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Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775.

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Der 29te März.
und Werke beweisen können: so müssen wir sagen: die F[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
im Jrdischen ist groß, aber im Geistlichen ist sie unausspr[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]

Keine Rechnung ist demnach fürchterlicher, als die wi[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
unsre Unterlassungssünden anstellen. Was habe ich gutes g[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
und was konte ich thun? -- Dis untersucht und gewisse[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
beantwortet, schlägt alle Einbildungen von mir selbst zu B[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
Es ist so leicht kein Mensch, der nicht Gelegenheit hatte, e[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
andern das Leben zu retten. Nicht umsonst begegnet mir ma[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
abgezehrte Gesicht, manche Unschuld mit niedergeschlagenen[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
gen, mancher von Blösse und Erkältung keichende Greis. [unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
kommen von Gott gesandt, und fodern mir Hülfe, Trost [unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
Unterstützung ab. Versage ich sie ihnen, so ist es, als schrie[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
mand im Wasser um Errettung, und ich setzte meinen Spaz[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
gang ruhig fort. Sterben diese Hülflosen, und können sie sich [unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
dem Richter darauf berufen, daß ich sie retten konte und ni[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
mogte: o so wehe meiner mordenden Nachläßigkeit! Und hätte [unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
auch eben den Tod nicht verursacht, genug, wenn ein Geschö[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
Gottes über mich mit recht weinet. Dazu wird ja der unpa[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
theiische Schöpfer nicht lächeln und stumm seyn, sondern jede so[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
cher Thränen wird er einst mit donnernder Stimme begleiten!

Was verlangt mein Stand von mir? Und wie bald könte[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
ich nicht die wichtigste Pflichten erfüllen, welche ich gemeiniglich[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
verschiebe, und ihnen dadurch den halben Werth benehme! Und
ach! Busse, Bekehrung, Glauben und die Früchte desselben, ver-
lieren mit den Jahren ihren Werth, wie ein Gewand. Jm funf-
zigsten Jahre werden sie das lange nicht, was sie im zwanzigsten
gewesen wären. Soll denn die Tugend mich nur keichen hören,
und nur von meinen dürren Händen geliebkoset werden? Werde
ich heute mitleidig, so trägt diese Tugend morgen schon Früchte.
Würde ich es erst im Alter, so gliche sie einer Winterfrucht, wel-
che aufblühet und selten zur Reife gedeiet. O! so will ich denn
nicht bis morgen verschieben, was heute geschehen kan. Und kan
ich mich heute nicht noch rechtschaffen bekehren?

Der

Der 29te Maͤrz.
und Werke beweiſen koͤnnen: ſo muͤſſen wir ſagen: die F[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
im Jrdiſchen iſt groß, aber im Geiſtlichen iſt ſie unausſpr[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]

Keine Rechnung iſt demnach fuͤrchterlicher, als die wi[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
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und was konte ich thun? — Dis unterſucht und gewiſſe[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
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Es iſt ſo leicht kein Menſch, der nicht Gelegenheit hatte, e[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
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verſchiebe, und ihnen dadurch den halben Werth benehme! Und
ach! Buſſe, Bekehrung, Glauben und die Fruͤchte deſſelben, ver-
lieren mit den Jahren ihren Werth, wie ein Gewand. Jm funf-
zigſten Jahre werden ſie das lange nicht, was ſie im zwanzigſten
geweſen waͤren. Soll denn die Tugend mich nur keichen hoͤren,
und nur von meinen duͤrren Haͤnden geliebkoſet werden? Werde
ich heute mitleidig, ſo traͤgt dieſe Tugend morgen ſchon Fruͤchte.
Wuͤrde ich es erſt im Alter, ſo gliche ſie einer Winterfrucht, wel-
che aufbluͤhet und ſelten zur Reife gedeiet. O! ſo will ich denn
nicht bis morgen verſchieben, was heute geſchehen kan. Und kan
ich mich heute nicht noch rechtſchaffen bekehren?

Der
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[184[214]/0221] Der 29te Maͤrz. und Werke beweiſen koͤnnen: ſo muͤſſen wir ſagen: die F_ im Jrdiſchen iſt groß, aber im Geiſtlichen iſt ſie unausſpr_ Keine Rechnung iſt demnach fuͤrchterlicher, als die wi_ unſre Unterlaſſungsſuͤnden anſtellen. Was habe ich gutes g_ und was konte ich thun? — Dis unterſucht und gewiſſe_ beantwortet, ſchlaͤgt alle Einbildungen von mir ſelbſt zu B_ Es iſt ſo leicht kein Menſch, der nicht Gelegenheit hatte, e_ andern das Leben zu retten. Nicht umſonſt begegnet mir ma_ abgezehrte Geſicht, manche Unſchuld mit niedergeſchlagenen_ gen, mancher von Bloͤſſe und Erkaͤltung keichende Greis. _ kommen von Gott geſandt, und fodern mir Huͤlfe, Troſt _ Unterſtuͤtzung ab. Verſage ich ſie ihnen, ſo iſt es, als ſchrie_ mand im Waſſer um Errettung, und ich ſetzte meinen Spaz_ gang ruhig fort. Sterben dieſe Huͤlfloſen, und koͤnnen ſie ſich _ dem Richter darauf berufen, daß ich ſie retten konte und ni_ mogte: o ſo wehe meiner mordenden Nachlaͤßigkeit! Und haͤtte _ auch eben den Tod nicht verurſacht, genug, wenn ein Geſchoͤ_ Gottes uͤber mich mit recht weinet. Dazu wird ja der unpa_ theiiſche Schoͤpfer nicht laͤcheln und ſtumm ſeyn, ſondern jede ſo_ cher Thraͤnen wird er einſt mit donnernder Stimme begleiten! Was verlangt mein Stand von mir? Und wie bald koͤnte_ ich nicht die wichtigſte Pflichten erfuͤllen, welche ich gemeiniglich_ verſchiebe, und ihnen dadurch den halben Werth benehme! Und ach! Buſſe, Bekehrung, Glauben und die Fruͤchte deſſelben, ver- lieren mit den Jahren ihren Werth, wie ein Gewand. Jm funf- zigſten Jahre werden ſie das lange nicht, was ſie im zwanzigſten geweſen waͤren. Soll denn die Tugend mich nur keichen hoͤren, und nur von meinen duͤrren Haͤnden geliebkoſet werden? Werde ich heute mitleidig, ſo traͤgt dieſe Tugend morgen ſchon Fruͤchte. Wuͤrde ich es erſt im Alter, ſo gliche ſie einer Winterfrucht, wel- che aufbluͤhet und ſelten zur Reife gedeiet. O! ſo will ich denn nicht bis morgen verſchieben, was heute geſchehen kan. Und kan ich mich heute nicht noch rechtſchaffen bekehren? Der

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Zitationshilfe: Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 184[214]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/221>, abgerufen am 17.09.2024.