden. Ein immer redender Beweis ihrer Goͤttlicheit! Waͤren vor tau- ſend Jahren ſchon alle Nationen Chriſten geworden, ſo wuͤrde mancher Eifer fuͤr unſre Religion erkaltet ſeyn. Wir wuͤrden die mitleidenswuͤrdige Geſtalt des Heidenthums wenig kennen, und die Feinde Jeſu wuͤrden eine ſo ploͤtzliche allgemeine Ausbreitung allen andern Urſachen, nur nicht der Ueberzeugung und der ein- leuchtenden Goͤttlichkeit des Chriſtenthums zugeſchrieben haben. So aber iſt kein Stilleſtand, der Chriſt ſo wol als der Unchriſt werden gereizet uͤber die Religion nachzudenken, und wir ſind Zu- ſchauer von der zunehmenden Macht des Reiches Chriſti. Beant- Q 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Li Xang: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2023-05-24T12:24:22Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/280
Zitationshilfe: Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 243[273]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/280>, abgerufen am 23.11.2024.