Spricht Gott im Zorn, so zucket jetzt Der kühne Held das Schwerdt, Das sich an Kirch und Grabmal wetzt, Und lechzend Blut begehrt.
Der Frühling bringet nicht blos Blumen und Gesang, sondern es gehen selten einige Jahre vorbei, wo er nicht auch in die- ses oder jenes von Gott heimgesuchte Land den Krieg mitbringt. Die Eröfnung des Feldzugs erfolgt: die Saat wird zer- tteten, der Blumengarten bleibt unbesucht, gesangreiche Vögel werden vom Getümmel verscheucht, und der Soldat schlägt sein Zelt über das Nest der traurenden Lerche auf. Die schöne Na- tur verliert dabei ihren Reiz, der Wehrlose zittert, und jedem Redlichen klopfet das Herz für Furcht und Warten des kommen- den langen Sommers.
Kein Anblick ist rührender, als ein Heer ins Feld rücken zu sehn. Neugekleidet, von Waffen glänzend, und lustig ziehet die unabsehbare Reihe daher, als ob sie zu einem Feste eingeladen wäre, und sie ist es -- zu Blutvergiessen und Tod. Der Feld- zug darf eben nicht sehr blutig seyn, so reibet das Schwerdt, son- derlich aber das Lazareth den vierten Theil des Heeres auf. Wel- che Etniedrigung für das menschliche Geschlecht ist nicht der Krieg! Der Tugendhafte trauert; nur der Bösewicht jauchzet von Hof- nung zu plündern. Der schlechtste Mensch, der sonst kaum die Schwelle angesehner Häuser betreten durfte, bekomt vieleicht im Verfolg des Feldzuges, Gewalt, den rechtschaffensten Mann zu martern, und ganze Familien zu grunde zu richten. Selbst der ehrliche Soldat wird ärmer, selten wird er durch den Krieg be-
reichert.
Tiedens Abendand. I. Th. P
Der 18te April.
Spricht Gott im Zorn, ſo zucket jetzt Der kuͤhne Held das Schwerdt, Das ſich an Kirch und Grabmal wetzt, Und lechzend Blut begehrt.
Der Fruͤhling bringet nicht blos Blumen und Geſang, ſondern es gehen ſelten einige Jahre vorbei, wo er nicht auch in die- ſes oder jenes von Gott heimgeſuchte Land den Krieg mitbringt. Die Eroͤfnung des Feldzugs erfolgt: die Saat wird zer- tteten, der Blumengarten bleibt unbeſucht, geſangreiche Voͤgel werden vom Getuͤmmel verſcheucht, und der Soldat ſchlaͤgt ſein Zelt uͤber das Neſt der traurenden Lerche auf. Die ſchoͤne Na- tur verliert dabei ihren Reiz, der Wehrloſe zittert, und jedem Redlichen klopfet das Herz fuͤr Furcht und Warten des kommen- den langen Sommers.
Kein Anblick iſt ruͤhrender, als ein Heer ins Feld ruͤcken zu ſehn. Neugekleidet, von Waffen glaͤnzend, und luſtig ziehet die unabſehbare Reihe daher, als ob ſie zu einem Feſte eingeladen waͤre, und ſie iſt es — zu Blutvergieſſen und Tod. Der Feld- zug darf eben nicht ſehr blutig ſeyn, ſo reibet das Schwerdt, ſon- derlich aber das Lazareth den vierten Theil des Heeres auf. Wel- che Etniedrigung fuͤr das menſchliche Geſchlecht iſt nicht der Krieg! Der Tugendhafte trauert; nur der Boͤſewicht jauchzet von Hof- nung zu pluͤndern. Der ſchlechtſte Menſch, der ſonſt kaum die Schwelle angeſehner Haͤuſer betreten durfte, bekomt vieleicht im Verfolg des Feldzuges, Gewalt, den rechtſchaffenſten Mann zu martern, und ganze Familien zu grunde zu richten. Selbſt der ehrliche Soldat wird aͤrmer, ſelten wird er durch den Krieg be-
reichert.
