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Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775.

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Der 21te März.
etwas: aber gäbe es dorten so lange Tage wie bei uns, so mü[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
alles versengen und der Mensch verschmachten. Je niedriger [unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
Sonne uns in der Mittagsstunde über dem Haupt stehet: de[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
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geholfen. Nun scheint die Sonne in diese kalte Gegenden je
schräger, desto länger im Sommer. Folglich wird das Erdreich,
welches in den längsten Tagen fast durch gar keine Nacht abge-
kühler wird, hinlänglich durchwärmt, daß es den nothdürftigen
Unterhalt der Bewohner desselben hervorbringen kan. Und zwar
geschwinde wie im Treibhause, wegen des heraneilenden Winters.
So nützlich also eine beständige Tag - und Nachtgleiche in den
Gewürzinseln ist, so schädlich wäre sie in Schweden, wo bei den
schrägen Sonnenstralen alsdann wenig oder nichts zur Reife ge-
deien könte.

Jst diese Betrachtung zu weit gesucht? zu dürre? zu über-
flüßig? -- O! so ist alles unter der Sonne eine Kleinigkeit! Aber
dann ist auch, o Welt! alles was du königlich nennest, eine bet-
telhafte Pracht! Gott! dich will ich kennen und bewundern ler-
nen. Ein Wink, der mir deine Eigenschaften kentlicher macht,
rühre mich mehr und mache mich aufmerksamer, als alle Kleider
und Feste der Grossen! Du verdienest, daß ich ganz Ohr, ganz
Auge sey. Bin ich lebendig von deiner Weisheit und Liebe über-
zeugt, so verzage ich nicht, wenn gleich die Welt um mich her
im Feuer stände: denn du bist mein Gott!

Der

Der 21te Maͤrz.
etwas: aber gaͤbe es dorten ſo lange Tage wie bei uns, ſo muͤ[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
alles verſengen und der Menſch verſchmachten. Je niedriger [unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
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ſchraͤger fallen ihre Strahlen, und deſto weniger erwaͤrmen [unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
Da es nun, naͤher nach den Weltpolen zu, Laͤnder giebt, wo [unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
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ſchraͤger, deſto laͤnger im Sommer. Folglich wird das Erdreich,
welches in den laͤngſten Tagen faſt durch gar keine Nacht abge-
kuͤhler wird, hinlaͤnglich durchwaͤrmt, daß es den nothduͤrftigen
Unterhalt der Bewohner deſſelben hervorbringen kan. Und zwar
geſchwinde wie im Treibhauſe, wegen des heraneilenden Winters.
So nuͤtzlich alſo eine beſtaͤndige Tag – und Nachtgleiche in den
Gewuͤrzinſeln iſt, ſo ſchaͤdlich waͤre ſie in Schweden, wo bei den
ſchraͤgen Sonnenſtralen alsdann wenig oder nichts zur Reife ge-
deien koͤnte.

Jſt dieſe Betrachtung zu weit geſucht? zu duͤrre? zu uͤber-
fluͤßig? — O! ſo iſt alles unter der Sonne eine Kleinigkeit! Aber
dann iſt auch, o Welt! alles was du koͤniglich nenneſt, eine bet-
telhafte Pracht! Gott! dich will ich kennen und bewundern ler-
nen. Ein Wink, der mir deine Eigenſchaften kentlicher macht,
ruͤhre mich mehr und mache mich aufmerkſamer, als alle Kleider
und Feſte der Groſſen! Du verdieneſt, daß ich ganz Ohr, ganz
Auge ſey. Bin ich lebendig von deiner Weisheit und Liebe uͤber-
zeugt, ſo verzage ich nicht, wenn gleich die Welt um mich her
im Feuer ſtaͤnde: denn du biſt mein Gott!

Der
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[168[198]/0205] Der 21te Maͤrz. etwas: aber gaͤbe es dorten ſo lange Tage wie bei uns, ſo muͤ_ alles verſengen und der Menſch verſchmachten. Je niedriger _ Sonne uns in der Mittagsſtunde uͤber dem Haupt ſtehet: de_ ſchraͤger fallen ihre Strahlen, und deſto weniger erwaͤrmen _ Da es nun, naͤher nach den Weltpolen zu, Laͤnder giebt, wo _ Sonne, auch im Sommer zur Mittagszeit, ſo niedrig ſtehe_ daß ein Huͤgel oder mittelmaͤßiges Haus ſie verſteckt; oder da_ die Einwohner ſo langen Schatten werfen, wie wir einige Stun_ den vor Sonnenuntergang: ſo mußte die Vorſicht dieſen kalte_ Laͤndern zu huͤlfe kommen. Und wie weiſe und einfach hob ſi_ nicht alle dieſe Schwierigkeiten! Die Erde durfte ſich nur ſchief_ gegen die Sonne bewegen, ſo war allen Zonen oder Erdguͤrteln geholfen. Nun ſcheint die Sonne in dieſe kalte Gegenden je ſchraͤger, deſto laͤnger im Sommer. Folglich wird das Erdreich, welches in den laͤngſten Tagen faſt durch gar keine Nacht abge- kuͤhler wird, hinlaͤnglich durchwaͤrmt, daß es den nothduͤrftigen Unterhalt der Bewohner deſſelben hervorbringen kan. Und zwar geſchwinde wie im Treibhauſe, wegen des heraneilenden Winters. So nuͤtzlich alſo eine beſtaͤndige Tag – und Nachtgleiche in den Gewuͤrzinſeln iſt, ſo ſchaͤdlich waͤre ſie in Schweden, wo bei den ſchraͤgen Sonnenſtralen alsdann wenig oder nichts zur Reife ge- deien koͤnte. Jſt dieſe Betrachtung zu weit geſucht? zu duͤrre? zu uͤber- fluͤßig? — O! ſo iſt alles unter der Sonne eine Kleinigkeit! Aber dann iſt auch, o Welt! alles was du koͤniglich nenneſt, eine bet- telhafte Pracht! Gott! dich will ich kennen und bewundern ler- nen. Ein Wink, der mir deine Eigenſchaften kentlicher macht, ruͤhre mich mehr und mache mich aufmerkſamer, als alle Kleider und Feſte der Groſſen! Du verdieneſt, daß ich ganz Ohr, ganz Auge ſey. Bin ich lebendig von deiner Weisheit und Liebe uͤber- zeugt, ſo verzage ich nicht, wenn gleich die Welt um mich her im Feuer ſtaͤnde: denn du biſt mein Gott! Der

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Zitationshilfe: Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 168[198]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/205>, abgerufen am 24.11.2024.