Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775.Der 28te März. etwas behagen könte; und wir haben es meistens zu unn[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]genossen, als daß es uns noch bekäme. Gesetzt aber, man wün[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] sich ein hohes Alter, um noch viel in der Welt zu erfahren: s[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] doch auch das kaum wünschenswerth. Was hälfe es mir, [unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] ich aller jetzigen Monarchen ihre Nachfolger auf den Thro[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] sterben sähe? Es werden immer andre an ihre Stelle komm[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] die zwar etwas jünger, etwas anders gesinnet sind und einen [unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] dern Namen führen als die jetzigen: einige Nationen werden s[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] gen, andre Sklaven seyn; einige Länder blühen, andre ihre[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] Glanz verlieren: aber was hilft die Ringelgeschichte einer unsterb[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] lichen Seele, welche nur durch immer neue Erkentniß Gottes ge[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] sättiget werden kan! Habe ich schon gelebt? Die Frage ist wichtiger, als: wie Jn deiner Hand stehet meine Zeit, du Herr der Ewigkeiten! Der
Der 28te Maͤrz. etwas behagen koͤnte; und wir haben es meiſtens zu unn[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]genoſſen, als daß es uns noch bekaͤme. Geſetzt aber, man wuͤn[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] ſich ein hohes Alter, um noch viel in der Welt zu erfahren: ſ[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] doch auch das kaum wuͤnſchenswerth. Was haͤlfe es mir, [unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] ich aller jetzigen Monarchen ihre Nachfolger auf den Thro[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] ſterben ſaͤhe? Es werden immer andre an ihre Stelle komm[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] die zwar etwas juͤnger, etwas anders geſinnet ſind und einen [unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] dern Namen fuͤhren als die jetzigen: einige Nationen werden ſ[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] gen, andre Sklaven ſeyn; einige Laͤnder bluͤhen, andre ihre[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] Glanz verlieren: aber was hilft die Ringelgeſchichte einer unſterb[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] lichen Seele, welche nur durch immer neue Erkentniß Gottes ge[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] ſaͤttiget werden kan! Habe ich ſchon gelebt? Die Frage iſt wichtiger, als: wie Jn deiner Hand ſtehet meine Zeit, du Herr der Ewigkeiten! Der
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Der 28te Maͤrz.
etwas behagen koͤnte; und wir haben es meiſtens zu unn_
genoſſen, als daß es uns noch bekaͤme. Geſetzt aber, man wuͤn_
ſich ein hohes Alter, um noch viel in der Welt zu erfahren: ſ_
doch auch das kaum wuͤnſchenswerth. Was haͤlfe es mir, _
ich aller jetzigen Monarchen ihre Nachfolger auf den Thro_
ſterben ſaͤhe? Es werden immer andre an ihre Stelle komm_
die zwar etwas juͤnger, etwas anders geſinnet ſind und einen _
dern Namen fuͤhren als die jetzigen: einige Nationen werden ſ_
gen, andre Sklaven ſeyn; einige Laͤnder bluͤhen, andre ihre_
Glanz verlieren: aber was hilft die Ringelgeſchichte einer unſterb_
lichen Seele, welche nur durch immer neue Erkentniß Gottes ge_
ſaͤttiget werden kan!
Habe ich ſchon gelebt? Die Frage iſt wichtiger, als: wie
lange werde ich noch leben? — Kan ich ſterben? — Die Ant-
wort hierauf entſcheidet es, ob ich genug gelebt habe oder nicht.
Da ich jeden Tag eben ſo viel Pflichten als Wohlthaten Gottes
habe; da ich in Einem Tage ſo viel Gutes thun, das iſt: leben
kan, als der Leichtſinnige binnen Jahresfriſt; und da die Verant-
wortung eines einzigen ſchlecht durchgebrachten Tages erſchrecklich
ſeyn muß: ſo will ich niemals ſo thoͤrig_ ſeyn, mir aͤngſtlich langes
Leben zu wuͤnſchen. Der Fromme nur verdient, daß ſeiner Jahre
in der Welt viel werden: und der ſchmachtet am wenigſten nach
dieſem Schatz: den er doch allein gut anzulegen wuͤßte.
Jn deiner Hand ſtehet meine Zeit, du Herr der Ewigkeiten!
Was du mir nicht anbeutſt, mag ich nicht wuͤnſchen. Erhoͤreſt
du mein Gebet und vergiebſt mir meine Suͤnden, ſo bin ich jeden
Abend alt genug und kan lebensſatt ſterben. Wie, wenn im
achtzigſten Jahre mein Chriſtenthum ſo lau wuͤrde, als mein Blut?
O mein Gott! dann nim mich lieber weg in der Haͤlfte meiner
Tage! Jeſu! du Sohn Davids! erbarm dich meiner! Jch liebe
dich, und will dich noch immer eifriger lieben! Erhoͤre mich! —
Ja! du erhoͤreſt mich. Unter einem ſolchen Gebet ſterbe ich nie-
mals zu fruͤhe!
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(2023-05-24T12:24:22Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
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