Tiedens Abendand. I. Th. P
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0262"n="225[255]"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b">Der 18<hirendition="#sup">te</hi> April.</hi></head><lb/><lgtype="poem"><l><hirendition="#in">S</hi>pricht Gott im Zorn, ſo zucket jetzt</l><lb/><l>Der kuͤhne Held das Schwerdt,</l><lb/><l>Das ſich an Kirch und Grabmal wetzt,</l><lb/><l>Und lechzend Blut begehrt.</l></lg><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p><hirendition="#in">D</hi>er Fruͤhling bringet nicht blos Blumen und Geſang, ſondern<lb/>
es gehen ſelten einige Jahre vorbei, wo er nicht auch in die-<lb/>ſes oder jenes von Gott heimgeſuchte Land den Krieg mitbringt.<lb/><hirendition="#fr">Die Eroͤfnung des Feldzugs</hi> erfolgt: die Saat wird zer-<lb/>
tteten, der Blumengarten bleibt unbeſucht, geſangreiche Voͤgel<lb/>
werden vom Getuͤmmel verſcheucht, und der Soldat ſchlaͤgt ſein<lb/>
Zelt uͤber das Neſt der traurenden Lerche auf. Die ſchoͤne Na-<lb/>
tur verliert dabei ihren Reiz, der Wehrloſe zittert, und jedem<lb/>
Redlichen klopfet das Herz fuͤr Furcht und Warten des kommen-<lb/>
den langen Sommers.</p><lb/><p>Kein Anblick iſt ruͤhrender, als ein Heer ins Feld ruͤcken zu<lb/>ſehn. Neugekleidet, von Waffen glaͤnzend, und luſtig ziehet die<lb/>
unabſehbare Reihe daher, als ob ſie zu einem Feſte eingeladen<lb/>
waͤre, und ſie iſt es — zu Blutvergieſſen und Tod. Der Feld-<lb/>
zug darf eben nicht ſehr blutig ſeyn, ſo reibet das Schwerdt, ſon-<lb/>
derlich aber das Lazareth den vierten Theil des Heeres auf. Wel-<lb/>
che Etniedrigung fuͤr das menſchliche Geſchlecht iſt nicht der Krieg!<lb/>
Der Tugendhafte trauert; nur der Boͤſewicht jauchzet von Hof-<lb/>
nung zu pluͤndern. Der ſchlechtſte Menſch, der ſonſt kaum die<lb/>
Schwelle angeſehner Haͤuſer betreten durfte, bekomt vieleicht im<lb/>
Verfolg des Feldzuges, Gewalt, den rechtſchaffenſten Mann zu<lb/>
martern, und ganze Familien zu grunde zu richten. Selbſt der<lb/>
ehrliche Soldat wird aͤrmer, ſelten wird er durch den Krieg be-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Tiedens Abendand. <hirendition="#aq">I.</hi> Th. P</fw><fwplace="bottom"type="catch">reichert.</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[225[255]/0262]
Der 18te April.
Spricht Gott im Zorn, ſo zucket jetzt
Der kuͤhne Held das Schwerdt,
Das ſich an Kirch und Grabmal wetzt,
Und lechzend Blut begehrt.
Der Fruͤhling bringet nicht blos Blumen und Geſang, ſondern
es gehen ſelten einige Jahre vorbei, wo er nicht auch in die-
ſes oder jenes von Gott heimgeſuchte Land den Krieg mitbringt.
Die Eroͤfnung des Feldzugs erfolgt: die Saat wird zer-
tteten, der Blumengarten bleibt unbeſucht, geſangreiche Voͤgel
werden vom Getuͤmmel verſcheucht, und der Soldat ſchlaͤgt ſein
Zelt uͤber das Neſt der traurenden Lerche auf. Die ſchoͤne Na-
tur verliert dabei ihren Reiz, der Wehrloſe zittert, und jedem
Redlichen klopfet das Herz fuͤr Furcht und Warten des kommen-
den langen Sommers.
Kein Anblick iſt ruͤhrender, als ein Heer ins Feld ruͤcken zu
ſehn. Neugekleidet, von Waffen glaͤnzend, und luſtig ziehet die
unabſehbare Reihe daher, als ob ſie zu einem Feſte eingeladen
waͤre, und ſie iſt es — zu Blutvergieſſen und Tod. Der Feld-
zug darf eben nicht ſehr blutig ſeyn, ſo reibet das Schwerdt, ſon-
derlich aber das Lazareth den vierten Theil des Heeres auf. Wel-
che Etniedrigung fuͤr das menſchliche Geſchlecht iſt nicht der Krieg!
Der Tugendhafte trauert; nur der Boͤſewicht jauchzet von Hof-
nung zu pluͤndern. Der ſchlechtſte Menſch, der ſonſt kaum die
Schwelle angeſehner Haͤuſer betreten durfte, bekomt vieleicht im
Verfolg des Feldzuges, Gewalt, den rechtſchaffenſten Mann zu
martern, und ganze Familien zu grunde zu richten. Selbſt der
ehrliche Soldat wird aͤrmer, ſelten wird er durch den Krieg be-
reichert.
Tiedens Abendand. I. Th. P
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Matthias Boenig, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Li Xang: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2023-05-24T12:24:22Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 225[255]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/262>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.